Als der Archivar Dan (Mamoudou Athie) in der Netflix-Serie „Archive 81“ vom undurchsichtigen Geschäftsmann Virgil Davenport (Martin Donovan) den Auftrag bekommt, alte Videoaufnahmen der Doktorandin Melody (Dina Shihabi), die 25 Jahre zuvor einem Feuer zum Opfer gefallen sind, zu restaurieren, wird schnell klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht – weder in der Gegenwart noch in der zunehmend mit ihr verknüpften Vergangenheit.
Nach und nach setzt sich ein Puzzle aus ominösen Ritualen, finsteren Parallelwelten und tragischen Familiengeschichten zusammen – das schließlich in ein offenes Ende mündet, das sich gewaschen hat. Wir versuchen einmal zu entwirren, wie es dazu gekommen ist und wie es von dort aus weitergehen könnte...
Die andere Welt
Dank Melodys Videoprojekt im Visser-Appartmentgebäude (in dem sie in Wahrheit auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter ist) und Dans Restaurierung der Kassetten finden wir heraus, dass der Wohnkomplex auf den Ruinen des alten Anwesens der Vos-Familie errichtet wurde. Unter Führung von Iris Vos (Georgina Haig) wurde hier 1924 einst versucht, ein Tor zu einer Parallelwelt, der „anderen Welt“, aufzustoßen, um den dort herrschenden mächtigen Dämon Kaelego in unsere Welt zu lassen und so eine neue Weltordnung einzuläuten. Doch der Versuch lief aus dem Ruder und endete in der Zerstörung der Villa und dem Eintauchen von Iris in die andere Welt, in der sie fortan gefangen war.
70 Jahre später wiederholen die Bewohner*innen des Visser-Gebäudes unter Anleitung von Virgils Bruder Samuel (Evan Jonigkeit) das finstere Ritual in Anwesenheit von Melody, um in den Genuss der Macht aus der anderen Welt zu kommen. Doch wiederholt sich auch der damalige Ausgang. Die Visser-Anlage geht in Flammen auf und sowohl Melody als auch Samuel landen durch das sich kurzzeitig öffnende Portal in der anderen Welt.
Das passiert am Ende der 1. Staffel "Archive 81"
Als Dan das auf den Videobändern sieht, wird ihm klar, dass Melody nicht – wie zunächst vermutet – im Visser-Feuer umgekommen, sondern noch immer am Leben ist. Daher beschließt auch er, trotz der schrecklichen Geschehnisse der Vergangenheit, ein Tor in die andere Welt zu öffnen, um Melody zu retten. Unterstützung bekommt er dabei überraschend von „Bobbi“ (Jacqueline Antaramian), von der er bislang dachte, dass sie für Virgil auf den abgeschiedenen Komplex aufpasst, in dem Dan die Videobänder wiederherstellt.
In Wahrheit handelt es sich bei ihr aber um Melodys leibliche Mutter Julia, die ihre Tochter im Babyalter weggegeben hat, um sie vor ihrem vererbten Schicksal zu bewahren. Mutter und Tochter sind nämlich sogenannte Baldungs, eine Art Hexen, die es sich als Gegenstück zur Vos-Gemeinschaft und deren Nachfolger*innen zur Aufgabe gemacht haben, um jeden Preis zu verhindern, dass Kaelego in unsere Welt kommt.
"Archive 81": Es gibt bereits Staffel 2 & 3 – aber anders, als ihr denkt!Das Blut einer Baldung wird neben einer Kaelego-Skulptur, einer Beschwörungsformel und Kometen-Splittern auch benötigt, um ein Portal in die andere Welt zu öffnen (darum hat Samuel Melody überhaupt zum Visser gelockt, wusste er im Gegensatz zu ihr selbst doch um ihre wahre Herkunft). All diese Utensilien sind tatsächlich auch in Virgils Einrichtung vorhanden. Dan und Co. können zum Glück aber auf ein Menschenopfer verzichten, das Iris und Samuel einst noch erbracht haben. Schließlich diente das nur dazu, um Kaelego einen Körper in unserer Welt bereitzustellen. Dan und Bobbi/Julia wollen jedoch nicht Kaelego zu sich holen, sondern lediglich vorübergehend den Übergang in seine Welt öffnen – und das gelingt tatsächlich auch.
