+++ Meinung +++
Tobey Maguire („Spider-Man“) und Andrew Garfield („The Amazing Spider-Man“) verbrachten nur für ihre jeweilige „Spider-Man“-Origin-Story Zeit in der High School. Miles Morales (Shameik Moore) hat in „A New Universe“ ebenfalls Wichtigeres zu tun, als die Schulbank zu drücken. Mit Tom Hollands Spider-Man in „Homecoming“ und „Far From Home“ sehen wir dagegen einen Superhelden, der ein ganz normaler Schüler ist – und diesen Teil seines Lebens um jeden Preis bewahren will. Zwei Filme lang durften wir Peter Parker/Spider-Man schon dabei begleiten, wie er versucht, sich seine Jugend nicht durch sein Leben als Held zerstören zu lassen. In „Homecoming“ kostete ihn Spider-Man seine Flamme Liz (Laura Harrier), in „Far From Home“ kapert Nick Fury (Samuel L. Jackson) seine Klassenfahrt und sabotiert damit auch Peters aufkeimende Beziehung zu MJ (Zendaya).
Spoiler zum Ende von „Spider-Man: Far From Home“
Am Ende von „Far From Home“, genauer gesagt während des Abspanns, scheint sich dann zwar alles zum Guten gewendet zu haben, dann lassen Regisseur Jon Watts und Marvel-Chef Kevin Feige aber noch eine Bombe platzen: Daily-Bugle-Chef J. Jonah Jameson (J.K. Simmons) hat von Mysterio (Jake Gyllenhaal) die wahre Identität von Spider-Man erfahren und macht sie öffentlich. Mit Peter Parkers Anonymität und damit auch mit seiner jugendlichen Unbeschwertheit ist es also endgültig vorbei.
Nicht nur aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass es im sehr wahrscheinlichen dritten Teil der aktuellen „Spider-Man“-Reihe für Peter endlich an der Zeit ist, dem Unvermeidlichen ins Auge zu sehen und erwachsen zu werden. In „Far From Home“ wurde das Maximum aus dem High-School-Setting herausgeholt, weshalb der natürliche Zeitpunkt gekommen ist, ein neues Kapitel in Peter Parkers Leben aufzuschlagen. Dadurch, dass wir die Teenager-Zeit von Peter, Flash, Ned, MJ und Co. miterlebt haben, ist es ja gerade besonders interessant, zu sehen, in welche Richtung sich die jungen Erwachsenen nach ihrer Schulzeit entwickeln und wie sich ihre Beziehung zu unserem Helden dadurch verändert.
Entourage mit Eigenleben
Insbesondere Peters Freundin MJ dürfte davon profitieren, auch noch ein Leben außerhalb von Spider-Mans Dunstkreis zu bekommen. Marvel hat mit MJ bisher zwar Vieles richtig gemacht – ich mag insbesondere, wie viele Facetten ihrer Persönlichkeit allein anhand ihrer Kleidung, ihrer Mimik und ihrer Faszination für ungeklärte Mordfälle ersichtlich sind. Ihre Hoffnungen, Träume und auch ihre Herkunft blieben jedoch bisher im Dunkeln.
Die MJ aus Sam Raimis Filmen (Kirsten Dunst) mag dagegen zwar in erster Linie dazu da sein, angeschmachtet und gerettet zu werden und dem Heldentum des Protagonisten im Weg zu stehen, ihre Ziele und ihr Charakter sind jedoch bereits seit ihrem nächtlichen Treffen mit Peter im ersten Film klar definiert: Sie will Schauspielerin am Broadway werden, ihr fehlt jedoch Selbstbewusstsein und sie leidet unter dem mangelnden Vertrauen ihres Vaters. Nur Peter sieht die verborgene Stärke in ihr, ebenso wie sie die seine. Zendayas MJ außerhalb der schulischen Umgebung zu sehen, sollte helfen, diese Lücken zu schließen und ihrer Figur ein paar Dimensionen hinzufügen.
Außerdem bekämen auch die anderen Beziehungen in Peters Leben durch den neuen Lebensabschnitt mehr Gewicht. Werden Peter und Ned gemeinsam an die Uni gehen oder trennen sich ihre Wege nach dem Abschluss? Wird Peter Parker komplett von seiner (jetzt nicht mehr geheimen) Identität als Spider-Man eingenommen und gibt er die Hoffnung auf eine normale Karriere auf oder versucht er, die gefallene Charade wieder zu errichten, um unerkannt seine beruflichen, kreativen oder wissenschaftlichen Interessen zu verfolgen? Hat Spider-Man überhaupt Platz in seinem Leben für eine bürgerliche Seite?
Unbekanntes Terrain
Wie wird Peter Parker mit der plötzlichen Bekanntheit umgehen (zumal ihm ja vorgeworfen wird, für den Tod von Quentin Beck verantwortlich zu sein)? Wie beeinflusst die Enthüllung seiner wahren Identität sein Verhältnis zu Figuren wie Flash Thompson oder Liz, deren Vater (gespielt von Michael Keaton) ja bekanntlich von Spider-Man dingfest gemacht wurde und dennoch sein Geheimnis bewahrte. Da J. Jonah Jamesons Rolle im MCU nicht die von Peters Chef zu sein scheint, ist Spider-Mans Verhältnis zu dem Populisten ebenfalls noch offen. Vergangene Schurken aus der Nachbarschaft wie Shocker (Bokeem Woodbine), Prowler (Donald Glover) und Scorpion (Michael Mando) wissen nun zumindest, mit wem sie noch ein Hühnchen zu rupfen haben.
Marvel hat es mit den neuen „Spider-Man“-Filmen bisher hervorragend geschafft, altbekannte Figuren in einem neuen Gewand zu zeigen, die Konsequenzen dieser Änderungen sollten also im Schneeballprinzip zu lauter Geschichten führen, die wir so noch nie im Spider-Man-Universum gesehen haben – weder in den Comics, noch in einem der Filme. So viel Potenzial sollte nicht zu lange liegengelassen werden. Eine weitere High-School-Geschichte wäre also redundant.
Das heißt nicht, dass in „Spider-Man 3“ bereits von Anfang an vollständig mit der Schule abgeschlossen werden muss. Gerade die Unsicherheit vor dem Sprung ins Berufsleben bietet ja eine perfekte Grundlage für allerlei Teenie-Drama. Außerdem sind die Reaktionen von Peters einzelnen Mitschülern auf die Enthüllung viel zu interessant und potenziell lustig, um sie nicht zumindest einmal zu zeigen. Dennoch sollte der Schritt im Film vollzogen werden, auch, weil Tom Holland und der Rest der Besetzung bald kaum noch als 16-Jährige durchgehen werden und der nächste „Spider-Man“ wohl noch ein paar Jahre in der Zukunft liegt.
„Spider-Man: Far From Home“ läuft seit dem 4. Juli 2019 in den deutschen Kinos.
Nach "Far From Home": Das muss passieren, damit Marvel "Spider-Man 3" machen darf