+++ Meinung mit SPOILERN +++
„Das Buch von Boba Fett“ ist ein Phänomen in der Serienlandschaft: Gestartet als Spin-off zu „The Mandalorian“ (eine Show wohlgemerkt, die ohne die Popularität der Figur Boba Fett nie entstanden wäre), wurde die Serie in den Folgen 5 und 6 faktisch zu „The Mandalorian“ Staffel 2.5. Denn da verlagerte sich der Fokus weg von Bobas Problemen auf Tatooine hin zu Din Djarin (Pedro Pascal) sowie Grogu – inklusive eines verblüffend getricksten Luke Skywalker, der den kleinen Racker ausbildet und zum Schluss der sechsten Folge vor die Wahl steht, entweder die Jedi-Ausbildung fortzuführen, oder zurück zu seinem Ersatzpapa zu gehen.
Konsequenterweise stehlen Grogu und Mando dann auch im großen Finale von „Boba Fett“ (allen) die Show. Selbst wer sich für die nur schwer nachvollziehbare Entwicklung interessiert, die aus dem Kopfgeldjäger Fett einen Gangsterboss macht, der aber eigentlich kaum noch etwas Verbrecherisches tut, dürfte vor allem vom überraschenden Wiedersehen zwischen Din Djarin und Baby Yoda gefesselt sowie gerührt gewesen sein – Rancor-Ritt und Duell mit Cad Bane hin oder her.
Nachdem wir nämlich am Ende der zweiten Season „The Mandalorian“ damit rechnen mussten, dass sich Grogu und Mando sehr viele Folgen lang nicht sehen werden und die sechste Episode „Boba Fett“ diesen Eindruck bestärkt hat, brettern die beiden – nach ihrer rührenden Reunion – in der letzten Szene des Finales glücklich vereint durchs All.
Dieser kleine Racker!
Vor dem Happy-End werden viele süße Grogu-Momente geboten, ganz so, als wollten Showrunner Jon Favreau und sein Team wiedergutmachen, dass sie den Baby-Yoda-Fans im Staffelfinale von „Mandalorian“ Season 2 die Herzen gebrochen hatten:
Baby Yoda sitzt nun überraschend im X-Wing und hat sein süßes Kettenhemd an, Baby Yoda springt Mando glücklich an die Brust, Baby Yoda bekommt seinen geliebten Knauf, Baby Yoda macht den Rancor müde und kuschelt sich anschließend zum Schlafen an das liegende Biest… Noch putziger wäre wohl nur der Blick in einen „Star Wars“-Kindergarten mit einer ganzen Rasselbande aus glücklich spielenden Baby Yodas gewesen.
Super-kalkulierter Fan-Service?
Keine Missverständnisse: Ich finde diese Momente bezaubernd. Denn die Beziehung zwischen Mando und seinem süßen Mündel bewegt mich auch abseits der oberflächlichen Niedlichkeit eines tapsigen, großohrigen Wesens und seinem etwas unbeholfenen, stets wohlmeinenden „Papas“ – Grogu nämlich verhält sich mitunter so irrational, wie es Kinder nun mal tun und Mando ist nicht weniger als das gehirngewaschene Opfer eines Kults, das in seiner neuen Funktion als Sorgeberechtigter ganz langsam mit dem selbstständigen Denken anfängt.
Dennoch hat die Art, wie Mando und Grogu in „Boba Fett“ zurück in die Handlung kommen und zusammenfinden, etwas Kalkuliertes. Sie wirkt, so leid es mir tut, kommerziell motiviert.
Ich weiß es nicht, aber es würde mich nicht wundern, wenn Jon Favreau und sein Team zunächst einen völlig anderen Plan hatten, was die weitere Entwicklung von Grogu angeht. Womöglich sollte er tatsächlich für längere Zeit aus der Handlung genommen werden – bis Disney und Lucasfilm von den überwältigend-positiven Reaktionen auf die neue Kultfigur Baby Yoda umgestimmt wurden.
Ohne Grogu wäre „The Mandalorian“ jedenfalls kein Hit geworden und hätte den neuen Streamingdienst Disney+ nicht nahezu im Alleingang über die ersten Monate gerettet, als es abseits der gefeierten „Star Wars“-Serie keine neuen Inhalte gab, die in irgendeiner Form begeistert haben.
