Mein Konto
    Auf Netflix: Einen der besten Filme 2022 gibt's nur 3 (!) Monate nach Kinostart bereits im Stream – ein saucooles Mafia-Epos
    Christoph Petersen
    Christoph Petersen
    -Chefredakteur
    Hat im letzten Jahr mehr als 900 Filme gesehen - und jede Minute davon genossen, selbst wenn der Film gerade nicht so gut war.

    Der Bollywood-Blockbuster „Gangubai Kathiawadi“ ist ein Gangster-Epos mit starken Martin-Scorsese-Vibes – und zugleich ein buntes Musical, in dem es um den Kampf für die Legalisierung von Sexarbeit geht. Das muss man sehen, um es glauben zu können…

    Friday Entertainment / Netflix

    Das Faszinierende an Bollywood-Produktionen ist häufig, dass sie gleich mehrere Genres auf einmal bedienen. Aber bei „Gangubai Kathiawadi“, der erst im Februar in den weltweiten Kinos gestartet und nur wenige Wochen bereits auf Netflix verfügbar ist, erweist sich der Genre-Mix als ganz besonders wild: Auf der einen Seite erinnert der Film an ein Disney-Live-Action-Musical wie „Die Schöne und das Biest“ – so richtig mit spektakulär choreographierten Gesangsnummern, opulenten Sets und farbenfrohen Kostümen. Aber statt um einen verwunschenen Prinzen handelt der auf dem True-Crime-Sachbuch „Mafia Queens Of Mumbai“ basierende Film von Zwangsprostitution sowie dem politischen Kampf für die Legalisierung von Sexarbeit.

    Dabei ist „Gangubai Kathiawadi“ als Mafia-Epos auf der einen Seite ganz schön brutal – die oft von ihren Familien verkauften minderjährigen Frauen werden notfalls mit Folter zur Prostitution gezwungen, der Titelheldin wird von einem Frauenmörder einmal der ganze Oberkörper quer vom Hals bis zum Bauchnabel aufgeschlitzt. Auf der anderen Seite ist der Film nicht nur ganz wunderbar bunt, sondern zugleich auch betont keusch – man sieht trotz des Themas noch nicht einmal einen Kuss…

    Die (wahre) Geschichte von „Gangubai Kathiawadi“: In den 1950er Jahren erklärt die verschleppte Ganga (Alia Bhatt), die unter Androhung von Gewalt zur Prostitution im Rotlichtbezirk von Mumbai gezwungen wird, dass sie später einmal die Herrschaft über das ganze Viertel übernehmen wird. Und tatsächlich: Mit Hilfe des lokalen Mafiabosses Rahim Lala (Ajay Devgn) baut sie ihren Einfluss im Bordell-Bezirk Kamathipura immer weiter aus – und kämpft schließlich sogar beim Premierminister persönlich für die Rechte der indischen Sexarbeiterinnen…

    Warum uns "Gangubai Kathiawadi" so gut gefällt!

    Mit einem europäischen Blick und einer westlichen (Sexual-)Moral ist Gangubai mindestens eine ambivalente Figur – und doch wird sie in „Gangubai Kathiawadi“ ohne Wenn und Aber als historische Heldin abgefeiert. Bei einer politischen Podiumsdiskussion vertritt sie die Ansicht, dass die meisten Ehen ohne Prostituierte sowieso schon längst in die Brüche gegangen wären – und erhält dafür vom tosenden Publikum wie vom Film selbst uneingeschränkt zustimmenden Applaus. So etwas wäre wohl selbst in einer Hollywood-Großproduktion nur in einer sehr verniedlichten Form à la „Pretty Woman“ möglich. In „Gangubai Kathiawadi“ sieht man wie gesagt keinen Kuss, geschweige denn Sex – und doch kann man sich kaum einen progressiveren Film vorstellen.

    Nichtsdestotrotz ist der konsequent großgedachte Blockbuster trotz seiner niederschmetternden Thematik über weite Strecken gnadenlos unterhaltsam – „Moulin Rouge“ trifft „GoodFellas“! Einmal wird Gangubai von einem sadistischen Freier brutal zusammengeschlagen – sie überlebt nur knapp und hat daraufhin eine fette Narbe, die einmal quer über ihren Oberkörper reicht. Trotzdem lässt sich Gangubai später noch einmal mit demselben Psychopathen einsperren, um so sein Ende und ihren Aufstieg zu sichern – ein persönliches Opfer, das vom Film mit einem Maximum an Pathos (sowohl visuell wie auch musikalisch) begleitet wird.

    Die erprobten Mechanismen des indischen Blockbuster-Kinos funktionieren hier noch mal extra gut – gerade weil sie auf eine Figur angewendet werden, bei der man eine solche Bollywood-Behandlung absolut gar nicht erwartet hätte.

    Unser Fazit:Ein für europäische Augen wahrhaft seltsamer bis verstörender Mix aus farbenfroher Form und düsterem Inhalt – aber gerade deshalb so ungemein faszinierend. Ausgerechnet ein waschechtes Bollywood-Epos, in dem aus Zensurgründen nicht mal ein Kuss zu sehen ist, erweist sich als einer der progressivsten, radikalsten und geradeheraus unterhaltsamsten Film zum Thema Sexarbeit überhaupt.

    Neu auf Netflix: Dieser Horror-Reboot ist eine Schande – schaut lieber das Original!
    facebook Tweet
    Ähnliche Nachrichten
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top