+++ Meinung +++
Der Trailer zu „Zack Snyder's Justice League“ endet mit einer spannenden Enthüllung. Der von vielen für seine Darstellung des Jokers in „Suicide Squad“ gescholtene Jared Leto kehrt im Snyder-Cut als Clown Prince of Crime zurück. Vom Zuhälter-Look seines letzten Auftritts ist allerdings nichts mehr zu spüren. Stattdessen gibt er sich abgenutzt und düster und geht optisch wieder mehr in Richtung Brandon Lee in „The Crow“, der auch schon Heath Ledger als Inspiration für den DC-Schurken diente.
Auch ich als langjähriger Fan des Jokers habe mich auf die Szene gefreut. Für mich war der ikonische Comic-Charakter sogar der Hauptgrund, warum ich den Trailer zu „Zack Snyder's Justice League“ unbedingt sehen wollte. Doch statt mit Vorfreude ließ mich der Auftritt des Batman-Bösewichts mit einem eher verhaltenen Lachen zurück.
Doch was ist passiert? Den meisten Beobachtern wird die Szene am Ende des Trailers nicht negativ auffallen. Doch mit einem bestimmten Hintergrundwissen erhält der Moment einen erheblichen Fremdschäm-Faktor. Der Spruch des Jokers ist eben mehr als nur eine Dialogzeile. Es ist ein Meme, das wohl in der Sitcom „Seinfeld“ seinen Ursprung hat, allerdings ein Eigenleben entwickelte und mittlerweile für eine fragwürdige Botschaft steht.
Ich finde die Tatsache furchtbar, dass Zack Snyder dieses Meme in seiner „Justice League“-Version aufgreift. Doch bevor ich erkläre, was mich daran so stört, hier eine kleine Geschichtsstunde in Memeologie.
Das "We live in a society"-Meme erklärt
Wer in den vergangenen Jahren auf Internet-Seiten wie 9GAG oder 4chan unterwegs war, wird vielleicht mal über den Spruch gestolpert sein, den Jared Leto im Trailer zu „Zack Snyder's Justice League“ zitiert. Dabei handelt es sich laut der Meme-Datenbank Know Your Meme um eine Variante des „Gamer Joker“-Memes.
Das besteht zumeist aus zwei Elementen: Einem Bild des Jokers und einem darübergelegten Spruch, welcher einsame Videospieler als „nette Kerle“ beschreibt, die von Frauen ungerechterweise übergangen werden, weil diese sich lieber mit arroganten Raudis abgeben. Oft haben diese Sprüche einen sexistischen (alle Frauen geben sich nur mit Idioten ab, sie wissen nicht, was gut für sie ist etc.) und einen aggressiven, teils gewaltverherrlichenden Charakter. (Beispiele findet ihr unter obigem Link zu Know Your Meme.)
Aus dem „Gamer Joker“-Meme wurde irgendwann „We live in a society“. Der Ursprung dieses Spruchs ist zwar nicht eindeutig nachzuverfolgen. Doch womöglich hat George Costanza aus der Comedy-Serie „Seinfeld“ einen Teil dazu beigetragen:
George Constanza spiegelt den Geist des „We live in a society“-Memes wieder, in dem er die Unfreundlichkeit der Gesellschaft anprangert und damit heuchlerisch seine eigenen Fehltaten rechtfertigt. Für die Memer bedeutet der Spruch eben nicht einfach nur „Wir leben in einer Gesellschaft“, sondern eher „Die Gesellschaft ist Schuld an unserem Elend, also ist es verständlich, wenn man wahnsinnig und vielleicht sogar gewalttätig wird“.
Mittlerweile sorgt eine kurze Bildersuche zu „we live in a society joker“ zu zahlreichen Ergebnissen, die teilweise nichts weiter zeigen als Bilder des anarchistischen Clowns mit eben diesen Worten. Es muss nicht mehr viel dazu gesagt werden, denn für Insider schwingt die Bedeutung automatisch mit.
Wie mir das Meme den "Justice League"-Trailer versaut
Dass der Joker jetzt in Zack Snyders Neufassung des DC-Blockbusters das Meme aufgreift, ist mit Sicherheit kein Zufall. Vielleicht wollte er sich den Fans, die es ihm ermöglicht haben, seinen Snyder-Cut zu drehen, einfach nur erkenntlich zeigen. Möglicherweise ist es aber auch ein PR-Stunt. Ein Tweet von Jared Leto macht jedenfalls deutlich, dass zumindest der Joker-Darsteller selbst sich sehr wohl darüber bewusst ist, was er da sagt:
Ich persönlich fand dessen Auftritt aber dadurch nicht weniger befremdlich. Wenn aus Filmen Memes entstehen, dann ist das meist eine äußert amüsante Sache. Andersherum, wenn ein Regisseur wie Zack Snyder beliebte Memes in seine Filme einbaut, halte ich es für einen peinlichen Versuch, sich bei einer bestimmten Zielgruppe anzubiedern.
Der Joker ist auch nicht mehr das, was er mal war
Ich finde es eine Schande, dass aus dem einst so ikonischen Bösewicht mitterweile ein Stichwortgeber für edgy Memer und 4chan-Nutzer geworden ist. Früher hatte der Batman-Schurke noch seinen ganz eigenen Stil: als personifiziertes Chaos mit psychotischem Dauergrinsen.
Heath Ledger wollte die Welt einst brennen sehen, in Alan Moore's ikonischem Comic „The Killing Joke“ ist der Joker nur davon getrieben, moralisch integre Typen wie Batman und Commissioner Gordon mit brutalen Taten in seinen eigenen Wahnsinn hineinzuzerren. Der DC-Clown ist als geistig kranke, unkontrollierbare Kraft am besten. Als manischer Systemsprenger und nicht als missverstandener Außenseiter. Als psychopathischer Rebell ohne Grund. Als Täter und nicht als Opfer.
Böser Superman im Trailer zu "Zack Snyder's Justice League": Ist Darkseid schuld?Wenn Jared Leto im Trailer von „Zack Snyder's Justice League“ nun von einem Verlust der Ehre in der Gesellschaft schwafelt und im selben Atemzug den Leitspruch der Internet-Incels zitiert, während er Batman einen leicht wehleidigen Blick entgegenwirft, dann muss ich zwangsläufig an den quengelnden George Costanza denken, der mit seiner bemitleidenswerten Art einen herrlichen Sitcom-Charakter abgibt, aber keinen ernst zu nehmenden Schurken. Der so düster inszenierte Auftritt des Jokers im Snyder-Cut-Trailer wird für mich dadurch zur Lachnummer.
Oder um es mit den leicht abgewandelten Worten von Mr. J persönlich zu sagen: „Ich dachte immer ,Justice League‘ sei eine Tragödie. Aber jetzt weiß ich: Es ist eine Komödie.“