Am Ende von „Gone Girl“ geht die Ehe von Nick (Ben Affleck) und Amy Dunne (Rosamund Pike) weiter, obwohl sie gemordet hat. Doch weil sie sich mit Nicks eingefrorenem Sperma geschwängert hat und er weiß, wozu sie imstande ist, beschließt er, für immer bei ihr zu bleiben – trotz allem, was sie sich gegenseitig angetan haben, wie es am Ende des Films so schön heißt. Es ist nach Nicks Ansicht schließlich der einzige Weg, um sein Kind zu schützen.
Dieses Ende ist ein durchaus heftiger Schlag in die Magengrube des Zuschauers, denn so unsympathisch Nick über weite Strecken des Films war, wünscht man sich zu diesem Zeitpunkt längst, dass Amy doch noch ihre Strafe ereilt – spätestens seit sie ihren Ex-Freund Desi (Neil Patrick Harris) brutal (im Film auch sehr grafisch dargestellt) ermordet hat. Doch Regisseur David Fincher raubt uns in den letzten Minuten des Films scheinbar jegliche Hoffnung auf eine solche Gerechtigkeit – im Gegensatz zu Autorin Gillian Flynn.
Ein Teaser für die Zukunft
Deren Roman hat zwar ein ziemlich identisches Ende, doch eben nur „ziemlich“. Denn es gibt im Buch kleine Teaser, dass die Zukunft noch eine Überraschung für Amy bereithält. In der Vorlage ist auch noch eine Mutter von Desi präsent, die fest überzeugt ist, dass Amy ihren unschuldigen Sohn ermordet hat. Die Polizei schenkt ihr zwar kein Gehör, doch Flynn lässt sie am Ende bewusst als Gefahr im Hintergrund schweben. Desis Mutter könnte auf eigene Faust versuchen, die Wahrheit herauszufinden.
In Flynns Vorlage fügt sich zudem Nick deutlich weniger hilflos in sein Schicksal und gibt Amy am Ende sogar noch einmal einen mit. Als sie wissen will, warum er nicht nur bei ihr bleibt, sondern sie plötzlich wieder nett behandelt, erklärt er ihr, dass er sie bemitleidet: Denn jeden Morgen müsse sie aufwachen und sie selbst sein. Das hat eine Wirkung auf Amy, ist ein Niederschlag für sie. Im Gegensatz zum Film wirkt sie allein durch diese Worte am Ende des Romans nicht wie eine „Siegerin“. Doch Fincher hat das bewusst umgedreht, lässt sie triumphieren. Denn schließlich ist sein Thriller-Drama vor allem feministisch, ist eine Dekonstruktion von Männlichkeit, was auch schon in früheren Filmen des Regisseurs eine wichtige Rolle spielte. Und dazu gehört es, dass die Männer (sowohl Nick wie Desi) zwar mit patriarchalen Gesten agieren und den Beschützerinstinkt rauskehren, aber am Ende einfach hilflos über sich ergehen lassen müssen, wie sie eine Frau nach Strich und Faden ausnutzt.
Aktuell kein "Gone Girl 2"
Autorin Gillian Flynn brachte übrigens immer wieder ein mögliches Filmsequel ins Spiel. Es scheint so, als würde sie uns gerne noch in „Gone Girl 2“ zeigen, dass Amy doch nicht triumphiert, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt. Auch Rosamund Pike erklärte sich bereit, die Rolle noch einmal zu spielen, um zum Beispiel zu zeigen, wie diese Zweckehe der Dunnes viele Jahre später ausschaut, ob Amy die Wahrheit noch einholt oder Nick eine Möglichkeit findet, sich zu befreien.
David Fincher zeigte bislang aber wenig Interesse an „Gone Girl 2“ und da Flynn erklärte, es mit ihm als Regisseur machen zu wollen, gehen wir aktuell nicht davon aus, dass jemals ein Sequel kommt. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.
„Gone Girl“, der in unserer FILMSTARTS-Kritik die Höchstwertung von 5 Sternen bekommen hat, läuft am heutigen Sonntag (4.8.2019) im TV.