Es gibt Filme, die übertreffen die eigenen Erwartungen und es gibt Filme, die enttäuschen, weil man einfach zu viele Hoffnungen in sie gesteckt hat. Und dann gibt es noch die Meisterwerke, die ihrem legendären Ruf absolut gerecht werden. So zum Beispiel Martin Scorseses oscarprämierter „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ der noch bis einschließlich 31. Oktober im Abo von Netflix zur Verfügung steht.
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik konnte sich der Mafia-Klassiker 5 von 5 möglichen Punkten sichern und zählt damit zu den besten Filmen aller Zeiten. Ich kann mich dem Urteil nur anschließen und gehe sogar noch eine Superlative weiter: Für mich ist „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ der beste Mafiafilm überhaupt, sogar noch vor „Der Pate“, „Scarface“ oder „Casino“.
Darum geht’s in "GoodFellas"
Jimmy (Robert De Niro) und Tommy (Joe Pesci) können machen, was immer sie wollen. Sie sind Mitglieder der New Yorker Costa Nostra und genießen damit eine gewisse Narrenfreiheit in der Stadt, die niemals schläft. Sie müssen auf niemanden Rücksicht nehmen und verdienen dazu noch eine Menge Geld, auch wenn sie sich dafür das ein oder andere Mal die Hände schmutzig machen müssen.
Henry Hill (Ray Liotta) ist von diesem Leben seit jeher fasziniert und arbeitet daran, ebenfalls zum Gangster zu werden. Er wird in die Mafia aufgenommen und macht schnell Karriere. Wer ihm im Wege steht, wird weggeräumt. Doch je weiter Henry die Karriereleiter innerhalb der Mafia emporsteigt, desto mehr wächst ihm das so exzessive wie brutale Leben über den Kopf. Schon bald spielt er mit dem Gedanken, auszusteigen, aber ist das überhaupt noch möglich?
Martin Scorseses ultimatives Meisterwerk?
Es ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, herauszufinden, welcher Film denn nun die beste Arbeit von Martin Scorsese darstellt. Das Schaffen des wohl wichtigsten amerikanischen Regisseurs überhaupt ist durchzogen von unzähligen Meisterwerken: „Taxi Driver“, „Wie ein wilder Stier“, „The King Of Comedy“, „Casino“, „Aviator“, „Shutter Island“, „Silence“, „The Irishman“ - und das sind noch nicht mal alle! Es würde aber wohl kaum jemand widersprechen, wenn man die Aussage fällt, dass „GoodFellas – Drei Jahrzehnte“ in der Mafia“ Scorseses absoluter Geniestreich ist.
Warum? Weil man es hier mit einem formvollendeten Jahrhundertwerk zu tun bekommt. „GoodFellas“ veranschaulicht für mich auf beeindruckende Art und Weise, wie sich die Mafia, dieser von Testosteron geschwängerte Affenstall, gnadenlos und bis auf die Knochen selbst zerfleischt. Hier werden Gangsterposen in Szene gesetzt, um sie danach gnadenlos zu dekonstruieren. Martin Scorsese erzählt vor allem von dem Irrglauben, dass es in der Mafia tatsächlich familiäre Strukturen zu beobachten gäbe. Loyalität ist hier solange erkennbar, wie ordentlich Kasse gemacht wird.
„GoodFellas“ erzählt über Oberflächlichkeiten, ohne jemals oberflächlich zu sein. Zusammenhalt, Solidarität und Freundschaft sind in der Welt des organisierten Verbrechens nur Behauptungen, die oftmals als Druckmittel verwendet werden, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Henry Hill sagt es an einer Stelle des Films deswegen auch so treffend: „Deine Mörder kommen mit einem Lächeln auf den Lippen.“
Ein regelrechter Rausch
Anstatt eine ausgiebige Chronik zu entfesseln, wie es Francis Ford Coppola mit „Der Pate“ und „Der Pate II“ getan hat, ist „GoodFellas“ ein robustes Charakter-Porträt und folgt Henry Hill, wie er aus dem Nichts kommt und wieder ins Nichts verschwindet. Erstaunlich und mitreißend daran ist für mich, mit was für einer schlafwandlerischen Stilsicherheit Martin Scorsese die klassische Aufstieg-und-Fall-Dramaturgie benutzt, ohne sich auch nur einmal klassischen Konventionen geschlagen zu geben respektive sie als solche deutlich zu machen.
Durch die herausragende Kameraführung von Michael Ballhaus durchströmt „GoodFellas“ eine energetische Virtuosität, die noch einmal unterstreicht, dass Martin Scorsese zu den Meistern darin gehört, ein Milieu über mehrere Jahrzehnte authentisch greifbar zu machen. Darüber hinaus kann er sich auf grandiose Schauspieler*innen verlassen und zieht seine Zuschauer*innen über eine Laufzeit von wie im Fluge vergehenden 150 Minuten in einen regelrechten Rausch, der in jedem Augenblick spürbar macht, dass man hier gerade einem Ausnahmewerk beiwohnt.
Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.