In Vorbereitung auf diesen Artikel hat sich die Verfasserin, seit jeher Fan der Serie, noch einmal vier Stunden lang alte Folgen von „X-Factor – Das Unfassbare“ auf YouTube angesehen. Zum Auffrischen und um einen lohnenden Aufhänger für den Artikel zu finden. Aber dabei wurde schnell klar, dass es vor allem eine Sache gibt, die sie ihren Lesern mitteilen will: Wie sehr sie die Mystery-Show liebt…
--- Meinung / Liebeserklärung ---
Wahrscheinlich hat mich überhaupt erst „X-Factor – Das Unfassbare“ zu der paranoiden Person gemacht, die ich heute bin. Das klingt jetzt zwar nicht gerade nach etwas Positiven, soll aber bitte als großes Lob verstanden werden. Damals eigentlich noch viel zu jung, saß ich jeden Sonntagabend vor dem Röhrenfernseher und habe gebannt an den Lippen von Jonathan Frakes gehangen. Schon seine gerne als Einführung präsentierten optischen Täuschungen haben mich direkt an meiner eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen. Und dann kamen die meist gruseligen, oft völlig abgefahrenen Geschichten, von dem man erst ganz am Ende einer Episode erfahren hat, ob sie nun wahr oder erfunden sind…
So wie die Geschichte, in der alle von einem Maler porträtierten Menschen kurz darauf sterben. Oder die Erzählung von dem Handabdruck eines unschuldig Hingerichteten in einem Gefängnis, der sich auch mit aufwändigsten Mitteln einfach nicht mehr entfernen lässt. Oder die Story, in der eine Puppe den Mord einer gefeuerten Haushälterin an ihren Arbeitgebern aufklärt. Oder die Folge, in der ein gestorbener Junge trotzdem die Feuerwehr zu einem Brand ruft. Das kann kein Guilty Pleasure sein. Das ist einfach nur genial...
Das Konzept von "X-Factor"
Das Konzept der nur 45 Folgen von „X-Factor“ (das Format hatte nur vier Staffeln, selbst wenn es sich in der Rückschau nach vielmehr anfühlt) ist ebenso simpel wie brillant: Zu Beginn jeder Folge stellt Jonathan Frakes mit einer einnehmenden Ruhe und Gelassenheit eine optische Täuschung vor, die den Zuschauern direkt klarmachen soll, dass die Wahrheit häufig nicht mit bloßem Auge zu erkennen ist. Anschließend werden maximal fünf mysteriöse Kurzfilme gezeigt, die entweder von den Autoren der Sendung erfunden wurden oder aber auf wahren Ereignissen beruhen.
Die Sendung endet schließlich damit, dass der Moderator auflöst, welche der Erzählungen wahr und welche falsch sind. Ich lag – trotz meines jungen Alters meistens richtig und war deshalb mächtig stolz.
Jeder ist Teil der Sendung
Wenn über der eingängigen Titelmelodie die Worte „Wir leben in einer Welt, in der Traum und Wirklichkeit nah bei einander liegen…“ ertönen, regten sich in mir widersprüchliche Gefühle: Natürlich freute ich mich auf die Mysterien und das Mitraten, aber zugleich hatte ich auch immer ein bisschen Angst vor den oft gruseligen und immer unfassbaren Geschichten. Und ganz ehrlich: Ein wenig ist das auch heute immer noch so.
Vor allem, weil die Geschichten immer dann aufhören, wenn die Spannung gerade am höchsten Punkt der Kurve angekommen ist. Dann bleibt man als Zuschauer zunächst allein zurück. Schockiert. Verängstigt. Paranoid. Glücklicherweise fängt einen Jonathan Frakes dann auf. Er ordnet unsere Fragen und Gedanken mit einem beruhigenden Maß an Rationalität. Irgendwo zwischen Richter und Wissenschaftler bewertet er das Geschehen. Dabei bezieht er uns immer in seine Überlegungen ein, spricht uns persönlich an, macht uns zu einem Teil von „X-Factor“.
Jetzt nicht supergut gemacht? Völlig egal!
Die Schauspieler sind eh schon nicht die begabtesten, da hilft auch die mäßige deutsche Synchro nicht. Die Komponisten übertreiben beim Score hemmungslos. Aber das macht alles überhaupt nichts. Es geht schließlich darum, ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht – und der etwas billige Look fördert in diesem Umfeld nur die Authentizität.
Wie real die als „wahr“ geouteten Storys am Ende wirklich sind, lässt sich zwar kaum nachvollziehen, gerade wenn es mal wieder um eine angebliche Geistererscheinung geht. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass es da draußen eine Menge gibt, was wir nicht erklären können. Und im Gegensatz zu dem ganzen Verschwörungsdreck, der heutzutage auf YouTube seine Runde macht, konnte man sich damals noch mit einem guten Gewissen an solchen Räuberpistolen erfreuen.
Am heutigen Ostersonntag zeigt RTL 2 von 9.35 Uhr bis 20.15 Uhr durchgängig Wiederholungen der fantastischen Mystery-Serie. Ein perfekter Anlass, um mal wieder den ganz Tag vor dem alten TV-Gerät abzuhängen…