Als Drehbuchautor hat sich Paul Schrader bereits frühzeitig in der Filmbranche einen Namen gemacht: Nachdem er die Vorlage zu Sydney Pollacks „Yakuza“ und Brian De Palmas „Schwarzer Engel“ verfasste, folgte 1976 mit seinem Skript zu Martin Scorseses Jahrhundertwerk „Taxi Driver“ der große Durchbruch. Daraufhin nahm Schrader vornehmlich selbst auf dem Regiestuhl Platz, um seine eigenen Drehbücher zu verfilmen – und blieb dabei zumeist dennoch seinem „Taxi Driver“ treu.
Ausnahmen wie „Katzenmenschen“ oder „Mishima“ bestätigen die Regel, doch in der Regel drehen sich die Werke von Paul Schrader um einsame, schuldbeladene Männer, die an sich und der Welt verzweifeln – und deswegen auf der todessehnsüchtigen Suche nach Erlösung sind.
Nachdem Schrader 2017 mit dem oscarnominierten „First Reformed“ ein eindrucksvolles Comeback hinlegen durfte, nachdem er in Hollywood lange Zeit als Persona non grata gehandelt wurde, startete im März diesen Jahres „The Card Counter“ in den deutschen Kinos.
Der komplexe Poker-Thriller mit „Moon Knight“- & „Star Wars 7-9“-Star Oscar Isaac, Tiffany Haddish („Lady Business“), Tye Sheridan („Ready Player One“) und Willem Dafoe („Spider-Man: Far From Home“) erscheint heute im Abo von Amazon Prime Video.
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William Tell (Oscar Isaac) hat die hohe Kunst des Kartenzählens perfektioniert. Nicht nur als Hobby, sondern auch um seine inneren Dämonen irgendwie unter Kontrolle zu halten. Der ehemalige Elite-Soldat hat eine Schuld auf sich geladen, die ihn einst für zehn Jahre ins Gefängnis brachte. Nach seiner Entlassung beginnt er als Pokerspieler durch die Staaten zu touren und folgt dabei einer strengen Routine.
Um dabei keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hält er den Einsatz konsequent niedrig – bis er schließlich auf den jungen Cirk (Tye Sheridan) trifft. Die beiden haben einen gemeinsamen Feind und Cirk will den ehemaligen Soldaten für seinen Racheplan gewinnen. William hingegen sieht in dem jungen Mann seine Chance auf Vergebung. Zusammen mit der undurchsichtigen Agentin La Linda (Tiffany Haddish) will er erstmals um das große Geld spielen – doch die Vergangenheit lässt sich nicht so einfach abschütteln...
Herausragendes Erwachsenenkino - verstörend, berührend, fesselnd
+++ Meinung +++
Während „The Card Counter“ in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik auf gute 3,5 von 5 Sternen kommt, gehe ich mehrere Schritte weiter: Für mich ist der neue Film von Paul Schrader DAS bisherige Meisterwerk des Jahres 2022 und alle weiteren Filme, die mich noch in diesem Jahr erwarten, müssen sich an dem verstörend-schönen Kleinod messen, wie es in dieser Form eben nur der „Taxi Driver“-Autor abliefern kann.
The Card CounterDas Beeindruckende an „The Card Counter“ ist, wie virtuos Paul Schrader Ambivalenzen in nahezu jeder Szene zum Ausdruck bringt und die Zwiespältigkeit der Charaktere, die sich von Minute zu Minute stärker herausschält, ausbalanciert. Das führt dazu, dass „The Card Counter“ wirklich extreme Schläge in die Magengrube verteilt, aber im nächsten Moment auch eine bittersüße Poesie aufleben lässt, die aufrichtig ans Herz geht.
Paul Schraders Blick in den Abgrund, in eine geschundene, von Oscar Isaac herausragend gut gespielte Seele, die nach Wiedergutmachung strebt, aber ohne Leid und Schmerz nicht mehr funktioniert, beläuft sich dabei nicht auf den Allgemeinplatz einer traurigen, selbstbemitleidenden Männlichkeit. Schrader gräbt tiefer und rückt auf ungemein subtile Art und Weise die verdrängte Gewalt im Herzen Amerikas immer bedrückender ins Zentrum des Geschehens.
Mich hat das gefesselt, bedrückt und am Ende, das vielleicht denkwürdigste des Kinojahres, zutiefst berührt. Wer auf forderndes, eindringliches, präzise geschriebenes Erwachsenenkino steht, sollte sich „The Card Counter“ auf keinen Fall entgehen lassen. Besser wird 2022 (vielleicht) nicht mehr.
Neu im Heimkino: Die volle Ladung "Jurassic Park" & "Jurassic World" – pünktlich zum Kinostart von "Ein neues Zeitalter"Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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