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    "Red Notice" auf Netflix: Der große Twist ist gleichzeitig ziemlich clever & total bekloppt
    Julius Vietzen
    Julius Vietzen
    -Redakteur
    Julius ist bei FILMSTARTS zwar hauptsächlich für Superhelden, Science-Fiction und Fantasy zuständig, liebt aber auch Filme und Serien aus jedem anderen Genre.

    Neben den Superstars Gal Gadot, Ryan Reynolds & Dwayne Johnson gibt es im Netflix-Blockbuster „Red Notice“ auch eine überraschende Wendung. Ist der finale Twist gelungen oder eher ziemlich albern? Für Julius liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

    Netflix

    +++ Meinung (mit Spoilern!) +++

    Was macht einen guten Twist aus? Am Beispiel von M. Night Shyamalan kann man sehr gut sehen, dass zwischen genialen Twists und an den Haaren herbeigezogenen Wendungen häufig nur ein schmaler Grat liegt. Denn während seine ersten Filme („The Sixth Sense“, „Unbreakable“) noch wirklich überraschend waren, wurden die Twists im Verlauf seiner Karriere zum Selbstzweck. Und auch der neue Netflix-Blockbuster „Red Notice“ ist ein gutes Beispiel dafür, was man bei überraschenden Wendungen alles falsch und richtig machen kann.

    Im Finale von „Red Notice“ stellt sich nämlich heraus, dass die im Vorfeld gebetsmühlenartig wiederholte Prämisse des Films (FBI-Profiler und Gauner jagen meistgesuchte Kunstdiebin der Welt) gar nicht stimmt: Stattdessen haben Dwayne Johnsons John Hartley (der FBI-Profiler) und Gal Gadots Läufer (die Kunstdiebin) die ganze Zeit zusammengearbeitet. Und Ryan Reynolds' Nolan Booth (der Gauner) hat das Nachsehen.

    Darum ergibt der Twist keinen Sinn

    Manch eine*r mag diesen Twist kommen gesehen haben, viele andere (inklusive mir) jedoch nicht – und dafür gibt es gute Gründe: Denn Regisseur und Drehbuchautor Rawson Marshall Thurber („Skyscraper“) spielt nicht fair und führt sein Publikum bewusst in die Irre. Und das sorgt bei „Red Notice“ immer wieder für Szenen, die in der Rückschau überhaupt keinen Sinn ergeben. Ein Beispiel:

    Booth gelingt es, das Ei der Kleopatra aus Rom zu stehlen, wird dann allerdings von Hartley und Interpol-Inspektorin Das (Ritu Arya) in seinem Haus auf Bali gestellt. Doch dann schlägt der Läufer zu und klaut das Ei aus einem Polizei-Truck. Eine wie ich finde recht clever inszenierte Szene, bei der man sogar schon einen vielsagenden Blickkontakt zwischen Hartley und dem als Polizistin verkleideten Läufer erspähen kann.

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    Anschließend führen die beiden Figuren jedoch eine kleine Nummer einzig und allein für das Publikum auf: Sie versteckt sich hinter dem Truck, er schaut misstrauisch, dreht sich um, blickt dann doch noch um die Ecke, aber sie ist verschwunden. Keine andere Figur ist hier anwesend, es gibt niemanden, den Hartley täuschen muss. Die Szene dient also nur dazu, das Publikum auf die falsche Fährte zu locken und soll bewirken, dass der Twist nachher umso überraschender erscheint.

    Für solche Momente gäbe es noch einige andere Beispiele und wenn man wollte, könnte man sicherlich auch sehr gut darlegen, warum der ganze Plan von Hartley und dem Läufer nicht wirklich wasserdicht ist und an vielen Stellen hätte scheitern können oder müssen – etwa als Hartley und Booth im russischen Gulag mit Raketen beschossen werden und Hartley fast von der Hängebrücke in Tod stürzt.

    Darum ist der Twist irgendwie auch ganz gut

    "Achtung, es folgen Spoiler zu "The Sixth Sense" und "Die üblichen Verdächtigen".

    „Die Rückblenden, mit denen der zentrale ‚Twist‘ erklärt werden soll, erweisen sich […] als ebenso banal wie nichtssagend“, schreibt mein Kollege Christoph Petersen in der FILMSTARTS-Kritik über „Red Notice“ und auch wenn ich insgesamt zu einem anderen Urteil komme, stimme ich ihm wenigstens hier zu:

    Einfach nur ein paar farbentsättigte Rückblenden einzustreuen, um die Wendung zu rechtfertigen, ist wirklich schwach. Man vergleiche das mal mit der brillant inszenierten Auflösung in „Die üblichen Verdächtigen“ inklusive in Zeitlupe zu Boden stürzender Kaffeetasse und der sich langsam ändernden Körperhaltung von Kevin Spacey:

    Allerdings muss ich schon sagen, dass Regisseur (und vor allem Autor) Thurber hier genau die Momente zeigt, die den Twist irgendwie auch ganz clever machen. Da wäre etwa die Besetzung von Dwayne Johnson als einer der Bösen (na ja, zumindest ein bisschen). An gleich mehreren Stellen sagt Hartley ganz offen heraus, dass er nicht der ist, für den Booth ihn hält, dass er der Bösewicht sein könnte. Das glaubt man aber schon allein deswegen nicht, weil Dwayne Johnson nie einen der Bösen spielt. Sondern immer den Helden.

    Und dann sind da noch die Kampfszenen: Mich hat es bis zum Twist tatsächlich ziemlich irritiert, dass Johnson und seine Figur in den Actionsequenzen derart mit angezogener Handbremse agieren. Ich dachte schon, dass das irgendwas mit der Figur zu tun haben muss. Vielleicht soll Hartley ein brillanter Profiler sein, der nur zufällig im massigen Körper eines Dwayne Johnson steckt, ohne deswegen auch ein knallharter Actionheld zu sein.

    Nach dem Twist ergibt es auf einmal viel mehr Sinn, dass Gal Gadots Läufer ihre zwei männlichen Gegenspieler derart einfach aufs Kreuz legen kann (wortwörtlich und im übertragenen Sinne), wenn sie in der privaten Sammlung von Gangsterboss Sottoc Voce (Chris Diamantopoulos) gegeneinander kämpfen. Thurber signalisiert uns also bereits beim Schauen, dass irgendetwas nicht stimmt, dass irgendwas nicht so ist, wie es scheint, ohne sich aber komplett in die Karten schauen zu lassen.

    So gehen gute Twists aus: Man hätte es bereits wissen können. Wenn man sich „The Sixth Sense“ mit dem Wissen um die überraschende Auflösung noch einmal anschaut, entdeckt man zahlreiche Hinweise auf die bevorstehende Wendung. Und wer sich „Red Notice“ noch einmal auf Netflix anschaut, entdeckt neben einigen unsinnigen, absichtlich irreführenden Momenten auch einige eindeutige Hinweise auf den finalen Twist.

    Erste Hinweise auf "Red Notice 2": So steht es um eine Fortsetzung mit Dwayne Johnson, Ryan Reynolds & Gal Gadot auf Netflix

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