2016 ging der Traum zahlreicher Comic-Fans in Erfüllung: Deadpool, der wohl unkonventionellste Superheld überhaupt, bekam endlich seinen eigenen Kinofilm und Ryan Reynolds durfte nach seinem missglückten Debüt in „X-Men Origins: Wolverine” noch einmal in den rotschwarzen Kampfanzug schlüpfen. Beim neuen Anlauf sollte die Rechnung aufgehen: „Deadpool” geriet trotz Ausrichtung aufs Erwachsenenpublikum zu einem großen Erfolg und im Mai 2018 schnitt auch das Sequel ordentlich an den Kinokassen wie auch bei den Zuschauern ab. Ein Markenzeichen der Filme ist vor allem der umstrittene Meta-Humor, bei welchem der Titelheld die eigenen Filmszenen kommentiert, den Dialog zum Zuschauer sucht und kein Kapitel der Popkultur verschont.
Bei so viel Allegorie stellt sich vor allem eine Frage: Wenn Deadpool weiß, dass er in einem Film ist, weiß er auch, dass er selbst nur gespielt wird und zwar von Ryan Reynolds? Tatsächlich gibt es in beiden Filmen Gründe, die deutlich dafür sprechen, doch in Wirklichkeit könnte die Lösung auch eine ganz andere sein. Denn Deadpool nimmt wohlmöglich gar nicht sich selbst und seine Filme aufs Korn, sondern die sich in der mit Pointen bereicherten Metazone sicher wiegenden Zuschauer. Doch sehen wir uns zunächst die genannten Indizien an:
Die Comics
Zuerst lohnt sich ein Blick in die Comic-Vorlagen. Deadpool adressiert, dass er eine gezeichnete Figur ist, er weiß, dass er Teil eines Comics ist. Immer wieder verweist er auf frühere Ausgaben, in denen etwas erklärt wurde, sagt auch mal Sätze wie „Es ist zu kompliziert, das in einem Panel zu zeigen“. Vor allem weiß er auch, wer die Autoren und Zeichner hinter den Comics sind und spricht diese direkt an.
Die Filme
Das ist es ein erstes Indiz. Doch natürlich sind Filme getrennt von den Comics zu betrachten. Was dort gilt, muss nicht in den Adaptionen genauso zutreffen. Klar ist aber: Deadpool weiß auch in den Filmen, dass er in einem Filmuniversum agiert. Er durchbricht nicht nur die vierte Wand und spricht den Zuschauer im Kinosaal oder vor der TV-Mattscheibe direkt an. Zum Meta-Humor gehört er auch, dass Hugh Jackman (sowie dessen australische Herkunft) als Darsteller von Wolverine benannt wird, Wade Wilson fragt sogar, ob er auf die Professor-X-Version von Patrick Stewart oder James McAvoy trifft. Auch über die Inhalte seiner eigenen Filme macht sich der Antiheld gerne lustig und kommentiert das Finale von „Deadpool 2” ironischerweise als „faules Drehbuchschreiben”.
"Deadpool 2": Ich hab keinen Bock mehr auf Meta-Humor!Wenn Deadpool aber weiß, dass die X-Men von Schauspielern verkörpert werden und alles eigentlich nur inszeniert ist, dann liegt der Schluss nahe, dass er auch über sich selbst darüber im klaren sein muss, dass er von einem Darsteller verkörpert wird. Und auf den Schauspieler Ryan Reynolds wird in „Deadpool” auch direkt eingegangen: Bevor Wade zum Supermutanten umgeformt wird, bittet er die Verantwortlichen, ihn auf keinen Fall grün oder animiert werden zu lassen, eine klare Anspielung auf Reynolds unrühmliche „Green Lantern”-Rolle. Noch deutlicher wird der Mutant in einer Szene mit Blind Al (Leslie Uggams), in welcher Wade sarkastisch sagt:
Denkst du etwa, Ryan Reynolds hat es so weit gebracht, weil er gut schauspielern kann?
Die Wahrheit?
Und dann gibt es noch in beiden Teilen zahlreiche Witze über Kanada, das Heimatland von Reynolds, doch diesen Hinweis darf man nicht falsch interpretieren: Deadpool war bereits in den Comics ebenfalls Kanadier, die Herkunft des Hauptdarstellers kann also schonmal nicht das Indiz sein. Doch auch die anderen, scheinbar eindeutigen Beweise für Deadpools Erkenntnis sind strittig. Denn auch wenn der Titelheld zu jeder Zeit weiß, dass alles um ihn herum Filmkulisse ist, könnte er dennoch glauben, dass er selbst eine reale Figur ist. So kennt er zwar definitiv Ryan Reynolds, doch über sich selbst und seine Identität scheint sich Wade ziemlich sicher zu sein. So sicher, dass es schon skeptisch macht.
Auf Reddit gibt es dazu eine sehr interessante Theorie, dass „Deadpool” ein Film in einem Film sei. Der Titelheld, den wir sehen, wäre demnach gar nicht Deadpool, sondern nur ein Schauspieler. Der wahre Deadpool dagegen wäre der Regisseur sowie auch der Autor, der wiederum Ryan Reynolds engagiert hätte. Den „echten” Wade Wilson bekommen wir also nie zu Gesicht und der Deadpool, den wir stattdessen sehen, ist gar nicht Deadpool, sondern sein Schauspieler Ryan Reynolds, die Geschehnisse im Film sind schlussendlich im zweifachen Sinne inszeniert. Nur hieße das dann nicht auch, dass die „Deadpool”-Filme gar nicht die lang erwarteten Comicverfilmungen sind und dass wir alle die ganze Zeit einfach nur wie Idioten „verarscht” wurden?
„Deadpool” läuft am heutigen Sonntag, dem 23. September 2018, um 20:15 Uhr auf ProSieben - allerdings nur in einer gekürzten Fassung. Eine wohl dann ungekürzte Wiederholung folgt in der Nacht auf Montag ab 00.50 Uhr