--- Meinung ---
„M*A*S*H“, „Seinfeld“, „Friends“ und mit Abstrichen auch noch „How I Met Your Mother“ - die Sitcoms in dieser Aufzählung waren nicht nur allgemein derart populär, dass sie eine ganze Ära dominiert haben, es war auch jeweils ein mediales Großereignis, als sie schließlich zu Ende gegangen sind. „The Big Bang Theory“ wird sich trotz absoluter Traumquoten in der vergangenen Dekade aber wohl eher nicht in diese Liste einsortieren. Denn es ist schließlich nur noch eine Woche hin, bis nach 280 Episoden am 16. Mai 2019 das Doppelfolgen-Finale im US-Fernsehen ausgestrahlt wird. Aber gefühlt interessiert das aktuell so ziemlich niemanden.
Während bei anderen Sitcom-Giganten vor dem finalen Aus monate- oder sogar jahrelang darüber spekuliert wurde, wie die Serie wohl zu Ende gehen wird, herrscht bei „The Big Bang Theory“ selbst so kurz vor Schluss eine erschreckende Stille. Und worüber sollte man bei der Serie auch groß spekulieren. Die finale zwölfte Staffel ist schließlich nicht nur gähnend langweilig und völlig schwachsinnig, sie verrät auch endgültig alles, wofür die Serie während ihrer starken Anfangsjahre mal gestanden hat...
Fuck Science
Nerdige Wissenschaftler. Mit diesen Sitcom-„Helden“ haben sich die Serienschöpfer Chuck Lorre und Bill Prady vor zwölf Jahren nicht nur ein bis dahin quasi unbeackertes Feld für Gags eröffnet, sie haben auch perfekt den Zeitgeist getroffen. Zumal sie sich eben auch nicht platt über ihre Protagonisten lustig gemacht, sondern einen guten Zwischenweg gefunden haben. Es steckten so viele gut beobachtete Gags in den ersten Staffeln, dass sowohl die Nerds als auch die Wissenschaftler in meinem Freundeskreis sich immer wieder in den Figuren wiedererkannt haben. Man hat in den allermeisten Fällen mit ihnen statt über sie gelacht.
Aber dann kamen die Quotenrekorde – und damit der Zwang, sich an ein breiteres Publikum anzubiedern. Aus der Nischen-Sitcom wurde eine mainstreamige Beziehungs-Sitcom mit einem oft nur noch alibihaften Nerd-Anstrich (von den wissenschaftlichen Bezügen brauchen wir in den späteren Staffeln gar nicht mehr groß zu reden). Ist halt so. Aus einer richtig guten Sitcom wurde eine stinknormale 08/15-Sitcom. Aus einem „Musst du gucken!“ wurde ein „Kann man mal nebenbei laufen lassen, wenn man nichts Besseres zu tun hat!“.
Nehmt den Nobelpreis – und lasst mich in Ruhe!
Aber selbst wenn man sich damit abgefunden hat, dass die Serie inzwischen nichts Besonderes mehr ist, bereitet einen das nicht auf den Tiefschlag vor, den die zwölfte und letzte Staffel von „The Big Bang Theory“ für Fans der ersten Stunde bereithält. Ein Glück, dass die Folgen fast allesamt auch ganz hervorragend als Schlaftablette funktionieren. So hält sich die Wut über die Fan-Verarsche nämlich zumindest noch ein klein wenig in Grenzen. Denn selbst wenn es grundsätzlich eine ganz nette Idee ist, dass die Autoren in den finalen Folgen den Bogen zurück zu den wissenschaftszentrischen ersten Episoden schlagen, ist die Art und Weise, wie sie das tun, eine einzige Frechheit.
In der finalen Staffel geht es nämlich hauptsächlich darum, dass Sheldon (Jim Parsons) und Amy (Mayim Bialik) wegen ihrer gemeinsam entwickelten Theorie zur „super asymmetry“ für einen Nobelpreis gehandelt werden. Allerdings funken ihnen zwei praktische Physiker (Kal Penn und Sean Astin) dazwischen, die ihre Theorie „aus Versehen“ bewiesen haben. Nur dürfen insgesamt nur drei Leute für eine Entdeckung den Nobelpreis gewinnen. Der Konkurrenzkampf ist eröffnet. Und das ist, gelinde gesagt, totaler Schwachsinn. Und das selbst in einer Serie, in der einer der Protagonisten bereits als Astronaut ins Weltall geflogen ist...
Denn der Nobelpreis funktioniert nun mal nicht wie ein Oscar, der für den Besten Film des Jahres vergeben wird. Der Physik-Nobelpreis wird zwar tatsächlich für eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung vergeben – aber in der Regel erst nach vielen bis sehr vielen Jahren, wenn sich gezeigt hat, wie bahnbrechend und nachhaltig der Durchbruch wirklich gewesen ist. Man bekommt ihn jedenfalls ganz sicher nicht ein paar Monate nach dem Einreichen eines Papers, ganz egal, ob man damit selbst Einsteins Relativitätstheorie toppt oder nicht.
Die Wissenschaft wird in der finalen Staffel endgültig zu einer Kindergartenveranstaltung. Nichts ergibt Sinn, nichts stimmt, nichts ist gut beobachtet. Und fast noch schlimmer: Nichts ist lustig. Wie ich einleitend geschrieben habe: Die ersten Folgen waren vor zwölf Jahren auch deshalb so gut, weil sie mit präzisen kleinen Beobachtungen in Bezug auf den Alltag von Wissenschaftlern (und Nerds) überzeugt haben. Inzwischen ist den Autoren aber offenbar alles nur noch egal. Wahrscheinlich sehnen sie das längst überfällige Finale genauso herbei wie ihr überwiegend wohl nur noch aus Pflichtbewusstsein einschaltendes Publikum.
Noch eine Woche. Dann ist es endlich geschafft. Und der titelgebende große Knall wird ausbleiben. Das ist zumindest meine Theorie.