+++ Meinung +++
„Chihiros Reise ins Zauberland“ läuft am heutigen Freitag, dem 25. März auf ProSieben MAXX und lässt sich außerdem via Netflix streamen. Ein absolutes Must-See für jeden Anime- und Fantasy-Fan, das laut FSK für Kinder aller Altersklassen geeignet ist. Die Altersfreigabe ab 0 Jahren ist meiner Meinung nach aber etwas zu lax. Denn ich kann mich gut daran erinnern, wie mir damals eine Figur aus dem Animationsfilm einen kalten Schauer über den Rücken jagte und mich auch Tage und Wochen später noch verängstigte.
Darum geht es in "Chihiros Reise ins Zauberland"
Das kleine Mädchen Chihiro und ihre Eltern sind mit dem Auto unterwegs, als sie sich verfahren und in einem seltsamen, verlassenen Vergnügungspark landen. Dort angekommen verwandeln sich die beiden Erwachsenen in gefräßige Schweine und Chihiro landet in einem Badehaus, in dem Geister und Götter ein und aus gehen. Ihr Ziel ist es, ihre Eltern wieder zurückzuverwandeln, doch zunächst wird Chihiro von der Badehaus-Chefin, die zugleich eine mächtige Hexe ist, gezwungen zu arbeiten...
„Chihiros Reise ins Zauberland“ war seit seinem Erscheinen 2001 der erfolgreichste Kinofilm aller Zeiten in Japan und wurde erst 2020 von „Demon Slayer: Mugen Train“ abgelöst. Der heutige TV-Tipp von Studio-Ghibli-Mastermind Hayao Miyazaki gilt als eines der großen Anime-Meisterwerke schlechthin und ist in den FILMSTARS-Rankings der besten Fantasyfilme (Platz 27) und der besten Animationsfilme (Platz 21) vertreten. Mein Ghibli-Favorit ist zwar „Prinzessin Mononoke“, doch „Chihiro“ folgt nur knapp dahinter und ich würde ihm volle 5 Sterne geben – obwohl er mich als Kind geradezu verstörte...
Darum hat mich das Ohngesicht in "Chihiro" verstört
Ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war (ich schätze mal zwischen 8 und 10 Jahre), als „Chihiro“ eines Abends auf Super RTL lief. Ich stieß beim Zappen darauf und blieb bei dem Film hängen, als sich plötzlich die verstörende Szene ereignete. Darin trägt das titelgebende Mädchen Chihiro, das in einem Badehaus arbeitet, einen Eimer Wasser ans Fenster, um ihn dort zu entleeren. Draußen ist es finstere Nacht und es regnet, als sie plötzlich eine tiefschwarze, maskierte Gestalt einige Meter vor ihr erblickt.
Chihiro spricht die geisterhafte Gestalt freundlich an. Doch diese reagiert nicht. In ihren Augen ist nichts, nur Leere. Ihr Lächeln bleibt so starr wie das eines Psychopathen, dessen wahre Motive hinter der Maske im Verborgenen liegen. Selbst der strömende Regen entlockt ihr keinerlei Reaktion. Sie steht einfach nur regungslos da.
Als Kind starrte ich in das emotionsleere Antlitz des sogenannten Ohngesicht und war völlig verängstigt. Panisch griff ich zur Fernbedienung und wechselte schnell den Kanal. Anschließend hatte ich noch Wochen später Angst davor, aus Fenstern herauszuschauen, wenn es draußen schon finster war. Es hätte ja jederzeit diese gruselige, verstörende Fratze in der Dunkelheit auf mich lauern können...
Aus heutiger Sicht finde ich die Szene nicht mehr gruselig, aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch andere Kinder ähnlich darauf reagieren würden wie ich damals. In diesem Kontext fällt mir das sogenannte Still-Face-Experiment ein, das gezeigt hat, dass kleine Kinder in Panik geraten, wenn Mütter keinerlei Emotionen mehr zeigen und nicht mehr per Mimik auf ihren Nachwuchs reagieren.
So ähnlich muss es mir wohl gegangen sein, als ich das Ohngesicht erblickte. Ich konnte die fehlende Reaktion des Wesens nicht einordnen. Es war mir total fremd und ich wusste nicht, ob es gute oder böse Absichten hat. Ich musste nicht mal sehen, wie es im späteren Verlauf des Films auch noch Menschen frisst, um Angst davor zu haben. Allein seine bloße Präsenz ging mir durch Mark und Bein.
Und trotzdem liebe ich den Anime-Hit
Erst als ich als Jugendlicher begann, mich intensiver mit Filmen zu beschäftigen, holte ich „Chihiros Reise ins Zauberland“ in voller Länge nach und war begeistert. Der wunderschön gestaltete Ghibli-Film ist eine fantasievolle Fabel mit vielschichtigen Interpretationsmöglichkeiten rund um Selbstfindung, Spiritualismus und Konsumgier. Es gibt sogar schlüssige Argumente dafür, dass es sich bei Chihiros Abenteuer um eine Metapher für Kinderprostitution handelt. Auch das ist verstörend, macht den Film aber damit umso einzigartiger und aussagestärker.
Das Ohngesicht hingegen erweist sich als gar nicht mal so böse und ist mir im Verlauf des Films sogar richtig ans Herz gewachsen. Wenn das mal mein Kindheits-Ich gewusst hätte...
Chihiros Reise ins Zauberland