Achtung, es folgen natürlich Spoiler zur gesamten ersten Staffel „Carnival Row“!
Polizist Philo (Orlando Bloom) wurde in der ersten Staffel von „Carnival Row“ als Halbblut geoutet und bekannte sich am Ende der letzten Folge demonstrativ zu seiner Natur. Als die Fae zusammengescheucht und in ein Ghetto getrieben wurden, folgte er seiner großen Liebe Vignette (Cara Delevingne). Fortan wird er kaum noch weiter als Kommissar offiziell ermitteln können. Dass der Noir-Part von „Carnival Row“ dadurch in der bereits bestätigten zweiten Staffel wegfällt, ist aber kaum vorstellbar, macht doch gerade dieser Aspekt einen großen Reiz der Fantasy-Serie aus. Als relativ sicher kann gelten, dass Philo und Vignette nun verstärkt nach Antworten auf die offenen Fragen suchen, mit denen Staffel eins auch den Zuschauer zurückgelassen hat.
Ansätze für die 2. Staffel "Carnival Row"
Das Ende des zentralen Handlungsstrangs der ersten „Carnival Row“-Staffel um die an „Jack The Ripper“ erinnernde Mordreihe irritierte. Triebfeder des Ganzen war „nur“ eine Familienfehde. Die Anbindung an das angeblich im Hintergrund anrollende maliziöse Übel war gar nicht vorhanden, so schien es zumindest. So ganz können wir uns aber nicht vorstellen, dass das Komplott nicht eigentlich doch ein Baustein von vielen ist, aus denen das sich abzeichnende drohende Geheimnis besteht. Viel wahrscheinlicher ist, dass der monströse Dark Asher ein Vorbote dessen ist, zu was die dunkle Magie imstande ist. Die größte Frage ist wohl, was es mit dem dunklen Gott auf sich hat, von dem Philos Angreifer (Matthew Gravelle) in Folge eins faselte, ehe er sich in den Tod stürzte. Dies wurde seither nie wieder aufgegriffen. In Staffel zwei wird sich dieser Aspekt gewiss zum zentralen Punkt entwickeln.
Das Liebes- und Geschwisterpaar Sophie (Caroline Ford) und Jonah (Arty Froushan), das (dank einer wackligen Allianz) nun das Sagen in der Stadt hat, will die Welt derweil mit Chaos reinigen und bringt die eh schon brodelnde Intoleranz im Burgue gänzlich zum Überkochen. Am Ende von Staffel eins werden wir Zeuge, wie ein Erlass dazu führt, dass die Menschenstadt nun endgültig zweigeteilt wird, wenn sämtliche Fae zusammengetrieben und in einen eigenen Bezirk gepfercht werden. Die vormals neutrale Siedlung, die Zufluchtsort für alle Vertriebenen war, ist nun eine von vielen Städten, in denen Rassismus auch die offizielle Marschrichtung ist.
Ein Bürgerkrieg braut sich zusammen
Folglich wird die militante Guerillagruppe Black Raven, der Vignette beitrat, nun wohl die treibende Gegenkraft. Sie wird die drangsalierten Fae aufwiegeln und für die eigene Sache gewinnen. Dass Philo symbolisch die Grenze zu den Fae überschritt, heißt gewiss nicht, dass er nun einer von ihnen ist. Als Zwischenwesen – halb Mensch, halb Fae – wird er es unter den sich radikalisierenden Fae ebenso schwer haben wie bei den intoleranten Menschen. Als klassische getriebene Heldenfigur gibt es keine richtige Heimat für den eigensinnigen Ermittler. Zudem ist zu erwarten, dass Vignette sich entscheiden muss, ob sie sich an den Menschen rächt und sich dem gewaltsamen Widerstand anschließt. Dies ist Anwärter auf den entscheidenden Konfliktherd der Protagonisten.
Und dann gibt es da ja noch den Puck-Kult, dessen Anhänger sich selbst geißelnd durch die Straßen zogen – und ebenfalls mit drastischen Mitteln gegen die Unterdrückung vorgingen. Dessen religiöse Ansichten wurden bislang allenfalls angerissen, mehr Hintergründe dürfte es dann in Season zwei geben. Es scheint jedenfalls unausweichlich, dass sich in der Fortsetzung ein Bürgerkrieg zusammenbraut. Vielleicht wird das Wirken des ominösen dunklen Gottes gar dazu führen, dass am Ende der nächsten Staffel die Menschen die unterdrückte Minderheit sind, die unter den rachsüchtigen Fae leiden.
Auf zu neuen Ufern
Puck Mr. Agreus (David Gyasi) und die menschliche Imogen (Tamzin Merchant) kehren dem Hexenkessel von einer Stadt den Rücken zu und segeln einer unbekannten Zukunft entgegen. Spielte sich der Handlungsstrang der beiden bisher immer etwas im Hintergrund ab, um das Rassismusproblem in den privilegierten Kreisen zu beleuchten, werden die Erlebnisse des frischgebackenen Liebespaars fortan noch stärker vom Rest abgespalten sein. Das Schicksal der beiden könnte sich aber zum interessantesten Part von Staffel zwei mausern.
Denn nun wird der Zuschauer gemeinsam mit ihnen auf Entdeckungsreise gehen können, um die Gefilde abseits der Menschenheimat kennenzulernen. Und der kurze Einblick in Tirnanoc, das Heimatland der Feen, den Folge drei der ersten Staffel gewährte, versprach Abenteuer und Geheimnisse en masse. In einem Interview ließen die Macher bereits durchsickern, dass es mindestens zwei ganz neue Länder zu sehen geben wird. Auch von zwei neuen zentralen Schauplätzen abseits der Burgue ist die Rede.
Dennoch werden die beiden wohl nicht auf ewig unabhängig vom Rest ihre Quasi-Flitterwochen verleben. Es ist damit zu rechnen, dass ihr zunächst wahrscheinlich losgelöster Handlungsstrang – ganz wie etwa bei „Game Of Thrones“ – nach ihrer Reise wieder mit der Hauptstory zusammengeführt wird. Vielleicht werden sie auch etwas aus der Fremde mitbringen, das direkt Einfluss auf das Menschenreich nehmen wird. In jedem Fall dürfte ihre verpönte Beziehung nicht nur missbilligende Blicke, sondern auch Gefahr auf sich ziehen, ist Imogens Bruder Ezra (Andrew Gower) nach der Flucht des Paares wohl viel daran gelegen, sie auseinander oder womöglich gar zur Strecke zu bringen.
Kritik zur Fantasy-Noir-Serie "Carnival Row": Reiche Welt, wenig Substanz