Als Netflix die Erfolgsproduzentin Shonda Rhimes („Grey's Anatomy“) unter Vertrag nahm, war der Auftrag klar: Sie soll dem Streamingdienst Hit-Serien liefern. Und der Auftakt klappte. Das von ihr produzierte und von Autor Chris Van Dusen verantwortete Historien-Drama „Bridgerton“ stieß direkt auf riesiges Interesse und ist aktuell der meistgeschaute Inhalt beim Streaminganbieter in vielen Ländern der Welt, so auch in Deutschland.
Die zwar explizit im London des Jahres 1813 verortete, aber komplett fiktive Serie hat einen sehr diversen Cast. Viele Rollen – auch quer durch den britischen Adel – wurden mit nicht-weißen Schauspieler*innen besetzt.
Gerade keine Farbenblindheit beim Casting
Wie Chris Van Dusen dem Magazin Decider verriet, sei das eigentlich erst einmal ganz selbstverständlich, da eine Regel quasi zur DNA bei Produktionsfirma Shondaland gehört: „Wir besetzen immer die besten Schauspieler*innen auf eine Art, welche die Welt heute repräsentiert.“ Die sogenannte Farbenblindheit, also das Besetzen völlig unabhängig von der Hautfarbe, hat am Theater schon eine lange Tradition (sonst gäbe es bei Shakespeare-Adaptionen auch quasi nur eine Rolle für nicht-weiße Ensemble-Mitglieder), setzt sich aber immer mehr auch in Filmen und Serien durch.
Doch bei „Bridgerton“ machten sie eine Ausnahme vom sonstigen Grundsatz der Farbenblindheit. Die Besetzung der britischen Königin Charlotte mit der renommierten Theaterschauspielerin Golda Rosheuvel sowie eines Teils des Hofstaates mit weiteren People Of Color wurde nämlich ganz bewusst getroffen. Es ist ein Statement, das mit einer historischen Debatte einhergeht.
Die bewusste Ausnahme für Königin Charlotte
Die von Golda Rosheuvel gespielte Königin Charlotte ist eine der wenigen realen Figuren in „Bridgerton“. Die 1744 geborene Sophie Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz heiratete 1761 den britischen König George III. im Alter von nur 17 Jahren und war bis 1818 die britische Monarchin.
Und es gibt heute die Debatte, ob Charlotte womöglich die erste (und dann auch bislang einzige) schwarze britische Königin war. Diese Theorie kam das erste Mal in den 1940er Jahren auf, wurde aber vor allem in den vergangenen 20 Jahren umfangreicher unter Historikern diskutiert.
Sie fußt unter anderem auf einer angeblichen Ahnin afrikanischer Abstammung, einem historischen Gemälde und einigen wenigen historischen Beschreibungen, wird aber auch umfangreich bestritten. Und final aufklären lässt es sich ohnehin nicht mehr.
Doch für die „Bridgerton“-Macher dient es als interessanter Aufhänger...
Wer ist Brian Nickels bei "Bridgerton"? Wir erklären die Einblendung am Ende von Staffel 1So erklärt Serienmacher Van Dusen dem Magazin ET Online, dass er sich angesichts der Debatte rund um die Abstammung von Königin Charlotte gewundert habe, was eine schwarze Königin hätte machen können: „Hatte sie ihre Macht nutzen können, um andere People Of Color in der Gesellschaft aufsteigen zu lassen? Ihnen Titel verleihen? Länder geben? Herzogtümer?“
In der Serie hat so der Vater von Hauptfigur Simon Basset (Regé-Jean Page) seinen Herzogtitel verliehen bekommen, was eine besonders wichtige Rolle für die Gesamterzählung und zentrale Konflikte hat. Denn der Sohnemann ist schließlich fest entschlossen, keinen Nachkommen zu zeugen, um aus Hass gegen seinen Vater, den verliehenen und nur in gerader Linie vererbbaren Titel wieder „aussterben“ zu lassen, was die Beziehung zu Daphne Bridgerton (Phoebe Dynevor) nachhaltig prägt.
Historische Persönlichkeit neu im fiktiven Setting
Dieser Hintergrund scheint Van Dusen so sehr interessiert zu haben, dass die umfangreiche Präsenz der Königin samt kleinerer Auftritte ihres (zu jenem Zeitpunkt bereits schwer dementen) Mannes und weiterer Familienmitglieder auch eine der großen Abweichungen zur Romanvorlage ist. In den „Bridgerton“-Büchern von Julia Quinn kommt die Königin nicht vor, in der Serie ist sie sogar Bestandteil des sogenannten Haupt-Castes.
Wie Van Dusen ET Online erklärt, war es für ihn nur logisch, die historische Figur in die sonst fiktive Geschichte einzubauen, weil er wollte, dass die Serie mehr behandelt als nur die Familie Bridgerton. Doch auch der visuell überbordenden Darstellung des ausschweifenden Adelslebens nützt es: „Königin Charlotte zu ergänzen, gab uns zudem die Möglichkeit zu zeigen, wie wahrer Exzess und Dekadenz zu jener Zeit aussahen.“
Die erste Staffel von „Bridgerton“ ist seit dem 25. Dezember 2020 auf Netflix verfügbar und nur der Auftakt der Erzählung der Liebesirrungen und -wirrungen der titelgebenden Familie. Viele weitere Staffeln sollen folgen, genug Material dafür gibt es: Die ursprüngliche, zwischen 2000 und 2006 veröffentlichte Buchreihe umfasste bereits acht Bücher. Sie wurde mittlerweile aber sogar noch um weitere Geschichten erweitert.