An den auf Marvel-Comics basierenden Kinofilmen und Serien arbeiten so viele verschiedene Menschen (und Studios), dass Kontinuitätsfehler einfach vorkommen müssen (zumal sie sich wegen der strengen Geheimhaltung bei neuen Projekten auch gar nicht über jedes Detail austauschen können). Das haben wir zuletzt etwa gesehen, als die Macher selbst zugeben mussten, dass sie den Zeitsprung zu Beginn von „Spider-Man: Homecoming“ wohl nicht mit der richtigen Zahl untertitelt haben. Dass es in den Filmen und Serien von Marvel nun in den vergangenen Jahren Anspielungen auf Barack Obama, die Kampagne von Hillary Clinton und zuletzt auch auf den amtierenden Amtsinhaber Donald Trump gab, während gleichzeitig mit Matthew Ellis (William Sadler) ein fiktiver Präsident eingeführt wurde, könnte man ebenfalls als solch einen Abstimmungsfehler abtun. Aber man könnte den vermeintlichen Widerspruch auch auflösen...
Donald Trump
Aktuell ist die Marvel-Präsidentenfrage wieder ein solch heißes Thema, weil es am Ende der zweiten Staffel von „Luke Cage“ sehr klare Anzeichen dafür gibt, dass Donald Trump der amtierende Präsident im MCU ist. Den Slogan „Make Harlem Great Again“ in Anlehnung an Trumps Wahlkampfkampagne mag man für sich stehend noch als netten Seitenhieb abtun, aber in der allerletzten Episode der zweiten Staffel ist es eigentlich unmissverständlich: Als Luke seine Great-Again-Aussage von sich gibt, reagiert sein enttäuschter Freund D.W. (Jeremiah Craft) darauf mit einem trockenen „Luke Trump“ - zudem erklärt er, dass er sich seit dem 9. November nicht mehr so schlecht gefühlt hat. Am 9. November 2016 wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. D.W. bestätigt so also quasi Trumps Präsidentschaft – und macht gleichzeitig noch einmal deutlich, dass die Serie vor dem „Infinity War“ spielt. Denn da er die Jahreszahl nicht nennt, muss man davon ausgehen, dass er sich auf den Herbst des Vorjahres bezieht: So bestätigt er mit dem hingeworfenen Spurch quasi unsere Überlegungen, dass die zweite Season von „Luke Cage“ im Sommer 2017 angesiedelt sein müsste.
Aber viele Fans verwirrte diese Aussage. Sie fragen sich nun: Wie kann Donald Trump Präsident sein, wo wir doch gesehen haben, dass es im MCU den Präsidenten Matthew Ellis gibt? Dieser tritt in „Iron Man 3“ auf, wird in „Captain America 2“ erwähnt und war auch in mehreren Episoden der Serie „Agents Of S.H.I.E.L.D. zu sehen?
Marvel band Ellis sogar eine Zeit lang in eine fiktive Nachrichtensendung ein, die im Rahmen der Promotion für die MCU-Filme auf YouTube veröffentlicht wurde. Die einfachste Erklärung wäre nun natürlich: Trump hat Ellis einfach nach der Wahl im November 2016 im Amt abgelöst. Aber wie passt dann Barack Obama in diese Präsidentenreihenfolge?
Barack Obama
Ob Barack Obama ebenfalls als Präsident im Marvel-Universum fungierte, war unter den Fans lange Zeit umstritten. Es gibt allerdings zahlreiche Anspielungen auf Obama im Marvel-Universum. Gerade in „Luke Cage“ wurde mehrfach auf ihn verwiesen und auch in den Filmen gibt es immer mal wieder Verweise: In „Iron Man 2“ sehen wir etwa Tony Stark (Robert Downey Jr.) mit einem Iron-Man-Poster, das ganz klar auf die Obama-Kampagne anspielt. In „The Return Of The First Avenger“ besitzt Steve Rogers die Obama-Biografie, in der es um seinen Aufstieg zum Präsidenten geht. Im ersten „The Avengers“ sehen wir kurz Obamas realen Pressesprecher Jay Carney bei einem Cameo-Auftritt im Weißen Haus. All das könnte man womöglich noch als Gag abtun, aber in der Serie „Runaways“ gibt es einen so eindeutigen Hinweis, dass man einfach nicht darüber hinweggehen kann.
