Die Anekdote, dass Ex-Amazon-CEO Jeff Bezos vor einigen Jahren von seiner hauseigenen Produktionsfirma ein „Game Of Thrones“ für Amazon Prime Video gefordert haben soll, haben wir bei FILMSTARTS bereits einige Mal aufgegriffen. Aber der Vergleich lässt sich eben kaum vermeiden, wenn man über „Das Rad der Zeit“ schreiben will:
Die Fantasy-Serie basiert wie „Game Of Thrones“ auf einer umfangreichen Buchreihe, die eine große Anhängerschaft hat. Das Potential ist da, die Lücke zu füllen, die nach dem Ende von „GoT“ bisher keine andere Serie füllen könnte. Doch zumindest die ersten drei Folgen „Das Rad der Zeit“ können sich noch nicht mit dem großen Vorbild messen, auch wenn es einige vielversprechende Ansätze gibt.
» "Das Rad der Zeit" bei Amazon Prime Video*
Die Handlung von "Das Rad der Zeit"
Die Welt von „Das Rad der Zeit“ ist geprägt von stetig wiederkehrenden Zeitaltern und Ereignissen und einem scheinbar unendlichen Konflikt zwischen Gut und Böse. Davon bekommen die Menschen in der Region der Zwei Flüsse allerdings nicht viel mit, denn sie werden von den anderen Ländern um sie herum größtenteils ignoriert.
Das ändert sich jedoch, als eines Tages Moiraine (Rosamund Pike) und ihr Begleiter Lan (Daniel Henney) in den Zwei Flüssen eintreffen. Moiraine gehört zu den Aes Sedai, einem Orden von Zauberinnen, und ist auf der Suche nach dem Drachen, dem oder der reinkarnierten Auserwählten. Der wiedergeborene Drache soll den Kampf gegen den Anführer der Mächte des Bösen entscheiden: den Dunklen König.
Doch dann werden die Zwei Flüsse von einer Armee des Dunklen Königs angegriffen und Moiraine nimmt vier junge Leute mich sich, die als Drache in Frage kommen: Rand (Josha Stradowski), Egwene (Madeleine Madden), Mat (Barney Harris) und Perrin (Marcus Rutherford). Auf der Flucht vor ihren Verfolgern erleben sie zahlreiche Abenteuer...
(Noch) kein neues "Game Of Thrones", auch kein "The Witcher"
Die Welt etablieren, die Figuren einführen, die Handlung in Schwung bringen und das Ganze bitte packend und schwungvoll inszeniert: An der Herausforderung, eine Fantasy-Serie auf die Beine zu stellen, wären damals auch die „Game Of Thrones“-Macher David Benioff und D.B. Weiss beinahe gescheitert, sie mussten die Pilotfolge nochmal fast komplett neu (und mit teilweise neuer Besetzung) drehen. Und auch bei „Das Rad der Zeit“ erweist sich die Einführung in den ersten beiden Folgen nun als größtes Problem:
Die versierte deutsche Regisseurin Uta Briesewitz (u. a. „Westworld“), ihr Kollege Wayne Yip (u. a. auch Regisseur bei Amazons kommender „Der Herr der Ringe“-Serie) und das Drehbuch-Team um Schöpfer Rafe Judkins halten das Tempo derart hoch, dass in den ersten, jeweils fast eine Stunde langen Episoden kaum mal Zeit bleibt, einen Moment auszuerzählen – oder in den beeindruckenden Landschaftspanoramen zu schwelgen, etwa den Gebirgsketten rund um die Zwei Flüsse, bei deren Anblick man sich fast in das Mittelerde von Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie zurückversetzt fühlt.
So ist Briesewitz' und Yips Regie zumeist zweckmäßig und nüchtern, auch wenn ab und zu mal ein cleverer Einfall oder starker inszenatorischer Kniff aufblitzt – etwa eine Szene, die in einer ununterbrochenen Kameraeinstellung gedreht wurde: Mat hetzt durch sein von den Trollocs (den Tiermenschen-Soldaten des Dunklen Königs) verwüstetes und von rotem Feuerschein erhelltes Heimatdorf.
