Die Entstehungsgeschichte von „Bohemian Rhapsody“ ist lang und turbulent. Es gab etliche gescheiterte Anläufe, das Leben von Leadsänger, Pianist und Songwriter Freddie Mercury, der 1991 im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen einer HIV-Infektion verstarb, zu verfilmen. Schließlich gelang Regisseur Bryan Singer Rami Malek („Mr. Robot“) in der Hauptrolle der Durchbruch. Als Singer knapp drei Wochen vor Ende der Dreharbeiten entlassen wurde, kam die Produktion erneut in die Schlagzeilen. „Eddie, The Eagle“-Regisseur Dexter Fletcher führte den Dreh dann zu Ende. Diese Querelen sind dem fertigen Film aber nicht anzumerken. Besonders die mitreißenden Konzertszenen und die schauspielerischen Leistungen überzeugen.
FILMSTARTS: „Bohemian Rhapsody“ befand sich insgesamt mehr als ein Jahrzehnt in der Entwicklung. Was hat dem Projekt den letzten Kick gegeben, dass der Film endlich realisiert werden konnte?
Rami Malek: Das war ich, Darling! [lacht]
FILMSTARTS: Das denke ich auch!
Rami Malek: Nein, ich weiß es nicht wirklich. Alles kam zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammen. Warum aber gerade jetzt, kann ich auch nicht sagen. Ich denke, das Drehbuch war soweit, wie es [der ausführende Produzent] Dennis O’Sullivan und [Produzent] Graham King haben wollten oder zumindest näher dran als vorher. Und Brian May und Roger Taylor [von Queen] dachten dasselbe. Das ist eine gute Art, die Geschichte von Queen und Freddie Mercury zu feiern. Und vielleicht haben sie auch gedacht, dass sie jetzt den richtigen Typen für die Hauptrolle gefunden haben.
Schauspielerei ist ein hartes Geschäft
FILMSTARTS: Freddie Mercury ist einer der ikonischsten Sänger aller Zeiten. Hat dich das beim Dreh unter Druck gesetzt oder nimmst du das einfach als Herausforderung?
Rami Malek: Es ist schon Druck, aber eben auch eine Herausforderung und eine Gelegenheit. Ich konnte mir das einfach nicht entgehen lassen. Ich wäre ein Narr, wenn ich zu dieser Rolle „Nein“ gesagt hätte – der größte Fehler meines Lebens. Als Schauspieler bekommt man nicht oft solche Chancen. Viele haben nicht die Möglichkeit, damit ihren Lebensunterhaltung zu verdienen. Diese Rolle abzulehnen, wäre nicht nur mir selbst gegenüber unverantwortlich, sondern auch gegenüber unseren Schauspielkollegen. Denn dort gibt es sehr viele existierende Talente, die nie die Möglichkeit bekommen, zu glänzen und ihr Können zeigen zu dürfen, weil es eben so schwer ist, in diesem harten Geschäft Chancen zu bekommen.
Gwilym Lee, dessen Flieger nach Berlin Verspätung hatte, kommt in das Zimmer im Soho House und steigt nach kurzer gegenseitiger Vorstellung ins Gespräch ein…
FILMSTARTS: Seht ihr „Bohemian Rhapsody“ als ein Biopic oder eine Huldigung der Band Queen?
Gwilym Lee: Man kann es schon ein Biopic nennen. Es ist aber auch eine Coming-Of-Age-Story auf eine gewisse Art. Eine Geschichte über Identität, über Kultur, über Familie. Und ganz abgesehen davon hast du einen der großartigsten Rock-Soundtracks, die du jemals in einem Film hören wirst.
Kühn und furchtlos
FILMSTARTS: Der Film deckt eine große Zeitspanne von den Anfängen der Band im Jahr 1970 bis zum legendären Live-Aid-Konzert 1985 ab. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Gwilym Lee: Eine Menge Kostüme, eine Menge Perücken! Die Figuren machen eine Reise, um ihr Potenzial zu entdecken. Das hört man auch in der Musik auf den frühen Alben. Die Band klang ähnlich wie andere Gruppen zu der Zeit. Ein bisschen Led Zeppelin, ein bisschen von diesem typischen, frühen 70er-Jahre-Sound. Es hat eine Zeit gedauert, bis sie verstanden hatten, worin ihre wahre Stärke liegt, in der Vielseitigkeit und ihrem außergewöhnlichen Geschmack, den sie als Individuen hatten. Sie mussten erst den Mut und die Kühnheit finden, das auszudrücken. Was meiner Meinung zum ersten Mal zu sehen war bei … [überlegt]
FILMSTARTS: … ich denke, mit „Bohemian Rhapsody“…
Gwilym Lee: … genau!
