+++Meinung+++
Er hat nie den weltweiten Ruhm eines Freddy Krueger, Jason Voorhees oder Michael Myers erreicht – aber doch hat er sich einen Platz im Olymp der ikonischen Filmkiller verdient: Der von Tony Todd genauso beängstigend wie süßlich-charmant verkörperte Candyman, ein aus der Hölle des systematischen Rassismus geborener, übernatürlicher Rächer. In Deutschland befand sich der Mittelteil der ursprünglichen „Candyman“-Trilogie lange auf dem Index, die anderen beiden Filme haben seit jeher eine FSK-Freigabe ab 18 Jahren.
2021 ließen nun „Get Out“-Macher Jordan Peele und Regisseurin Nia DaCosta den Candyman zurückkehren. Mit seiner FSK-Freigabe ab 16 Jahren ist dieser neue „Candyman“ zwar nicht so hart wie seine Vorgänger, trotzdem kann er mit dem Original mithalten – und zwar aus anderen Gründen. Ab dem 6. Januar 2022 können sich Horrorfans von den Stärken des hakenhändigen Killers für eine Generation auf DVD, Blu-ray und 4K-Disc überzeugen. Als Video-on-Demand gibt es ihn sogar schon, etwa bei Prime Video:
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Das ist "Candyman"
Das Viertel Cabrini Green in Chicago: Jahrzehnte, nachdem absurde, tödliche Vorfälle die Nachbarschaft heimsuchten, wurde sie nun von der Gentrifizierung erfasst. Der Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) und seine Freundin, Galeriedirektorin Brianna Cartwright (Teyonah Parris), halten nicht viel von den Sagen rund um ihre Wohngegend. Doch als Anthony zufällig dem langjährigen Cabrini-Green-Bewohner William Burke (Colman Domingo) begegnet, weckt dieser Anthonys Neugier, was den Candyman-Mythos angeht. Alsbald entsteht in ihm ein neuer, lang ersehnter künstlerischer Drang – gleichzeitig werden aber auch unheimliche Dinge erweckt...
Wie schon David Gordon Greens „Halloween“ ist Nia DaCostas „Candyman“ trotz des Filmtitels, der 1:1 den US-Titel des Originalfilms wiederholt, kein Remake, sondern eine Fortsetzung. Genauer gesagt ist der neue „Candyman“ eine Staffelübergabe von der alten Garde an eine neue Generation, ähnlich zu „Star Wars – Das Erwachen der Macht“, „Creed – Rocky's Legacy“ oder „Terminator: Dark Fate“. Diese Form des Franchise-Fortführens bringt durchaus ihre Probleme mit sich, doch „Candyman“ versteht es, Stärken aus dieser Grundidee zu ziehen!
Schärfer, wenn auch nicht härter
Ein möglicher Grund dafür, dass Candyman nicht den Ruhm eines Jason, Freddy oder Michael Myers genießt, könnte die Qualität des zweiten und dritten Films rund um ihn sein: „Candyman 2 – Die Blutrache“ hat ein paar kernige Kills, aber auch ein Drehbuch, dem es an Raffinesse und Suspense mangelt. Und über den dritten Film mag man fast den Mantel des Schweigens hüllen.
Das in Deutschland „Candymans Fluch“ betitelte Original von 1992 wiederum ist atmosphärisch inszeniert und packend erzählt, doch dass vor dem neuesten Sequel/Semi-Reboot nur ein Drittel der „Candyman“-Reihe wirklich denkwürdig war, wird dem Legendenstatus der Titelfigur nicht geholfen haben. Glücklicherweise hebt der jüngste Beitrag zur Reihe den Schnitt nun wieder etwas an: DaCostas „Candyman“ ist zugleich Wiederbelebung wie Neuarrangement des Franchises.
Bereits „Candymans Fluch“ lotet Themen wie systematischen Rassismus aus, opfert jedoch zuweilen die Schärfe der Beobachtungen zu diesem Thema für den schnellen, aber auch eindrucksvollen Schock auf der Slasher-Ebene. Der neue „Candyman“ stellt praktisch die ergänzende zweite Hälfte des Originals dar: Gewiefter und durchdachter in der Darstellung des realen Horrors und wie er sich metaphorisch im Rächergeist Candyman spiegelt, methodischerweise zurückhaltend in Sachen Schreckeffekt.
Vor und hinter den Kulissen wird nun deutlich stärker auf die Perspektive der Rassismusbetroffenen geachtet; das Drehbuch spart nicht mit rasiermesserscharfen Beobachtungen sowie ebenso geschliffenen, schmerzhaften Schilderungen. Zugleich richtet DaCosta ihren Film tonal voll nach ihrem entrückten Künstler-Protagonisten aus, setzt also auf eine kühl stilisierte Inszenierung – ein interessanter Gegenpol zum rauen Original.
Nicht nur DaCostas inszenatorisches Auge, das die Marvel Studios bereits für das „Captain Marvel“-Sequel „The Marvels“ gewinnen konnten, und das mit spitzfindigen Dialogen bespickte Drehbuch machen den neuen „Candyman“ zur ersten würdigen Fortsetzung des Originals. Auch das Spiel von Yahya Abdul-Mateen II wertet den Film auf und macht manche Länge im dritten Akt vergessen: Als allmählich seine Moral verlierender (und verfluchter) Künstler gleitet der Schauspieler gekonnt von charmant zu makaber-gewitzt bis hin zu frustriertem Pathos, der immer intensiver seine Figur erfüllt.
Aktuell ist Yahya Abdul-Mateen II übrigens im Kino zu sehen, und zwar in einem weiteren Film, in dem er große Fußstapfen zu füllen hat: als Morpheus in „Matrix Resurrections“.
"Matrix 4 Resurrections" erklärt: Warum sehen ausgerechnet Smith und Morpheus nun anders aus?*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.