Und wenn Moiraine mit ihren magischen Fähigkeiten gegen die Trollocs kämpft, ist sie dabei von silbrigen Fäden umgeben, mit denen sie Energie aus ihrer Umgebung zieht. Das sorgt für einige nett anzusehende Bilder, ist aber trotz herumfliegender Steine, Feuerbälle und Blitzstrahlen weniger spektakulär sind, als es klingt. Und das ist dann auch schon die einzige Actionszene, die nachhaltig in Erinnerung bleibt, ein furios inszeniertes Spektakel wie in der Auftaktfolge von „The Witcher“ braucht niemand zu erwarten.
Viel zu viel Story für zu wenige Folgen
Das vielleicht prägnanteste Beispiel für das rasante Erzähltempo: Nach dem Angriff auf die Zwei Flüsse zögern Rand, Egwene und Co. kaum eine Sekunde, sondern packen schnurstracks ihre Sachen und lassen ihre Familien und ihr ganzes bisheriges Leben zurück, um mit der ihnen völlig unbekannten Moiraine davonzureiten. Die enorme Tragweite einer solchen Entscheidung fällt dabei komplett unter den Tisch.
Es sind allerdings nicht nur solche großen Umwälzungen, sondern auch kleinere Momente, die unter dem rasanten Tempo leiden. Als etwa die Seherin Nynaeve (Zoë Robins), eine Art Heilerin und spirituelle Anführerin, eine andere Figur verarzten soll, betont sie extra, dass das jetzt schmerzhaft wird. Man erwartet eine schwer erträgliche Szene, die selbst beim Zuschauen wehtut, doch dann drückt sie nur ein bisschen an der Wunde rum und schon ist der Moment wieder vorbei.
Dabei ist die Gewaltdarstellung in „Das Rad der Zeit“ sonst deutlich expliziter als in der Buchvorlage von Robert Jordan und die Serien-Verantwortlichen geizen nicht mit blutigen Kämpfen.
Das Rad der Zeit braucht seine Zeit
Erst nach und nach findet „Das Rad der Zeit“ in die richtige Spur und die Serien-Verantwortlichen die richtige erzählerische Balance. Im späteren Verlauf erweist sich dann sogar das hohe Erzähltempo überraschend als Stärke: In der Buchvorlage strapaziert Robert Jordan die Geduld seiner Leserschaft nämlich mit wenig nachvollziehbaren Entscheidungen seiner Figuren, die immer wieder für neue Verwicklungen sorgen, und einer lange vor sich hin dümpelnden Handlung, bevor dann auf den letzten Seiten doch nochmal ein ganz anderer Plot einsetzt.
Ohne zu viel zu verraten: Es gibt einige Szenen, in denen die Verantwortlichen hinter „Das Rad der Zeit“ den zähen Teil der Geschichte sinnvoll verdichten und sich von der Buchvorlage frei machen, wo es nötig ist. Ein Beispiel:
Das über jedes vernünftige Maß hinausgehende Misstrauen der drei männlichen Protagonisten gegenüber Moiraine zieht sich wie ein roter Faden durch Jordans Buch. In der Serie gelingt es Briesewitz, Yip und Co. jedoch, das schwierige Verhältnis zwischen Moiraine und ihren Schützlingen Rand, Mat und Perrin mit wenigen, prägnanten Szenen zu umreißen, ihre jeweiligen Positionen zu erklären und so deutlich nachvollziehbarer zu gestalten.
Grundsätzlich erweisen sich die Figuren in den ersten drei Episoden als eine der größten Stärken von „Das Rad der Zeit“: Mat und Perrin bekommen eine ausführlichere, von der Buchvorlage abweichende Hintergrundgeschichte spendiert, die auch später immer wieder wichtig wird. So will Mat etwa wegen seiner jüngeren Schwestern unbedingt wieder nach Hause zurück, um die er sich bisher anstelle seiner unfähigen Eltern gekümmert hat.
Allerdings gebührt auch den Darsteller*innen ein großer Anteil daran, dass die Figuren so gut funktionieren. Rosamund Pike etwa darf als Moiraine ihre ganze Klasse und Würde in die Waagschale werfen, während Josha Stradowski und Madeleine Madden mit großem Charisma und guter Chemie überzeugen. Einzig Marcus Rutherford bleibt als Perrin anfangs etwas blass.
Fazit: „Das Rad der Zeit“ dreht sich in den ersten Folgen lange viel zu schnell und findet erst nach und nach in die richtige Spur. So reicht es vorerst nicht, um das Erbe von „Game Of Thrones“ anzutreten, Fantasy-Fans dürfen aber trotzdem reinschauen.
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