Ohne die Arbeit des irischen Autors Bram Stoker wäre die Filmgeschichte anders verlaufen. Sein wegweisender Schauerroman „Dracula“ war das offensichtliche Vorbild für den Filmklassiker „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ (Stokers Witwe verklagte die Filmfirma sogar wegen Urheberrechtsverletzung) und auch den „Morbius“-Film würde es ohne das Buch nicht geben, bedienen sich die zugrundeliegenden Marvel-Comics doch am Vampir-Mythos. Allerdings sind „Nosferatu“ und „Morbius“ zwei sehr unterschiedliche Filme – und das nicht nur, weil ersterer ein hundert Jahre alter, schwarz-weißer Stummfilm und letzterer ein moderner Superheldenfilm voller Computereffekte ist.
Der Marvel-Film „Morbius“ mit Jared Leto als Vampir ist weitestgehend lieblos gemachtes und damit wirkungslos verpuffendes Spektakelkino, das schon sehr bald vom nächsten – und hoffentlich deutlich besseren – Comic-Blockbuster abgelöst werden wird. In unserer Kritik könnt ihr ausführlich nachlesen, warum das im Film schlummernde Potential leider nicht genutzt wurde. „Nosferatu“ dagegen ist auch heute noch ein Film mit nachhaltig schauriger Wirkung, der im vergilbten Schwarz-Weiß-Look von der unaufhaltsamen Reise einer bösen Macht erzählt. Bis zum 1. Juni 2022 steht Murnaus „Nosferatu“ in der Mediathek von Arte kostenlos zum Abruf bereit.
Laut einem FILMSTARTS-Ranking ist „Nosferatu“ nicht weniger als der beste Vampirfilm überhaupt:
Rangliste: 100 Vampirfilme gerankt – vom schlechtesten bis zum besten!Darum geht es in „Nosferatu“: Wer den Dracula-Roman kennt, einen der klassischen Filme mit dem berühmtesten aller Vampire geschaut hat oder die „Simpsons“-Folge mit Mr. Burns als blutsaugendem Grafen, der kennt den groben Plot von „Nosferatu“: Thomas Hutter (Gustav von Wagenheim) reist auf das Anwesen von Graf Orlok (Max Schreck) in den Karpaten, um den Kauf eines Hauses in der kleinen Küstenstadt Wisborg in die Wege zu leiten. Der Graf möchte umziehen.
Hutter wird davor gewarnt, mit Graf Orlok in Kontakt zu treten. Die Bewohner der Gegend haben große Angst vor dem Schloss und Hutters Frau Ellen (Greta Schröder) hat ebenfalls kein gutes Gefühl bei der Sache. Als er merkt, dass er es tatsächlich mit einem Vampir zu tun hat, ist es zu spät. Alsbald besteigt Nosferatu ein Schiff und macht sich auf den Weg ins bald schon überhaupt nicht mehr beschauliche Wisborg...
"Nosferatu": Auch heute noch ein Meisterwerk
Auf „Nosferatu“ muss man sich einlassen. Fraglos entstammt der Stil des Films einer anderen Zeit und wohl dem, der zum hundertjährigen Jubiläum des Klassikers in den Genuss einer Kinovorführung mit Orchester- oder Klavierbegleitung kommt. Doch auch zuhause im Stream kann F.W. Murnaus Meisterwerk seine Wirkung entfalten.
Wer sich auf „Nosferatu“ einlässt, erlebt einen Schrecken der Bilder. Ohne gesprochene Dialoge, Toneffekte und wilde Kamerafahrten fehlen hier die Stilmittel des modernen Horrorkinos, dafür entsteht die Angst umso krasser in den verzerrten Gesichtern von Gustav von Wagenheim und Greta Schröder. Es ist eine Reaktion auf die schleichende Erscheinung des großgewachsenen Max Schreck, der seinen unbändigen Blutdurst in der langgezogenen Fratze mit den aufgerissenen Augen zum Ausdruck bringt.
F.W. Murnau und sein Team haben Bilder des Schreckens geschaffen, die größer sind als ein Film. Das Horrorkino hatte 1922 mit „Nosferatu“ gerade erst begonnen und direkt einen seiner Höhepunkte erreicht.
