+++ Meinung +++
Der Brite Riz Ahmed hat sich in den letzten Jahren durch Rollen in Blockbustern wie „Rogue One – A Star Wars Story“ und „Venom“ in Hollywood nach oben gespielt. Wie stark sein Schauspiel aber tatsächlich ist, wird erst bei Charakterrollen deutlich, die Platz zum Atmen geben – wie etwa als Terrorverdächtiger in seinem faszinierenden Debüt von 2006 „The Road To Guantanamo“ oder im Thriller-Meisterwerk „Nightcrawler“ an der Seite von Jake Gyllenhaal.
Das größte Highlight seiner bisherigen Karriere ist meiner Meinung nach jedoch die oscarnominierte Hauptrolle in „Sound Of Metal“, einem Amazon-Original von 2019. Er spielt darin einen Drummer, der schlagartig das Gehör verliert und daraufhin sein Leben völlig umkrempeln muss. Ein wahrer Performance-Leckerbissen inklusive erzählerischem Feingefühl von Skript und Inszenierung, der über das Abo von Amazon Prime Video ohne Zusatzkosten als Stream verfügbar ist.
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Schlagzeuger Ruben (Riz Ahmed) und seine singende Freundin Lou (Olivia Cooke) touren mit ihrem Wohnmobil als Metal-Duo „Blackgammon“ von Gig zu Gig. Doch ein plötzlicher Hörsturz zieht dem Musiker den Boden unter den Füßen weg: Ein Arzt bestätigt ihm, dass der weitgehend verlorene Hörsinn nicht zurückkehren wird.
Nachdem Ruben anfangs noch versucht, das Problem weg zu ignorieren und trotzdem Konzerte spielt, muss er schließlich der harten Realität ins Auge zu blicken und sein Leben neu sortieren. Dabei vor allem psychisch helfen soll ihm eine Einrichtung speziell für Gehörlose – aber ohne Lou, denn sie ist als Hörende unerwünscht. Im Hinterkopf behält Ruben dennoch die Hoffnung, sich eines Tages eine Hörprothese für 40-80 Tausend Dollar leisten zu können. Aber ob das die Lösung ist?
Noch nie war Gehörlosigkeit so nahbar
Per krächzendem E-Gitarren-Feedback startet der Film mit einem lauten Konzert der beiden. Dann drescht Ruben wie in Trance auf seine Trommeln ein. Die funkelnden Augen zeigen: Er brennt für die Musik. So sehr, dass er am nächsten Morgen selbst seine Freundin mit den Drumsticks wach streichelt. Frühstück hat er auch vorbereitet. Das Pärchen albert ein bisschen verliebt herum, dann geht es auf zum nächsten Gig. Bei der Fahrt erheitern sie sich mit blödsinnig-witzigen Gedankenexperimenten über das Zähneputzen in der Öffentlichkeit oder das Weiterverwerten der eigenen Leichenasche zu Tinte. Kurzum: Sie leben und lieben ihr kleines, abenteuerliches Leben.
Dann kommt der Hörsturz – und auf einmal ist alles anders: Keine unbeschwerten Liebkosungen mehr. Keine Quatsch-Storys mehr. Stattdessen wird gedankenverloren aus dem verregneten Fenster gestarrt. Die Brücke der beiden, die sich durch Musik und Konversation scheinbar ganz über den Ton definierte, ist eingerissen. Ebenjener dramatische Verlust von Lebensenergie wird auf diese Weise unglaublich greifbar inszeniert.
Auch das wendige Sounddesign spielt dabei eine große Rolle: Wenn Ruben und Lou jetzt durch Städte und über Landstraßen tuckern, übertönt eine schwermütige Bass-Soundwand jegliche Umwelt-Atmo. Auch lässt man uns immer wieder an Rubens verzerrter Klangwahrnehmung teilhaben – ein extrem dumpfer Ton, der am ehesten so klingt, als wäre man unter Wasser. Entworfen wurde dieser von „Gravity“-Toningenieur Nicolas Becker am Muster eines schalldichten Raumes.
Ein Cast, der seinesgleichen sucht
Damit sich auch der Hauptdarsteller besser in seine Rolle hineinversetzen konnte, bekam er ein Hörgerät mit weißem Rauschen verpasst. Ob das nun die ausschlaggebende Hilfestellung war oder nicht: Riz Ahmed exzelliert als emsiger Sturkopf, der die langfristigen Implikationen seiner neuen Lebensrealität zu verdrängen versucht.
Lange intime Gespräche machen Ruben nervös, denn er möchte sich nicht mit seinen Gefühlen beschäftigen. Die platzen dann eben sporadisch per Wutanfall heraus, bei dem er sein halbes Equipment zerstört. Es ist eine beachtliche Gratwanderung zwischen forciert unterkühlt und sympathischer Abgefucktheit, die Ahmed da an den Tag legt.
Die anderen Schauspieler krönen das noch: Olivia Cooke, bekannt aus dem schwarzhumorigen Thriller „Vollblüter“ und vor allem Steven Spielbergs „Ready Player One“, hinterlässt mit einer verhältnismäßig kleinen Rolle als emotional überforderte Lou großen Eindruck. Ebenso Paul Raci als Joe, Kopf der Gehörlosen-Unterkunft und psychisch vernarbte Mentorenfigur. Zwar ist er im realen Leben nicht taub, dafür aber seine Eltern, weshalb er schon früh die Gebärdensprache lernte. So wie auch Ahmed wurde er für seine Rolle für einen Oscar nominiert.
Am Ende bleibt die Gänsehaut
„Sound Of Metal“ ist eine Story über die schmerzhafte Notwendigkeit, manchmal Träume aufgeben zu müssen, wenn sie dem eigenen Glück im Weg stehen. Es ist eine Mär davon, Akzeptanz für schwere Schicksalsschläge zu finden – die Ruhe, welche Ruben vor allem auch innerlich zu ergründen hat. Bei einem sehr emotionalen Gespräch mit Ruben meint Joe: „Die Welt dreht sich immer weiter und kann ein grausamer Ort sein. Aber für mich zählen diese Momente des Innehaltens. […] Und dieser Ort wird einen niemals im Stich lassen.“
Es ließe sich noch so viel über dieses magnetische Werk sagen – von der liebevollen Zeichnung der spannend verstrebten Gehörlosengemeinschaft über die brillant ausgeschöpfte Umsetzung der typischen 3-Akt-Gliederung bis zum perfekten Ende, welches sämtliche Stränge und Ideen des Films zu einem Gänsehaut-Moment zusammenführt – aber jetzt habe ich genug vorweggenommen. Überzeugt euch doch am besten selbst von diesem unvergesslichen Stück Kunst.
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