Als ihre Eltern überraschend miteinander ausgehen, verweist Nico Minoru (Lyrica Okano) in der sich gerade noch in der ersten Staffel befindlichen Serie darauf, dass diese „seit der Obama-Regierung nicht mehr auf einem Date waren“. Damit ist also unmissverständlich klar: Obama war definitiv mal US-Präsident im Marvel-Universum. An anderer Stelle wird in „Runaways“ übrigens auch auf die verlorene Wahl von Hillary Clinton gegen Donald Trump angespielt. Doch wie passen Obama, Ellis und Trump zusammen?
Marvel
Von Obama zu Ellis zu Trump
Ganz einfach: Zwischenzeitlich gab es im MCU einen anderen Präsidenten als in der realen Welt. Wenn Obama auch im MCU 2008 zum US-Präsidenten gewählt wurde, hatte er dort eben nur eine kürzere Amtszeit. Denn nach zwei Jahren, also 2010, muss Ellis zum Präsidenten gewählt worden sein. Schließlich wissen wir durch „Iron Man 3“, dass Präsident Ellis seinen Einfluss genutzt hat, um zu verhindern, dass die Verantwortlichen eines Öl-Tankerunglücks zur Verantwortung gezogen werden. Dieses Unglück ereignete sich Ende 2010, so dass Ellis spätestens im Laufe des Jahres 2011 das Amt des Präsidenten angetreten haben muss.
Und da macht eine Wahl 2010 eben am ehesten Sinn. Denn durch den Trump-Verweis wissen wir, dass im MCU wie in der Realität die Präsidentenwahl immer im Herbst stattfindet. Aber wie kann Ellis dann zwei Jahre nach dem Amtsantritt von Obama Präsident werden, wo dieser in den USA doch immer für vier Jahre gewählt wird? Diese Frage beschäftigt auf Plattformen wie Reddit oder dem Marvel-Wiki viele Fans schon sehr lange – und sie fanden eine Lösung: Im MCU werden – im Unterschied zur Realität – Präsidenten nur für zwei Jahre gewählt!
Für diesen kürzeren Wahlrhythmus finden sich übrigens auch im MCU selbst Hinweise, es ist also nicht nur eine irgendwie hingebogene Fan-Theorie. So wird etwa in einer Episode von „Agents Of S.H.I.E.L.D.“ darauf verwiesen, dass ein Gerichtsprozess bis zu den sogenannten Halbzeitwahlen (englisch: midterm elections) entschieden sein wird. Da die entsprechende Szene im Frühjahr 2015 spielt, müssten die angesprochenen Wahlen im Herbst 2015 stattfinden (aus der Szene wird nämlich auch deutlich, dass mit dem Abschluss zeitnah und nicht etwa in einem Jahr zu rechnen ist). In Realität fanden 2015 aber gar keine Halbzeitwahlen statt, die – wie der Name schon deutlich macht – immer mitten in der Amtszeit eines US-Präsidenten liegen. Schließlich regierte Obama von 2012 bis 2016, Halbzeitwahlen waren 2014. Bei einem zweijährigen Wahlrhythmus hätte es hingegen 2015 sehr wohl Halbzeitwahlen gegeben. Eine weitere Folge der kürzeren Amtszeit müsste dann übrigens auch sein, dass man sich öfter als einmal wiederwählen lassen darf.
Die MCU-Präsidenten nach dieser Theorie in der Übersicht
- 2008 – 2010: Barack Obama
- 2010 – 2012: Warren Ellis
- 2012 – 2014: Warren Ellis (1. Wiederwahl)
- 2014 – 2016: Warren Ellis (2. Wiederwahl)
- seit 2016: Donald Trump
Okay, wir geben es am Ende zu: Wahrscheinlich sind die ganzen unterschiedlichen Präsidenten strenggenommen doch Filmfehler. Die jeweiligen Autoren wollten wahrscheinlich einfach aktuelle Anspielungen auf Obama und Trump unterbringen und haben nicht groß darüber nachgedacht, wer eigentlich gerade tatsächlich die Präsidentschaft im MCU innehat. Dass zudem die Serien- und Filmabteilungen bei Marvel voneinander getrennt sind und auch nicht gerade am allerbesten miteinander auskommen, begünstigt solche Filmfehler natürlich zudem. Gerade wo es bei Marvel – im Gegensatz zu „Star Wars“ – keine Kanon-Wächter mehr gibt, die auf so etwas achten. ABER: Am Ende ist es doch spaßig, wie die Fans fleißig rätseln und es am Ende tatsächlich schaffen, für (viele, wenn auch nicht alle) Fehler doch noch eine einigermaßen stimmige Erklärung zu finden.
