+++Meinung+++
Lärm, Drogen, Sex, eine verheerende Gier nach Blut, und die Frage, ob das, was lange währt, auch endlich gut wird. Damit lässt sich der rauschhafte Horror „Bliss – Trip in die Hölle“ sogleich auf zwei Ebenen beschreiben. Einerseits, weil der laute, blutige Film von Regisseur Joe Begos („VFW – Veterans of Foreign Wars“) von einer Malerin handelt, die in einer Schaffenskrise feststeckt, und sich daher mit Sex und Drogen von ihren langsamen Arbeitsfortschritten ablenkt. Andererseits bezeichnet besagte Frage auch treffend die deutsche Veröffentlichungsgeschichte von „Bliss“.
2019 lief der Geheimtipp auf dem Fantasy Filmfest, Anfang 2020 kam er in eine Handvoll Kinos. Eine DVD- und Blu-ray-Auswertung wurde zwar zeitnah angekündigt, folgte jedoch erst im Sommer 2021, und zwar in geringer, hochpreisiger Auflage. Noch dazu erfolgte die Veröffentlichung ohne vorherige Prüfung durch die FSK. Jetzt endlich kommt „Bliss“ ganz regulär zu einem handelsüblichen Preis auf den Markt – noch dazu uncut mit einer Freigabe ab 18 Jahren.
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Hinsichtlich der Heimkino-Veröffentlichung hieß es für „Bliss“ also tatsächlich: Was lange währt, wird endlich gut. Ob diese Erkenntnis auch für die Protagonistin des Films gilt, oder ob ihr langer, steiniger, horrender Weg zur künstlerischen Erfüllung weniger gut endet? Um das zu erfahren, solltet ihr diesen sprichwörtlichen „Trip in die Hölle“ bestenfalls machen. Es lohnt sich.
Das ist "Bliss"
Dezzy (Dora Madison) ist Malerin. Sie steht auf Rock und Metal, ach, einfach auf alles, was Lärm macht, sowie auf unverbindlichen Sex. Und auf Drogen. Was sie dagegen gar nicht ab kann, sind ihre derzeitige Schaffensblockade und die Drohungen ihres Managers, ihr aufgrund ihrer Inaktivität den Geldhahn zuzudrehen. Also lässt sie sich von ihrem Dealer zünftig Stoff geben, damit die kreativen Synapsen wieder ordentlich aufglühen. Der neue Koksverschnitt „Diabolo“ hat es allerdings in sich: Dezzy mutiert förmlich zu einem neuen, gewissenloseren Menschen. Aber wenigstens füllt sich wieder ihre Leinwand – wenngleich zu einem immensen Preis...
Versifft, lärmend, grobkörnig, knallhart – und vor allem: super nischig. Was Regisseur und Autor Joe Begos seinem Publikum als sonderbaren Mix aus wilden Farben und alles verschluckender Dunkelheit entgegen schleudert, ist nichts für jedermann. In erster Linie nicht einmal aufgrund des drastischen, handgemachten Splatters, der in krisseligen 16mm-Bildern festgehalten wird. Sondern insbesondere aufgrund seines Vibes: In „Bliss“ hangeln wir uns von einem Kreativ-Tief Dezzys über eine Reihe von Rausch-, Zank- und Sexszenen zu ihrem nächsten Hoch, stürzen mit ihr ab und dann geht’s wieder von vorne los.
Und während Dezzy sich der erhofften Fertigstellung ihres Meisterwerkes nähert, kreisen nicht nur ihr Kopf und die rauen Bilder der umher schwirrenden Kamera. Auch das Genreroulette dreht sich und dreht sich: Verliert die Malerin aufgrund der Drogen ihren Verstand? Ist sie eine Vampirin? Haben Dämonen von ihr Besitz ergriffen? Ist dies weder Drogenthriller, noch übernatürlicher Horror, sondern eine Psychostory? Hat sie einfach Spaß daran, sinnlose Gewalt auszuüben? Ist das alles einfach eine Metapher?
Fragen über Fragen, die in diesem rasanten Filmtrip aufgeworfen werden – während sich die eine hypnotische Präsenz aufweisende Hauptdarstellerin Dora Madison förmlich die Seele aus dem Leib spielt. Doch noch bevor man bei all den desorientierenden Eindrücken klar den Gedanken „Ist sie die Verkörperung des Gewissenlosen oder der Film die Verbildlichung des die Künstlerseele auslaugenden Schaffensprozesses?“ fassen kann... Schon lösen sich sich im furiosen Finale alle Fragen mit einem Knall in Luft auf! Was für ein temporeicher, dreckiger, unvergleichlicher Nischengeschmack-Trip. Das muss man gesehen haben. Wenn man drauf steht.
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