Mit ihrem Spielfilmdebüt „Tore tanzt“ aus dem Jahre 2013 konnte Katrin Gebbe vorrangig im Arthaus-Sektor für Aufsehen sorgen, denn die verstörende Märtyrer- respektive Erlösungsgeschichte wandelte in ihrer Gnadenlosigkeit regelrecht auf den Spuren eines Lars von Triers („Dogville“). „Pelikanblut“, der 2020 in den deutschen Kinos gestartet ist, läuft heute, am 25. September 2023 um 22.30 Uhr auf ONE, unterstreicht noch einmal, was für eine spannende Filmemacherin Katrin Gebbe doch ist.
Das Beste an der heutigen TV-Ausstrahlung ist aber nicht nur, dass „Pelikanblut“ vollkommen ungekürzt gezeigt wird, sondern auch ohne Werbeunterbrechung. So könnt ihr euch richtig in der ungewöhnlichen Mischung aus „Systemsprenger“ und Okkult-Horror verlieren. Falls ihr es aber nicht schaffen solltet, den Film heute Abend im Fernsehen zu sehen, habt ihr auch die Möglichkeit, einfach auf Netflix auszuweichen, wo der Film aktuell im Abo zur Verfügung steht.
Darum geht’s in Pelikanblut
Wiebke (Nina Hoss) betreibt nicht nur einen eigenen Reiterhof, auf dem unter anderem Polizeipferde trainiert werden, damit sie in Extremsituation die Ruhe bewahren. Sie adoptierte mit Nicolina (Adelia-Constance Ocleppo) auch schon einmal ein osteuropäisches Mädchen – mit Erfolg. Ihr neuer Schützling, die fünfjährige Raya (Katerina Lipovska), macht es ihr da nicht ganz so einfach...
Das Mädchen beschmiert das Bad mit Fäkalien, spießt tote Tiere auf und zwingt schäwchere Kinder zu „Doktorspielchen“. Und während selbst die Neurologen glauben, dass eine Besserung nur noch in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen kann, will Wiebke einfach nicht aufgeben. Schlussendlich sieht sie sich in ihrer Verzweiflung sogar gezwungen, zu extremen Methoden zu greifen...
Ein harter Film, der sein Publikum herausfordert
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „Pelikanblut“ gute 3,5 von möglichen 5 Sternen. Chefkritiker Christoph Petersen schreibt in seinem Fazit: „Ein provokant-herausforderndes Drama mit einer grandiosen Nina Hoss, das sein Publikum – spätestens mit seinem Ende – in zwei Lager spalten wird.“
Dass „Pelikanblut“ auch oftmals mit dem brillanten „Systemsprenger“ verglichen wird, liegt an der fünfjährigen Raya, die aufgrund eines frühkindlichen Traumas keine Empathie und keine Liebe mehr empfinden kann – und oftmals nur über extreme Ausraster zu kommunizeren weiß. Regisseurin Katrin Gebbe kombiniert das familiäre Drama aber mit etlichen Stilmitteln des Genreskinos, was dazu führt, dass das kleine Mädchen „teilweise sogar wie ein besessenes Geister-Horror-Kind oder ein (Nachwuchs-)Killer aus einem Slasher-Film wirkt.“
Wer „Tore tanzt“ gesehen hat, in dem sich ein Jesus-Fan fast schon freiwillig von einer Schrebergarten-Familie zu Tode quälen lässt, weiß, dass Katrin Gebbe keinerlei Hemmungen dahingehend aufweist, extreme Szene zu zeigen. Auch „Pelikanblut“ ist vor allem eine unangenehme Seherfahrung, die das Publikum oftmals in moralische Zwickmühlen führt, die in der Kritik folgendermaßen beschrieben werden:
„Während ‚Systemsprenger‘ ja gerade deshalb so herzzereißend ist, weil man Benni (Helena Zengel) in jeder Sekunde alle Daumen für ihre Besserung drückt, führt Gebbe die Kinobesucher*innen regelrecht in Versuchung, dem kleinen Mädchen ein Stück weit ihre Menschlichkeit abzusprechen – eine herausfordernde Provokation.“ Das mündet schließlich auch in ein Finale, das man gleichermaßen als mutig oder als verantwortungslos empfinden kann. Fest steht aber: Kalt lässt einen dieser Film nicht.
Eines der besten Superhelden-Abenteuer der letzten 20 Jahre - nahezu in Vergessenheit geraten, aber VIEL besser als MarvelDies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.