FILMSTARTS: Eine Szene, in der auch wir uns ertappt gefühlt haben, ist die, wo Tom Gerhardt deine Figur als Deutschtest nach dem zweiten Vornamen von Angela Merkel fragt. Wie bist du darauf gekommen?
Bülent Ceylan: Komischerweise ist die Szene echt ein Riesenlacher, da hätte ich gar nicht mit gerechnet. Das liegt aber natürlich auch an Tom Gerhardt und wie er darauf reagiert, wenn Sammy die Frage richtig beantwortet. Es gibt übrigens auch eine persönliche Verbindung zu Frau Merkel: Mein Opa hieß nämlich Heinrich Merkel und meine Mutter ist eine geborene Raute. Dass ich das mit Dorothea jetzt wusste, hat wohl damit zu tun, dass ich ein großer Fan von Wikipedia bin – ich recherchiere gerne Dinge nach und in der Regel interessieren sie mich dann auch wirklich.
Auch bei Interviews. Heute wurde mir nicht genau gesagt, mit wem ich spreche, nur so, für wen ihr hier seid. Aber normalerweise informiere ich mich über jede Person – ich google dann und schau, ob ich ein Bild finde oder was jemand sonst schon so geschrieben hat. Mich interessiert einfach, was jemand gemacht hat. Für mich ist jede Person immer wichtig, ob jetzt die Angela Merkel oder ein Kabelträger. Meine Eltern haben mir gesagt, dass wenn du jemanden schlecht behandelst, dann kommt das auf dich zurück.
FILMSTARTS: Es ist doch aber bestimmt nicht immer einfach gewesen, dich bei deinem ersten Kinofilm gleich auch noch so um die ganze Crew zu kümmern?
Bülent Ceylan: Bei einer solchen Riesencrew ist es natürlich nicht leicht, ich habe auch ein Namensproblem, kann mir dafür aber Gesichter unheimlich gut merken. Ich gehe dann dahin und mache immer ´ne Ansage: „Hört mal zu, bei mir herrscht Harmonie!“ Natürlich ist dann bei 35 Drehtagen auch mal jemand müde oder gestresst, das passiert immer, aber dann redet man einfach darüber. Wenn das mein Kinofilm ist und ich bin scheiße zu den Leuten, dann sind die doch auch nicht gut drauf. Der Kameramann macht dann auch schlechtere Bilder, weil er keinen Bock mehr hat. Sicherlich gibt es auch mal was zu diskutieren, ich selbst bin auch Perfektionist, aber dann muss man jemanden ja nicht vor all den Leuten fertigmachen, sondern kann das auch unter vier Augen klären.
FILMSTARTS: Wie ist das Filmprojekt eigentlich zustande gekommen? Ging das von dir aus? Haben die Produzenten den ersten Schritt gemacht?
Bülent Ceylan: Oliver Berben kam auf mich zu und meinte, er würde so gerne mit mir einen Kinofilm machen – aber es solle eben „mein“ Kinofilm werden, weshalb man ihn auch von Anfang an zusammen entwickeln müsse. Das hat dann tatsächlich einige Jahre gedauert. Und als es dann soweit war, dass wir eine passende Idee gefunden haben, hat es noch einmal zwei Jahre gedauert. 2012 hat er mich angesprochen, 2016 haben wir gedreht und jetzt kommt er in die Kinos.
FILMSTARTS: Kinofilme von Bühnenkomikern haben in Deutschland eine lange Tradition – einige wie die von Otto Waalkes haben ganze Dekaden geprägt, über andere hat schon nach einer Woche niemand mehr geredet. Hast du dir welche davon angesehen und überlegt, was einige vielleicht richtig und andere womöglich falsch gemacht haben?
Bülent Ceylan: Otto ist einfach deshalb so erfolgreich, weil er ist wie er ist, egal ob auf der Bühne oder auf der Leinwand. Bully hingegen ist zwar auch ein Comedian, aber er hat vor allem richtiges Kino gemacht und eine gute Geschichte erzählt. Und so ist das bei „Verpiss dich, Schneewittchen!“ auch. Es gibt im Film zwar Elemente von meinen Bühnenfiguren, die die Fans dann erkennen, zum Beispiel die Piepsstimme von Anneliese beim Handy. Aber das sind nur kleine Anspielungen, die mal auftauchen, genau wie die Schildkröte, die im Hasan-Dialekt spricht. Es ist also was drin für die Fans. Aber wer mich jetzt so gar nicht kennt, für den ist es trotzdem witzig und es schadet dem Film überhaupt nicht.