FILMSTARTS: Ein fantastischer Song wie eine Rockoper, in die sie alles an Kühnheit und Experimentierfreude reingelegt haben – und schließlich gegen alle Widerstände durchsetzen, dass der verrückte 6-Minüter „Bohemian Rhapsody“ eine Single wird. Eine sehr beeindruckende Sequenz im Film…
Gwilym Lee: … das war schlicht furchtlos und kühn. [lacht]
FILMSTARTS: Wie seid ihr mit der Musik von Queen zu Lebzeiten von Freddie Mercury in Kontakt gekommen? Als Kinder wart ihr wohl noch ein bisschen zu jung, um Freddie Mercury live zu erleben.
Rami Malek: Ja, wir haben die Live-Konzerte damals nicht gesehen, aber schon vieles mitbekommen. Ich kann mich an „Bohemian Rhapsody“ und viele ihrer Hits erinnern. Es fühlte sich wie eine Erfahrung an, die es so noch nicht gab. Sowas hatte man noch nicht gehört. Die Songs waren in einer Art filmisch, ein bisschen märchenhaft, ein Ausflug in eine andere Zeit. Da gab es diese tragischen Helden, und dann dieser Opern-Sound! Das war einfach total anders als alles, was ich sonst gehört habe. Ich wollte mehr davon.
Queen waren allgegenwärtig
FILMSTARTS: Wie sieht es mit dir aus, Gwilym? Magst du die Musik?
Gwilym Lee: Ja, schon immer. Ich habe einen älteren Bruder, der totaler Fan war. Und so habe ich die Platten oft mit ihm zusammen angehört. Besonders in Großbritannien waren die Songs allgegenwärtig, auch weil sie so universell sind. Man hört sie ständig im Radio und im Fernsehen. Wenn man ein Sportereignis schaut, spielen sie „We Will Rock You“, die Zuschauer stampfen mit den Füßen und klatschen in die Hände. Was an diesem Film so großartig ist: Das Publikum kann entdecken, wie diese tollen Songs, die wir immer alle als gegeben annehmen, entstanden und geschrieben worden sind. Welche Vorstellungskraft und Kreativität notwendig war, um diese Stücke zu erschaffen.
FILMSTARTS: Könnt ihr darüber sprechen, wie ihr die Musik gespielt habt? Habt ihr selbst gesungen, Gitarre und Klavier gespielt? Wie ist der Sound entstanden?
Rami Malek: Wir haben eine Menge Zeit damit verbracht, Instrumente zu erlernen, hatten Unterricht in Gitarre, Klavier und Gesang. Wir haben versucht, immer so viel wie möglich selbst zu machen. Manchmal mit Playback, manchmal ohne. Letztendlich musste ich mir immer die Seele aus dem Leib singen, damit es so akkurat wie möglich aussieht, selbst wenn wir Freddies originale Stimme für die großen Konzertszenen hinzugefügt haben.
FILMSTARTS: Spielst du Gitarre, Gwilym?
Gwilym Lee: Ja, ich habe schon vorher Gitarre gespielt, Rhythmus- und Akustikgitarre, aber keine Lead-Gitarre. Deshalb mussten wir wirklich eine Menge Arbeit reinstecken, diesen großartigen Musikern nachzueifern. Zwar haben wir an Drehtagen oft zu Playback gespielt, aber vor allem beim Proben spielten wir oft richtig zusammen. Das war auch wichtig, um zu verstehen, wie es sich anfühlt, in einer Band zu sein, zusammenzuspielen, sich gegenseitig zu hören, miteinander zu interagieren, so dass alles zusammenpasst.
„Bohemian Rhapsody“ läuft dem seit dem 31. Oktober 2018 in den deutschen Kinos.