›› "Das Buch von Boba Fett" bei Disney+*
Man muss sich einfach nur den Gesichtsausdruck des Disney-Chefs Bob Chapek vorstellen, wie ihm zu Ohren kommt, dass seine „Star Wars“-Abteilung Lucasfilm allen Ernstes mit dem Gedanken spielt, Baby Yoda bis auf Weiteres und fernab der „Mandoverse“-Handlung zum Dschungeltraining bei Luke abzukommandieren. Kurzer Anruf bei der Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy: „Kathy, ich kann mich doch darauf verlassen, Baby Yoda in eurer Boba-Serie wiederzusehen, oder?“ „Klar Bob, das war auch nie anders geplant.“
Von Anfang an war „Star Wars“ eine im großen Stil kommerziell gedachte Unternehmung, schließlich ließ sich der pfiffige Geschäftsmann George Lucas aus gutem Grund bereits bei der Original-Trilogie vertraglich die Einnahmen am Merchandise (Actionfiguren, T-Shirts, Kaffeetassen…) zusichern. Ich habe mit dieser Ausrichtung kein grundsätzliches Problem.
Im Falle von Mando und Grogu wird es nun aber darauf ankommen, wie sich ihre Beziehung in der für Dezember 2022 erwarteten dritten Season „The Mandalorian“ weiterentwickelt. Ihr Wiedersehen im „Boba Fett“-Finale muss dann also im Kontext der kommenden „Mando“-Staffel bewertet werden.
Ein mögliche, neuer Weg für Grogu
Wird Grogu auf die Funktion eines Gimmicks, eines megasüßen McGuffins reduziert, mit der einzigen Zuständigkeit, an der Seite von Din Djarin süße (und sehr GIF-taugliche) Dinge zu tun? Dieser Vorwurf wird ja bereits jetzt schon von mancher Seite erhoben. Womöglich aber haben Jon Favreau, Dave Filoni und die anderen „Star Wars“-Macher*innen bereits einen Weg im Kopf, Grogu in der Handlung zu lassen und ihm trotzdem eine Entwicklung zu ermöglichen.
Grogus Lehrer Luke müsste die Entscheidung seines Schülers, das Training abzubrechen, jedenfalls bestens verstehen: Luke eilte in „Star Wars 5: Das Imperium schlägt zurück“ seinen Freunden Han und Leia zur Hilfe, obwohl Yoda ihn eindringlich davor warnte. Aus Luke wurde trotzdem ein Jedi-Ritter.
Grogu könnte einen ähnlichen, jedoch eben nicht komplett gleichen Pfad beschreiten wie Luke: Anstelle eines isolierten Trainings in irgendeinem Dschungel könnte er an der Seite von Mando lernen, die Macht zu meistern – vielleicht nicht so sauber, wie in einer formalisierten Ausbildung, dafür jedoch in der Geborgenheit einer Vater-Sohn-Beziehung. Aus den Fehlern, die dabei passieren würden, ließen sich viele Folgen „The Mandalorian“ spinnen, und wir würden damit in „Star Wars“ endlich eine andere und viel sympathischere Art des Jedi-Trainings sehen.
Der Glaube des alten Ordens sieht vor, junge Menschen fernab ihrer Familien auszubilden und sie davon abzuhalten, enge Bindungen einzugehen. Das ist ein sehr schädliches Vorgehen und es wird Zeit, dass „Star Wars“ einen anderen, besseren Weg zeigt, wie Macht-sensitive Wesen ihre Kräfte zum Zwecke des Guten beherrschen lernen, ohne weltfremde Mönche zu werden. Grogu könnte der kleine Jedi-Rebell werden, den dieses Franchise so dringend nötig hat. So würde er Teil der Serie bleiben und „Star Wars“ voranbringen, anstatt nur ein niedlicher Sidekick zu sein.
Auch die "Boba Fett"-Serie beweist: Die Jedi haben versagt und müssen sich endlich ändern*Bei diesem Link zu Disney+ handelt es sich um einen Affiliate-Link. Mit dem Abschluss eines Abos über diesen Link unterstützt ihr FILMSTARTS. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.