+++ Meinung +++
Wo eine Horrorgeschichte ist, ist auch eine neunmalkluge Person, die sie auf Logikbrüche, Klischees und vorhersehbare Twists abklopft. Ganz gleich, ob es um einen Film geht, einen furchteinflößenden Schmöker oder eine Erzählung, die jemand am Lagerfeuer oder vor dem Kamin von sich gibt. Dieser besserwisserischen Ader widmet Regiedebütant Josh Ruben nun einen ganzen Film – sowie der Macht der eigenen Vorstellungskraft. Seine Horrorkomödie „Scare Me“ dreht sich um einen angehenden Horrorautor und eine Bestsellerautorin, die sich während eines Stromausfalls in einer Waldhütte schreckliche Geschichten erzählen.
Und das in jeglichem Wortsinne! In der einen Minute zerreißen sie die halbgaren Erzählungen ihres Gegenübers in der Luft, in der nächsten bibbern sie vor Angst, weil sie sich das Gesagte zu gut vorstellen können. Zweieinhalb Jahre nach seiner Weltpremiere auf dem renommierten Sundance Festival findet der Film endlich seinen Weg nach Deutschland: „Scare Me“ ist ab sofort auf DVD und Blu-ray erhältlich.
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Der Film eignet sich sowohl für Genrefans als auch für Angsthasen, die sich herantasten wollen: In „Scare Me“ sehen wir Schauergeschichten der Hauptfiguren nicht, sondern hören sie nur – untermalt von der reißerischen Soundkulisse, die sie in „normalen“ Horrorfilmen hätten. Das ist für die Einen erfrischende Abwechslung, für die Anderen eine sanfte Dosis Grauen zum Einstieg.
"Scare Me": Es ist alles nur in deinem Kopf – oder?!
Fred (Josh Ruben) ist Autor und hat eine Schreibblockade. Also setzt er auf den bewährten Trick „Tapetenwechsel bringt Inspiration“ und mietet sich eine Waldhütte. Aus der inspirierenden Ruhe wird aber nichts, denn er hat die Rechnung ohne seine redselige Nachbarin, die erfolgreiche Horrorautorin Fanny (Aya Cash), gemacht. Denn die schneit nachts bei ihm herein und bricht einen Wettbewerb vom Zaun: Sie erzählen einander Gruselgeschichten. Schlimmer noch: Aus einem von Konkurrenzdenken getriebenen, angetrunkenen (und zugedröhnten) Zeitvertreib scheint sukzessive wahrer Horror zu werden...
Neu im Heimkino: In diesem FSK-18-Horrorfilm trifft Stephen-King-Grusel auf Pandemie-HorrorObwohl das Sundance-Festival eine atypische Umgebung ist, um aus der Norm fallende Horrorfilme an ein Publikum zu bringen, wurde „Scare Me“ dort 2020 warm begrüßt. Die Presse lobte die Genre-Fingerübung als spaßige, erfrischende Auseinandersetzung mit Horror-Konventionen. Generell fand „Scare Me“ bei der US-Kritik Anklang: Bei Rottentomatoes hat der Film löbliche 82 Prozent positive Wertungen – das zahlende Publikum dagegen zeigt sich auf diversen Bewertungsplattformen kritischer.
Möglich, dass es zumindest zum Teil eine Sache der Erwartungshaltung ist. Einen normalen Horrorfilm darf man sich von „Scare Me“ einfach nicht erhoffen – es ist ein solide gefilmter, akustisch aber sehr effektiv untermalter Erzählwettbewerb, in dessen Zuge zahlreiche Horrorklischees bedient und dann pointiert-abrupt wieder aufgegeben werden. Wer sich darauf einlässt, darf sich bei „Scare Me“ auf frischen Wind im Genre-Alltag freuen – und bekommt eine einfallsreiche Parodie geliefert, die ausnahmsweise großen Bogen um Slapstick macht.
Der Plot rund um die konkurrierenden Hauptfiguren begibt sich leider auf ausgetretene Pfade. Dennoch ist der Film für alle einen Blick wert, die nach diesen Absätzen neugierig geworden sind. Und falls ihr nun auf den Geschmack gekommen seid: Es gibt noch einen Horrorfilm, in dem sich der Schrecken auf akustischer Ebene verbreitet – nämlich „Berberian Sound Studio“. Darin spielt Toby Jones einen Sounddesigner, der die Aufgabe erhält, die bizarre und grauenerregende Geräuschkulisse für italienische Schocker voller Sex und Gewalt zu entwickeln. Während seiner detailversessenen Arbeit verschwimmen allmählich Fakt und Fiktion...
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„Berberian Sound Studio“ ist unter anderem bei Amazon Prime Video* erhältlich – wahlweise als VOD oder über die Prime Channel „Home of Horror“ und realeyz*. Außergewöhnlichen Horror bietet zudem der kürzlich im Heimkino erschienene „The Innocents“, der sich jedoch nicht vom Genrestandard abhebt, weil er selbstbewusst die visuelle Ebene unter die Macht der Akustik stellt, sondern weil er tonal besondere Wege geht. Das norwegische Meisterwerk ist nämlich ein ebenso niederschmetternder wie träumerischer Blick auf die ganz eigene, sonderbare Weise, mit der Kinder die Welt wahrnehmen...
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