+++ Meinung +++
Mittlerweile ist es offiziell: „Red Notice“ ist der erfolgreichste Netflix-Film aller Zeiten. Bei der enormen Starpower, die das Action-Abenteuer mit Dwayne Johnson, Gal Gadot und Ryan Reynolds vor der Kamera versammelt, dürfte das aber auch kaum jemanden überraschen. Der vorab als (bis dato) teuerster Netflix-Film aller Zeiten beworbene Streaming-Blockbuster verschlang jüngsten Informationen nach Produktionskosten von bis zu 200 (!!!) Millionen Dollar. In Anbetracht dessen ist das Ergebnis allerdings nichts anderes als eine bodenlose Frechheit.
„Red Notice“ ist faules Filmemachen auf höchstem (oder eben niedrigstem) Niveau, das beweist, was in Hollywood so alles falsch läuft. Ich will damit aber natürlich keineswegs die Arbeit schmälern, die in den Film floss. Eine so große Produktion kann überhaupt erst erfolgreich abgeschlossen werden, wenn die Beteiligten mit Herzblut dabei sind. Mit einem derartigen Budget im Rücken hätte man aber freilich alle Möglichkeiten der Welt, einen guten Film zu drehen. Das Problem bei „Red Notice“ ist, dass einfach (zu) viele falsche Entscheidungen getroffen und völlig falsche Prioritäten gesetzt wurden. Aber gut, der Film pulverisierte praktisch sämtliche Netflix-Rekorde, wen kümmert es da schon, ob er auch gut ist, richtig?
Alles falsch mit "Red Notice"
Bevor ich weiter unten dann aber auch kurz darauf eingehe, was mir an der jüngsten Zusammenarbeit von Regisseur Rawson Marshall Thurber und Dwayne Johnson (nach „Central Intelligence“ und „Skyscraper“) durchaus gefallen hat und wie ihr neuester Film eine neue Action-Ära einläuten könnte, will ich erst noch erläutern, warum mich „Red Notice“ so sehr aufregt.
Das Offensichtliche vorweg: Die Macher setzen voll und ganz auf die Starpower des Films, nicht auf den Film selbst. Und damit meine ich noch nicht einmal, dass vor allem Johnson und Reynolds ihre 08/15-Nummern runterklopfen, die ich einfach nicht mehr sehen kann. Das Drehbuch ist obendrein derart großer Murks, dass ich aus dem Augenrollen gar nicht mehr rauskam. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt: Offensichtlich unsinnige Wendungen, die einzig und allein als Täuschungsmanöver für das Publikum fungieren, für die Geschichte selbst aber überhaupt keinen Sinn ergeben.
Während die Stars also kaum schauspielern, sondern vor allem die altbekannten Versionen ihrer selbst geben und das Skript löchrig wie ein Schweizer Käse ist, ist „Red Notice“ auch visuell eine Katastrophe. Wenn ich gleich drei Publikumslieblinge aus Hollywoods A-Liga versammle und sie mit einem Salär entlohne, von dem auch noch meine Ururururenkel leben könnten, sollte das wenigstens nicht auf Kosten des Films gehen. Offenbar musste man gerade deswegen aber an anderer Stelle einsparen, sodass gleich zahlreiche grässliche Green-Screen-Aufnahmen in den Film fanden – von animierten Landschaften im Hintergrund bis hin zum Duell zwischen Johnson und einem Bullen, das so aussieht, als hätte man in der Nacht vor der Premiere noch schnell ein paar Überstunden geschoben, um die Szene zu animieren. In den 90ern gab es bereits bessere Spezialeffekte geschweige denn in heutigen Filmen, die einen Bruchteil von „Red Notice“ kosten.
"Red Notice"-Zugabe: Diese neuen 3,5 Minuten mit Johnson, Reynolds & Gadot machen mehr Spaß als der ganze FilmDarüber hinaus ist „Red Notice“ einer der wenigen Filme, in denen das Product Placement einfach einen Schritt zu weit geht. Ja, ich weiß auch, dass im Marvel Cinematic Universe praktisch jede relevante Figur einen Audi fährt, dass James Bond eine Omega-Uhr trägt und dass in Sony-Filmen überdurchschnittlich viele PlayStations vorkommen. Das hat sich über die Jahre eingebürgert. Und auch wenn mal eine Cola-Flasche, ein Samsung-Handy oder MacBook in die Kamera gehalten werden, finde ich das halb so schlimm. Immerhin sind das alles Produkte, die wir so auch im wahren Leben nutzen. Da wäre es ja fast unnatürlich, nichts davon in Filmen zu sehen.
Dass aber sowohl Dwayne Johnson als auch Ryan Reynolds ihre persönlichen Werbe-Clip-Szenen bekommen, in denen die beiden jene Alkoholmarke trinken, in den sie persönlich investiert sind, ist das einfach nur billig. Und wer genau auf die Flasche Aviation Gin achtet, die in der Küche von Reynolds' Nolan Booth steht, als der von Johnsons Agent Hartley überrascht wird, kann auch noch beobachten, wie sie innerhalb der Sequenz sogar je nach Winkel wie durch Zauberhand gedreht wurde, damit das Emblem auch ja gut zu sehen ist.
So viel Aufmerksamkeit wie diese Werbeaufnahmen hätte auch die Action im Film verdient. Dann wäre etwa gegen Ende der anfänglichen Verfolgungsjagd vielleicht auch nicht deutlich zu sehen, dass nicht Ryan Reynolds in die Tiefe fällt, sondern sein Stuntman. Klar, das kann auch bei Großproduktionen mal passieren und wäre auch nicht schlimm, wenn man dem Film drumherum wenigstens anmerken würde, wie sehr sich die Macher um Glaubwürdigkeit bemühten. Im Fall von „Red Notice“ macht die Summe an falschen Entscheidungen aber eben mehr aus als die der richtigen. Zumindest in einem Punkt konnte mich der Film aber durchaus überzeugen...
Drohnen: Die Action-Kameras der Zukunft?
„Red Notice“ ist einer der ersten Filme (vor allem dieser Größenordnung), die verstärkt auf First Person View (FPV) setzen – also auf von Drohnen gefilmte Bilder, wie sie vor allem in der Verfolgungsjagd zu Beginn zu sehen sind. Dadurch ergeben sich für Regisseure sowie Kameramänner völlig neue Möglichkeiten, etwa Actionszenen zu drehen. Während Handkamera und Kamerakran nämlich in ihrem Bewegungsradius beschränkt sind, tun sich durch ferngesteuerte Drohnen völlig neue Möglichkeiten auf.
Die Kamerafahrten sind für mich das große Highlight in „Red Notice“. Während Markus Förderer („Independence Day 2“) die Hauptkamera führte, holte man für jene Aufnahmen FPV-Pilot Johnny Schaer an Bord, der mit beeindruckenden Manövern zeigt, wie dynamisch man Action mit den populären Fluggeräten einfangen kann. Und ich bin mir sicher, dass hier nicht bloß ein kleiner Trend wie etwa die unter anderem mit „Hardcore“ populär gewordene Point-of-View-Action aufkommen wird. Stattdessen dürften Filmemacher in den kommenden Jahren wohl immer stärker auf Drohnen setzen und die ihnen dadurch gegebenen Möglichkeiten so wohl immer weiter steigern. Und dem Trailer zu „Ambulance“ (Kinostart: 17. Februar 2022) nach zu urteilen versucht sich als nächstes kein Geringerer als Action-Ass Michael Bay an der Drohnen-Action: