--- Meinung ---
Haben die Kritiker Teenager-RomComs ganz besonders auf dem Kieker? Sind sie vielleicht im Schnitt einfach zu alt, um an dieser Art von Film noch Spaß zu haben? Oder sind die meisten Teen-RomComs einfach ziemlicher Mist und haben sich die niedrigen Bewertungen redlich verdient?
Wie dem auch sei: Auf jeden Fall ist es Fakt, dass die allermeisten Teen-RomComs von der Kritik auf den Deckel bekommen – das musste zuletzt auch Netflix mal wieder feststellen, als „The Kissing Booth 2“ in den Besprechungen gehörig abgestraft wurde (wenn auch nicht ganz so katastrophal wie der erste Teil, der sogar noch schlechter weggekommen ist).
"The Kissing Booth 2" auf Netflix: Joey King erklärt, warum die schlechten Kritiken keine Rolle spielenAber es gibt ja zum Glück auch Ausnahmen – und eine davon feiert heute Abend ihre deutsche Free-TV-Premiere.
"Das schönste Mädchen der Welt" um 20.15 Uhr auf RTL
Das 1897 geschriebene Liebesdrama „Cyrano de Bergerac“ handelt von einem Dichter mit gigantischer Nase, der seiner Angebeteten die schönsten Verse schreibt, dann aber einen attraktiven Dummkopf als sein Alter Ego vorschickt, weil er sich selbst mit seinem Riesenknollen keine Chancen ausrechnet. „Das schönste Mädchen der Welt“ hält sich recht eng an diese Vorlage, wirkt aber keineswegs krampfhaft konstruiert.
Stattdessen passt die Konstellation des mehr als 120 Jahre alten Dramas erstaunlich gut in das Setting einer Oberstufenklassenfahrt nach Berlin. Nur ist der großnasige Cyril (Aaron Hilmer) diesmal eben kein Dichter, sondern ein Rapper, und Roxy (Luna Wedler) ist auch keine passive Maid, die nur zum Anbeten und Retten da ist, sondern eine ziemlich selbstbewusste Teenagerin, die sich im Fall der Fälle schon sehr gut selbst zu behaupten weiß...
Die Chancen, dass es nicht peinlich wird, standen bei 1 zu 1.000
Dabei ist es echt ein Wunder, dass der Film so gut funktioniert – es ist nämlich eine deutsche Komödie, in der Rap-Battles (so richtig mit „Fotze“ und „Opfer“ und so) eine wichtige Rolle spielen. Da scheint Fremdschämen vorprogrammiert. Aber Pustekuchen! Nachdem Lars Kraume den Romanklassiker „Cyano de Bergerac“ in eine moderne Raps-statt-Gedichte-Form gegossen hat, ist die Buchautorin Judy Horney noch mal drüber gegangen und hat die Dialoge so verfeinert, dass sie so natürlich und ungekünstelt nach Jugendsprache klingen wie nur ganz, ganz selten im Kino.
Vorgetragen werden die Battle-Rap-Lyrics, bei denen auf jede politische Angepasstheit gepfiffen wird und die deshalb auch nie so wirken, als seien sie speziell für einen Jugendfilm geschrieben worden, von den grandios aufspielenden Jungstars Aaron Hilmer und Luna Wedler. Vor allem die Karriere von Luna Wedler, die hier das „schönste Mädchen der Welt“ Roxy spielt, ist anschließend raketenhaft durch die Decke gegangen – mit Rollen etwa in „Dem Horizont so nah“ und demnächst der Netflix-Serie „Biohackers“.
Besser als die Konkurrenz aus den USA
Meinem Fazit aus dem Jahr 2018 habe ich auch zur heutigen TV-Premiere jedenfalls nichts mehr hinzuzufügen – dazu stehe ich auch, nachdem ich den Film in der Zwischenzeit noch zwei weitere Male gesehen habe:
„Klug, aber nicht anbiedernd; hip, aber nicht peinlich; romantisch, aber nicht schnulzig – „Das schönste Mädchen der Welt“ ist eine Liebeskomödie mit grandiosen Dialogen (bzw. Raps) und zwei herausragenden Newcomern in den Hauptrollen.“