Wenn man über die großen Sitcoms der 90er spricht, dann fallen in der Regel zwei Serientitel mit absoluter Gewissheit: „Friends“ und „Seinfeld“. Beide liefen viele, viele Jahre, haben das Genre geprägt wie nur wenig andere Sitcoms und sind auch heute noch sehr unterhaltsam, auch wenn sich der Zeitgeist mittlerweile geändert hat und manche Gags arg angestaubt und politisch inkorrekt sind. Doch während „Friends“ bereits komplett auf dem Streaming-Dienst verfügbar war, gibt es ab heute auch endlich alle neun Staffeln „Seinfeld“ bei Netflix.
Darum geht es in "Seinfeld"
„Seinfeld“ handelt von vier Freund*innen in New York City, die sich allesamt selbst das Leben schwer machen. Jerry Seinfeld spielt eine fiktionalisierte Version seiner selbst. Wie im echten Leben ist er auch in der Serie ein Stand-up-Comedian, dessen Spezialität es ist, die Absurdität alltäglicher Situationen präzise zu schildern und offenzulegen. Damit ist er auch recht erfolgreich. Ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund George Costanza (Jason Alexander), einem Lügner und Neurotiker, der aufgrund seiner impulsiven Art nie lange in einem Job bleibt, oft arbeitslos ist und auch sehr unbeholfen gegenüber Frauen agiert.
Elaine Benes (Julia Louis-Dreyfus) war mal mit Jerry zusammen, ist jetzt aber auch immer noch gut mit ihm befreundet. Auch sie het jede Menge Ticks und Macken. Besonders in Beziehungsfragen macht sie aus jeder Mücke einen Elefanten und außerdem ist sie schnell gereizt, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt, womit sie sich meist aber noch mehr Ärger einhandelt. Das Quartett wird vervollständigt durch Jerrys Nachbar Kramer (Michael Richards), einem völlig unberechenbaren Lebenskünstler, der eine gewisse Slapstick-Komik mitbringt und auch immer wieder die absurdesten Pläne in die Tat umsetzt.
Darum ist "Seinfeld" so genial
„Seinfeld“ ist einfach sehr smart geschrieben. Das fängt bei den Dialogen an, in denen oft ein Fokus auf sehr spezielle Formulierungen gelegt wird, die zu einer Art geteiltem Insider-Witz zwischen den Figuren und dem Publikum werden, der dann auch situativ im späteren Verlauf immer wieder genutzt wird. Außerdem ist die Episodenstruktur für damalige Verhältnisse wirklich revolutionär. Denn in „Seinfeld“ führen oft mehrere zunächst völlig voneinander unabhängige Handlungsstränge durch die skurrilsten Zufälle irgendwie doch zusammen – mit meist verheerenden Folgen für alle Beteiligten.
Die besten Sitcoms aller ZeitenEin großer Unterschied zu „Friends“ ist, dass „Seinfeld“ sich nicht im Geringsten darum bemüht, uns die Figuren irgendwie sympathisch zu machen. Hier wird nicht mitgefiebert, ob Rachel und Ross endlich zueinander finden, oder Chandler endlich einen erfüllenden Job bekommt. Die Charaktere von „Seinfeld“ sind allesamt völlig dysfunktionale Individuen, die sich ständig über ihr Umfeld lustig machen, ohne zu merken, dass sie die wahren Witzfiguren sind.
Das mag an sich kein Qualitätsmerkmal darstellen, aber nur so kann „Seinfeld“ funktionieren. Denn, wenn sich George wieder mal in ein Lügengebilde verstrickt, das immer größere Ausmaße annimmt und letztendlich über ihm zusammenbricht, oder Elaine mit ihren seltsamen Vorstellungen vom perfekten Partner wieder mal ihrem eigenen Glück im Weg steht, dann sind sie selbst Schuld. Jerry & Co. verdienen es, vom Schicksal bestraft zu werden. Zum Glück hat das Schicksal in „Seinfeld“ aber auch jede Menge Humor.