Jeder hat es wohl schon einmal gesehen, wenn vielleicht auch nicht bewusst wahrgenommen: Motion-Smoothing. Jene Form der Videoverarbeitung ist eine der zahlreichen neuen Entwicklungen, die zur vermeintlichen Optimierung des Bewegtbildkonsums in den vergangenen Jahren beitragen sollten, schon bald aber der Vergangenheit angehören sollen. Denn wenn es nach Christopher Nolan („The Dark Knight“, „Interstellar“) und Paul Thomas Anderson („Boogie Nights“, „There Will Be Blood“) geht, die immerhin zu den renommiertesten Filmemachern unserer Zeit gehören, sollen Fernsehgeräte in Zukunft wieder besser den darauf gezeigeten Inhalten angepasst werden – aber was heißt das eigentlich?
Was ist Motion-Smoothing?
Bei Motion-Smoothing (auch Motion-Interpolation) wird die Bildfrequenz des Videomaterials erhöht, um ein flüssigeres Bild zu ermöglichen. Die Standardfrequenz von 24 Bildern pro Sekunde bringt nicht selten kleinere Unschärfen mit sich, die dadurch ausgebügelt werden. Mittels mathematischer Algorithmen werden dabei Zwischenbilder berechnet, die zwischen die bereits existierenden Bilder eingefügt werden – dadurch wirken Bewegungen oftmals natürlicher.
Gerade bei schnellen Bewegungsabläufen nimmt das menschliche Auge oftmals ein Ruckeln war, welches bei einer Bildrate von 50 oder mehr Bildern pro Sekunde nahezu verschwindet. Durch jene zusätzliche Bildinformation sollen Bewegungen aber nicht nur flüssiger, sondern auch natürlicher wirken. Für Sportübertragungen eignet sich dieses Feature ganz besonders, wenn man etwa in der Totalen versucht, einem über das Spielfeld sausenden Ball zu folgen. Bei Spielfilmen oder Serien ist Motion-Smoothing allerdings eher von Nachteil.
Der Seifenoper-Effekt
Das Problem, das dieses neue Feature mit sich bringt, ist keineswegs neu. Filmemacher wie auch James Gunn („Guardians Of The Galaxy“) oder Rian Johnson („Star Wars: Die letzten Jedi“) haben längst auch öffentlich Stellung zur Problematik genommen – bislang allerdings ohne Auswirkungen. Besonders der „Episode 8“-Macher findet klare Worte: „Ihr wollt, dass Filme wie Flüssig-Durchfall aussehen? Gut, aber das sollte eine Wahl sein, die ihr bewusst trefft“, so Johnson, der damit auf das eigentliche Problem der ganzen Sache hinweist. Das Bild wird - entgegen des Zwecks, den Motion-Smoothing eigentlich erfüllen soll - dabei seiner Natürlichkeit beraubt, sodass selbst auf Film gedrehte Produktionen oftmals den Look einer billig produzierten Seifenoper annehmen. Dem Anti-Smoothing-Zug gehören daneben noch namhafte Regisseure wie Edgar Wright („Baby Driver“), Christopher McQuarrie („Mission: Impossible – Fallout“) und auch Action-Star Tom Cruise an.
Das eigentliche Problem
Motion-Smoothing per se zu verteufeln, wäre der falsche Ansatz, denn seine Vorteile – eben vor allem bei den bereits erwähnten Sportübertragungen – sind kaum von der Hand zu weisen. Kritisiert wird vor allem der Ansatz der TV-Hersteller, Fernsehgeräte mit dem heiß diskutierten Feature voreingestellt auszuliefern. Denn wer sich ein neues Modell anschaffen möchte, will dieses natürlich erst einmal in seiner vollen Pracht begutachten. Und damit der potentielle Kunde vom Ersteindruck auch regelrecht erschlagen wird, bekommt er im Geschäft per Motion-Smoothing ein Bild zu sehen, das fast „noch echter als echt“ wirkt - und das nützt natürlich auch den ausstellenden Händlern.
In einem Brief an die Mitglieder der Gewerkschaft der Regisseure, unterzeichnet von Christopher Nolan und „Terminator 3“-Macher Jonathan Mostow, rufen die beiden Regisseure auch andere Filmemacher auf, sich bewusst in den Dialog mit den TV-Herstellern einzubringen. Ziel sei lediglich, eben jene davon zu überzeugen, die Fernsehgeräte in Zukunft mit anderen, filmaffineren Grundeinstellungen auszuliefern. Filmliebhaber sollen sich nicht erst durch die oft irreführende Menüführung quälen müssen, um jene Einstellung zu finden, in der Filme akkurat wiedergegeben werden – und zwar eben so, wie sie von den Filmschaffenden gedacht waren.
Vergangenheit vs. Zukunft
Das Kino unterliegt einem ständigen, vor allem technologischen Wandel - und das tat es schon immer. Der Schritt vom Stummfilm zum Tonfilm etwa glich einst fast schon einem Verbrechen, später folgten Entwicklungen wie der Farbfilm, Animationsfilme sowie VR-Filme.
Ist eine höhere Bildrate – ob ein Film nun schon so gedreht oder mittels Motion-Smoothing bearbeitet wurde – vielleicht nur der nächste Schritt in der Evolution des Kinos? Ist die Entwöhnung des klassischen Kinolooks nur eine Frage der Zeit? Halten Filmemacher wie Nolan, Anderson & Co. zu sehr an der Vergangenheit und den uns vertrauten Sehgewohnheiten fest und stehen damit vielleicht sogar der Entwicklung des Kinos im Weg? Oder rettet der engagierte Filmemacher-Trupp mit seiner Initiative stattdessen vielleicht genau das, was wir an Filmen so sehr lieben?