Zwischen 50 und 55 Millionen Dollar hat je nach Quelle die Produktion von „Bohemian Rhapsody“ gekostet, über 911 Millionen Dollar hat das Musik-Drama allein an den weltweiten Kinokassen eingespielt. Da muss man gar nicht lange überlegen und über weitere Kosten für Marketing oder Abgabe der Einnahmen an die Kinos nachdenken, um zu sagen: Das Freddie-Mercury-Biopic mit Rami Malek ist ein Mega-Hit.
So dachte auch Drehbuchautor Anthony McCarten, der sich auf einen großen Zahltag freute. Denn als er das Projekt für die Indie-Firma GK Films von Erfolgsproduzent Graham King (u.a. „Aviator“, „Departed: Unter Feinden“) anging, machte er auf Wunsch des Studios große Abstriche bei seinem üblichen Vorabhonorar. Im Gegenzug wurden ihm 5% des Netto-Erlöses der Kino-Auswertung zugesichert.
Doch als er dieses Geld nach Ablauf aller Kinovorführungen im April 2019 einforderte, kam die Überraschung: Von Hollywood-Gigant Fox, der das Projekt in Partnerschaft mit GK Films umsetzte, wurde ihm mitgeteilt, dass „Bohemian Rhapsody“ leider 105 Millionen Dollar Verlust gemacht habe. Ein Verlust in dreistelliger Millionenhöhe? Das würde bedeuten, „Bohemian Rhapsody“ wäre ein Mega-Flop.
Im Juli 2021 wurde dieser angebliche Verlust auf 51 Millionen Dollar nach unten korrigiert, doch das Ergebnis ist für McCarten dasselbe: Er hat keinen Anspruch auf eine Bonuszahlung.
Das Ende der Hollywood-Schlechtrechnerei?
Weil McCarten diese Zahlen anzweifelt, hat er nun Klage gegen die Produktionsfirma GK Films, mit welcher er den ursprünglichen Vertrag abgeschlossen hat, eingereicht. Es ist eine Klage, die ihm nicht nur viele Millionen einbringen könnte, sondern womöglich sogar weitreichende Konsequenzen hat.
Im Mittelpunkt der Klage steht nämlich eine viel größere Frage: Wie errechnet sich der sogenannte Netto-Erlös, der oft die Grundlage für solche Beteiligungen bildet? In der Vergangenheit ist in diesem Zusammenhang das sogenannte „Creative Accounting“ bei den großen Hollywood-Studios populär geworden: Es ist eine bewusste Schlechtrechnerei der Gewinne des eigenen Films, in dem man massenweise Kosten geltend macht.
Bohemian RhapsodySo schreiben sich nicht nur die zahlreichen Tochterfirmen der Studios gegenseitig überhöhte Rechnungen, wie es schon lange Praxis sind, sondern wird auch ausgenutzt, dass bei einem Hollywood-Studio zahlreiche Menschen angestellt sind, die feste Gehälter bekommen. Auf das Budget eines Films haben diese meist keine Auswirkungen. Sie sind ja sowieso beim Studio angestellt, werden unabhängig davon bezahlt, ob gerade 0 oder 15 Filme entwickelt werden. Wenn man ihre Gehälter aber auf eine einzelne Produktion anrechnet, drückt man natürlich deren Netto-Erlös.
Und wenn man dreist ist, wie es wohl viele Hollywood-Studios sind, rechnet man diese Summen in nahezu voller Höhe auf jede einzelne Produktion (also mehrfach) an. Und dasselbe geht mit Kosten für Büromaterial, Toilettenpapier und Strom … bis hin zu den Kosten für die Erstellung der Abrechnung, die sagt, dass kein oder nur ein sehr geringer Gewinn abgefallen ist. Netto-Erlös gibt es danach also nur, wenn trotz all dieser Kosten noch was übrig bleibt.
Das ist am "Bohemian Rhapsody"-Fall besonders
Gegen das System wurde schon oft geklagt, denn dadurch wurden schon zahlreiche Mitwirkende um eventuelle Beteiligungen gebracht. Oft waren diese Klagen aber ohne Erfolg - oder wurden schnell außergerichtlich beigelegt, um kein negatives Urteil zu bekommen. Interessant ist aber nun, dass McCarten mit seinem Rechtsstreit nicht das mittlerweile zu Disney gehörende Studio Fox für die Buchhaltertricks der Vergangenheit verklagt, sondern die Indie-Firma GK Films, mit der er schließlich seinen Vertrag geschlossen hat. Die Begründung seines Anwaltsteams ist so, dass es völlig egal sei, wie sehr die großen Hollywood-Studios mit ihrem riesigen Personalapparat die Gewinne schlechtrechnen. GK Films habe all das nicht und kann deswegen solche Tricks gar nicht anwenden.
Doch ausgerechnet damit könnte er Hollywoods bisheriges System der Schlechtrechnerei zum Einsturz bringen. Wenn ein Gericht entscheidet, dass die kleinen Partnerfirmen nicht diese kreative Buchhaltung ihrer großen Partner einfach übernehmen können, würde dieses System schon auf einer sehr großen Fläche zusammenbrechen.
Schließlich entstehen quasi alle Projekte aus solchen Kooperationen - und sei es nur, dass der Hollywood-Konzern für die Produktion des einen Films erst mal eine eigene Firma gründet. Von einem solchen Urteil wäre es nur noch ein kleiner Schritt dahin, den Hollywood-Studios auch bei den Produktionen, die sie alleine machen, dies nicht mehr zu erlauben oder sie zumindest zu mehr Transparenz zu verpflichten, welche geltend gemachten Kosten wirklich nur für diesen Film angefallen sind.
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Und McCarten dürfte in diesem Rechtsstreit auch gute Chancen haben. Denn damit sind wir wieder bei den Zahlen vom Anfang: 911 Millionen Dollar Einnahmen an den Kinokassen und ein Produktionsbudget zwischen 50 und 55 Millionen Dollar. Wenn dieser Film keinen Gewinn gemacht hat, welcher Film hat es dann? Genau darauf wird auch in der Klage des Autors angespielt, in der klar wird, dass man sonst jede Form an Gewinnbeteiligung in die Tonne treten kann. So heißt es nämlich:
„Wenn ein Netto-Erlös bei einem Low-Budget-Film, der fast eine Milliarde Dollar an den Kinokassen einbringt, nicht ausgezahlt wird, dann wird er niemals ausgezahlt werden.“
Als Frage bleibt so nur, ob McCarten seinen Streit bis zum Ende durchzieht - oder dieser am Ende außergerichtlich beigelegt wird.
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