Netflix selbst veröffentlicht keinerlei Informationen darüber, welche Streams auf der Plattform wie oft abgerufen werden. Dennoch kommen hin und wieder Zahlen ans Licht der Öffentlichkeit: So gab die für die TV-Quotenmessung in den USA verantwortliche Nielsen Company im Dezember 2017 etwa bekannt, dass die mit rund 100 Millionen Dollar Produktionskosten derzeit teuerste Netflix-Eigenproduktion „Bright“ allein an den ersten drei Tagen von stolzen elf Millionen US-Amerikanern angeschaut wurde. Und das, obwohl der Fantasy-Thriller – wie ein großer Teil der Netflix-Filme – qualitativ gerade mal Mittelmaß erreichte.
Nun gibt es wieder einige Informationen, aufgrund derer sich die Einschaltquote einer Produktion des Streaming-Dienstes ungefähr einschätzen lässt. Und zwar verriet Ted Sarandos, Content-Chef bei Netflix, im Interview mit Vulture, dass die am 11. Mai 2018 veröffentlichte Teenie-Romanze „The Kissing Booth“ derzeit „einer der meistgeschauten Filme der USA und vielleicht sogar der ganzen Welt“ sei. Wie gewohnt untermauerte Ted Sarandos diese Aussage nicht mit offiziellen Netflix-Zahlen, verwies dafür aber auf die Film-Datenbank IMDb und nannte sie einen „guten Indikator“ für das, was das Publikum sehen möchte.
Popularitäts-Ranking und Star-o-Meter
Mit seiner Aussage bezieht sich Ted Sarandos hauptsächlich auf die IMDb-Liste mit den derzeit populärsten Filmen sowie das sogenannte Star-o-Meter. Diese offenbaren jeweils die meistaufgerufenen Filme bzw. die Stars, deren Profil auf der Plattform am häufigsten besucht wurde. Und tatsächlich sind die Platzierung von „The Kissing Booth“ beeindruckend: Nachdem die RomCom zwischenzeitlich sogar auf Platz 4 stand, hält sie sich auch einen Monat nach Veröffentlichung (Stand: 12. Juni 2018) noch auf Platz 9 – vor heiß erwarteten Filmen wie „Suspiria“ und „Verschwörung“, zu denen gerade erst die ersten Trailer veröffentlicht wurden, sowie dem Pixar-Blockbuster „Die Unglaublichen 2“, der noch diese Woche in vielen Ländern rund um den Globus anläuft.
Ebenso sieht es bei den Hauptdarstellern von „The Kissing Booth“ aus. Dazu sagte Ted Sarandos im Interview: „Jacob Elordi spielt die männliche Hauptrolle. Vor zwei Wochen stand er auf Position 25.000 des IMDb-Star-o-Meter, heute führt er die Liste an. Und Joey King, die weibliche Hauptdarstellerin, stieg von 17.000 auf Platz 6.“ Mittlerweile (Stand: 12. Juni 2018) stehen beide „nur“ noch auf den Positionen 7 (Joey King) und 8 (Jacob Elordi), jedoch immer (und teils sogar weit) vor Stars wie Alden Ehrenreich, der derzeit als Han Solo im Kino zu sehen ist, Josh Brolin, der sowohl in „Avengers 3: Infinity War“ als auch in „Deadpool“ zu den Hauptdarstellern zählt, oder auch den Dauerbrennern Tom Cruise, Johnny Depp und Leonardo DiCaprio.
Übrigens ist das nicht nur bei den Filmseiten aus den USA so: Auch die FILMSTARTS-Leser interessieren sich anscheinend für die beiden Nachwuchsstars, in den vergangenen 30 Tagen war Jacob Elordi bei uns der meistaufgerufene Star mit ungefähr doppelt so vielen Seiten-Besuchen wie Dwayne Johnson, der immerhin der derzeit bestbezahlte Schauspieler der Welt ist. Und Joey King landete direkt hinter den beiden und vor der frisch verheirateten Meghan Markle auf dem dritten Rang.
Kritiker gegen Zuschauer
Ted Sarandos verrät aber auch, warum er gerade die IMDb für einen guten Indikator für das hält, was das Netflix-Publikum sehen möchte. Und zwar seien es „sehr internetaffine Menschen mit einem großen Entertainment-Interesse, die dort bewerten.“ Aus diesem Grund hält er die Plattform auch für besser als Rotten Tomatoes, wo lediglich Kritikerstimmen und nicht die „normaler“ Zuschauer gezählt werden.
Diese Aussage ergibt zwar durchaus Sinn, immerhin besteht der überwiegende Teil des Netflix-Publikums natürlich aus Nicht-Kritikern, allerdings wäre es auch keineswegs in Ted Sarandos‘ Interesse, das Scheinwerferlicht auf Rotten Tomatoes zu richten: Während „The Kissing Booth“ bei der IMDb auf eine Durchschnittswertung von 6,5 (von 10) kommt, bewerteten bei Rotten Tomatoes nur 17 Prozent der Kritiker den Film positiv. Der mit der IMDb vergleichbare Audience Score steht hingegen bei deutlich stärkeren 72%. Ganz ähnlich sieht es auch bei „Bright“ aus: Einer IMDb-Wertung von 6,4 stehen 26% positive Bewertungen bei Rotten Tomatoes entgegen.
MuteAus diesen Zahlen lässt sich vor allem eine Information ziehen: Während die Netflix-Filme bei den Kritikern in der Regel durchfallen, sieht das Publikum es bei weitem nicht so negativ und bewertet die Filme bedeutend besser. Und auch, wenn wir über keine offiziellen Zahlen des Streaming-Dienstes verfügen, beweist allein die Popularität der auf der Plattform selbst stark im Fokus stehenden und meist nicht annähernd mit Kino-Budget produzierten Eigenproduktionen (vor allem auch im Vergleich mit aktuellen Blockbustern), dass mit „The Kissing Booth“ und Co. bei Netflix gigantische Zuschauerzahlen erreicht werden, während Filme dieser Größenordnung vor einigen Jahren noch direkt in die hinteren Videothekenregale gewandert wären. Da erscheint es mehr als nur logisch, dass Netflix ab sofort noch deutlich mehr auf exklusiven und selbstproduzierten Content setzen will.