Dan findet sich in der besagten Parallelwelt wieder, in der Raum und Zeit anderen Regeln folgen als in unserer Welt. Hier stößt er schnell auch auf Melody, die sich in die Parallelwelt-Version der Kirche zurückgezogen hat, in der sie einst von ihrer Mutter zurückgelassen wurde. Während ihnen daraufhin Kaelego zusetzt, bahnen sie sich schließlich ihren Weg zum Ausgang, den Bobbi/Julia für sie offen hält. Doch bevor sie beide hindurchgehen können, erscheint plötzlich Samuel, schnappt sich Melody und verschwindet mit ihr im Schlepptau. Letztere taucht daraufhin (ohne Samuel) im Ritualkeller unter Virgils Komplex auf und ist somit mit ihrer Mutter wiedervereint, während sich das Portal wieder geschlossen hat. Dan allerdings landet ganz woanders...
Dans Zeitreise
In der letzten Szene der ersten „Archive 81“-Staffel sehen wir, wie Dan in einem Krankenhausbett erwacht – und zwar im Jahr 1994 einige Tage nach dem Feuer im Visser! Das wird durch die Aussagen der hereinkommenden Krankenschwester und einen Fernsehbericht über den Tod von Nirvana-Frontmann Kurt Cobain deutlich. Ungläubig blickt Dan in der finalen Einstellung dann aus dem Fenster seines Zimmers, wo wir in einer Reflektion auch noch die Twin Towers des World Trade Centers sehen.
Wie es Dan über den Umweg über die andere Welt in die Vergangenheit katapultiert hat, wird noch nicht wirklich erklärt, Anhaltspunkte gibt es aber durchaus. So gehen wir davon aus, dass zu jener Zeit, in der sich Dan in der anderen Welt aufhält, nicht nur das von Bobbi/Julia geöffnete Tor, sondern auch Samuels Portal noch besteht, schließlich sind auch zwei Ausgänge zu sehen, als er mit Melody die Flucht vor Kaelego ergreift. Samuels Portal wurde in der „richtigen“ Welt zwar schon 25 Jahre zuvor geöffnet, in der anderen Welt funktioniert Zeit, wie bereits erwähnt, jedoch anders. Wir vermuten daher, dass sich Melody und Samuel in ihrer Wahrnehmung noch nicht allzu lange in der anderen Welt befinden. Ein Hinweis darauf ist auch, dass beide offenbar nicht gealtert sind.
Nachdem Samuel sich Melody geschnappt hat, gerät Dan dann offenbar in den anderen Ausgang, der ins Jahr 1994 zurückführt, er hat im Grunde eine falsche Abzweigung genommen. Während Melody also über die andere Welt als eine Art Zeitreise-Tunnel in Dans Gegenwart landet, geht Dan den umgekehrten Weg in die Vergangenheit (bzw. Melodys eigentliche Gegenwart).
Wie geht es in Staffel 2 weiter?
In einer potentiellen zweiten Staffel von „Archive 81“ dürfte es dann um Dans Bemühungen gehen, „nach Hause“ zurückzukehren – was kein leichtes Unterfangen werden dürfte. Sollte sich unsere Zeitreise-Theorie bestätigen, müssten dafür erneut zwei Portale in die andere Welt geöffnet und irgendwie aufeinander abgestimmt werden. Und obwohl Melody, Bobbi/Julia und Dans Freund Mark (Matt McGorry) wahrscheinlich ebenfalls daran arbeiten werden, dürfte es gerade für Dan mit den Mitteln, die ihm in der Vergangenheit zur Verfügung stehen, schwer werden, erneut ein solches Tor zu öffnen.
Allerdings könnte er die Zeit auch nutzen, um ein für alle Mal zu klären, wer damals denn nun das Feuer in seinem Haus gelegt hat, dem seine gesamte Familie zum Opfer gefallen ist. Waren es, wie von Virgil angedeutet, wirklich die Baldung, um Melodys Kassetten mit dem gefährlichen Kaelego-Ritual darauf zu vernichten, die Dans Vater nach der Visser-Katastrophe an sich genommen hat? Oder gibt es noch eine andere mächtige Gruppierung im Hintergrund? Sollte sich Dan wirklich damit befassen, könnte er durchaus auch versuchen, den Vorfall zu verhindern und so seine Familie zu retten – was für allerlei Zeitreise-Paradoxa sorgen dürfte.
Gleichzeitig wird es spannend sein zu sehen, was denn eigentlich aus Samuel geworden ist. Eigentlich dürfte er wie Melody in der Gegenwart gelandet sein. Dort könnte er sich nun womöglich mit seinem Bruder Virgil zusammentun, um seine Pläne, Kaelego in unsere Welt zu bringen, doch noch in die Tat umzusetzen.
Noch hat Netflix zwar kein grünes Licht für eine zweite „Archive 81“-Staffel gegeben, beim derzeit großen Interesse an der Serie stehen die Chancen für eine Fortsetzung aber recht gut. Alles andere wäre nach dem massiven Cliffhanger auch eine ziemliche Enttäuschung.
