„Midsommar“, das klingt für viele von uns nach IKEA. Und ungelogen, so sieht der Film von Horror-Wunderkind Ari Aster, der uns auch schon den grandiosen „Hereditary“ beschert hat, auch aus: Wie aus einem IKEA-Katalog voller zufrieden lächelnder Menschen, die in schwedischen Trachten ein großes Sommerfest feiern.
Zufrieden lächeln tun einige von ihnen zwar nur zunächst, aber eine andere Besonderheit zieht Aster konsequent durch und liefert damit eine Bomben-Überraschung im oft schon ziemlich ausgelutschten Horror-Genre: Der Großteil seines „Midsommar“ spielt im gleißenden Tageslicht, es ist so gut wie immer und überall hell, schließlich ist es ja auch Mittsommer, es wird eben nicht richtig dunkel. Keine Teenager in dunklen Wäldern also, keine Metzel-Orgien bei Mitternacht.
Der beste Horrorfilm mindestens von 2019
Ist „Midsommar“ deswegen weniger erschreckend? Absolut nicht! Eigentlich steigert sich der Horror dadurch noch, dass alles so fröhlich und hell, strahlend und einladend wirkt, aber sich genau in diesem Setting eine der spannendsten, mysteriösesten und wahnwitzigsten Horror-Geschichten der letzten Jahre abspielt – mit absoluter Gewissheit ist „Midsommar“ für mich der beste Horrorfilm 2019, vielleicht sogar des Jahrzehnts.
Vor allem eine Szene ganz am Anfang, die noch nicht im sonnendurchfluteten Schweden spielt, hat mir im Kino komplett den Boden unter den Füßen weggerissen – aber bevor ich zu der komme (dann mit Spoiler-Warnung!), ist hier erst einmal ein kurzer Handlungsabriss für all diejenigen, denen „Midsommar“ noch gar nichts sagt. Und wenn dem so ist, solltet ihr das schleunigst ändern!
Gelegenheit dazu habt ihr zum Beispiel im Streaming-Abo von Amazon Prime Video - aber nur noch bis einschließlich 11. Dezember 2023! Denn danach fliegt „Midsommar“ aus dem Abo raus, kann aber danach natürlich jederzeit kostenpflichtig als VoD gestreamt werden. Oder ihr holt euch das Horror-Highlight gleich auf Blu-ray oder DVD nach Hause – zum Beispiel im 23 Minuten längeren Director’s Cut*.
Der Plot: Anthropologie-Doktorand Christian (Jack Reynor) und seine Freundin Dani (grandios: Florence Pugh) sind schon seit einer Weile nicht mehr glücklich, aber ein gemeinsamer Trip nach Schweden soll Abhilfe schaffen und vor allem die seit einem Familiendrama untröstliche Dani auf andere Gedanken bringen. Weiterer Pluspunkt der Reise: Christian hofft bei dem Besuch eines nur alle 90 Jahre stattfindenden, ganz besonderen Midsommar-Rituals im Heimatdorf eines Freundes endlich ein passendes Thema für seine Doktorarbeit zu finden.
Dort angekommen, erfolgt der Einstieg in die Festivitäten erst einmal mit dem Einwerfen von Magic Mushrooms. Aber der bizarre Trip, den das Pärchen und seine Freunde Pelle (Vilhelm Blomgren), Josh (William Jackson Harper) und Mark (Will Poulter) dann erleben, ist noch gar nichts verglichen mit dem – nicht mehr nur psychedelischen – Horror, in den sie in den nächsten Tagen hineinschlittern…
So schön und doch so schrecklich
Zu viel will ich wirklich nicht verraten, denn „Midsommar“ lebt von der Überraschung – nicht etwa durch klassische Horror-Elemente wie Jump Scares, von denen es nur eine überschaubare Anzahl gibt, sondern durch die mysteriös-verstörenden und teils vollkommen surreal erscheinenden Situationen, in denen Dani und Christian nach und nach landen.
Nicht nur mir ging es im Kinosaal so, dass ich manchmal lachen musste – und das nicht nur wegen des trockenen Humors, der immer wieder in dem Film durchscheint. Sondern vielmehr vor schierem Unglauben, was da gerade Abgefuckt-Absurdes vor meinen Augen abläuft.
„Midsommar“ paart Psycho-Trip mit Kult-Horror, ist dabei wunderschön fotografiert und versetzt dem Publikum in immer schnellerem Rhythmus einen Schlag nach dem anderen in die Magengrube, während die Midsommar-Festlichkeiten auf ihren Höhepunkt zusteuern. Und dabei ist der Punch selten einer des reinen Ekels oder Erschreckens – sondern ein emotionaler, und das ist meistens noch fieser.
Insbesondere in der eingangs erwähnten Szene ganz am Anfang des Films, die nun für ganz besonders Neugierige zumindest teilweise enthüllt wird – Achtung, kleiner Spoiler: Dani versucht schon seit einer Weile, ihre psychisch labile Schwester zu erreichen, von der sie zuletzt sehr besorgniserregende Nachrichten bekommen hat. Auch ihre Eltern, bei denen Danis Schwester lebt, kann sie nicht ans Telefon bekommen. Nach langer Funkstille klingelt Danis Handy und der Zuschauer kann sich schon denken, was jetzt kommt: schlechte Nachrichten.
Aber wie Ari Aster die Szene inszeniert hat, die dem Publikum zeigt, was Dani gerade am Telefon über ihre Familie erfährt (was wir wiederum nicht hören – wir sehen nur, und das ist schlimm genug), ist absolut meisterhaft, oder, wie es Kritiken-Autor Christoph Petersen genannt hat, „fast schon pervers effektiv“. Aber hier gilt jetzt wirklich: Schaut es euch selbst an!
Die verstörendsten Filme aller ZeitenDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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