Letzten Ende steht eben die Geschichte im Zentrum, denn ich wollte keinen Film, in dem einfach Hasan und Mompfred auftauchen, denn dann könnte ich ja auch genauso gut einfach ´ne Bühnenshow machen. Ich habe da von amerikanischen Comedians gelernt, die in ihren Filmen auch nicht einfach nur ihr Stand-up-Programm abfeuern, sondern auch mal die anderen Schauspieler um sich herum die Gags machen lassen. Ein Film zu machen, ist eben Teamarbeit.
FILMSTARTS: Sammy muss ganz schön hart kämpfen, um seinen Traum von der Rockstarkarriere zu verwirklichen. Auch bei dir hat es ja lange gedauert, bis du deinen jetzigen Popularitätsgrad erreicht hast. Siehst du da Parallelen?
Bülent Ceylan: Für jemanden wie mich, der seinen ersten Kinofilm macht, wäre es natürlich ziemlich blöd gewesen, eine mir total fremde Person zu spielen. Ich will mich da jetzt nicht mit Denzel Washington vergleichen, aber er hat ja den Bösewicht auch erst später gespielt und dann für „Training Day“ gleich einen Oscar gewonnen. Vorher sah man ihn hingegen immer als sympathischen Kerl – weil man das so eben auch von ihm erwartet hat, bis er sich dann mal getraut hat. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich irgendwann mal den Bösewicht spiele, aber jetzt ist die Rolle erst mal daran angelehnt, was der Zuschauer von mir erwartet – und das ist zuerst einmal eine sympathische Figur. Man kennt mich eben als sympathischen Comedian – und da wäre es Quatsch, einen Unsympathen zu spielen.
Und wenn Sammy zu Beginn als Putzkraft im Hamam aushilft, dann traut ihm natürlich keiner zu, dass er mal Rockstar wird – und im Grund war das ja bei mir früher genauso: Ich habe zehn Jahre gebraucht, um den Durchbruch zu schaffen. Wir sind die Generation, die noch weiß, wie es ist, wenn man nicht mal einfach schnell bei YouTube zeigen kann, was man draufhat. Ich finde es so aber eigentlich auch besser, denn ich mache jetzt seit 20 Jahren Comedy und das es auch nach so langer Zeit noch läuft, hat bestimmt auch damit zu tun, dass ich eben die alte Schule hinter mir habe. Vor zehn Zuschauern in einem Saal mit 600 Plätzen zu spielen, ist einfach hart. Erst recht, wenn die Sitzplätze nummeriert sind. Wenn man einen Deutschen zuruft, er solle doch nach vorne in die erste Reihe kommen, dann bleibt der nämlich trotzdem auf dem Platz sitzen, der auf seinem Ticket steht.
FILMSTARTS: „Verpiss dich, Schneewittchen!“ ruft einer der Nazis zu Sammy, bevor er auf der Flucht von einer Brücke springt. War der Spruch zuerst eine Dialogzeile im Drehbuch oder zuerst der Titel des Films?
Bülent Ceylan: Der Text war zuerst im Drehbuch. Ich habe dann die Idee gehabt, dass das eigentlich auch der Filmtitel sein müsste. Da waren dann alle erst skeptisch. Aber ich habe sie dann überzeugt. Dabei habe ich noch gar nicht an „Fack ju, Göhte“ gedacht, denn „Fuck You“ heißt ja auch sowas wie „Verpiss dich“. Es hat nur einfach gepasst: Schneewittchen ja schon, weil ich auch blass bin und schwarze Haare habe, selbst wenn die Frisur bei mir eher in Richtung Rapunzel geht, da können wir also auch noch mal einen zweiten Teil machen, „Verpiss dich, Rapunzel!“. (lacht)
Die Leute wissen bei „Verpiss dich, Schneewittchen!“ erst mal gar nicht, um was es geht. Ist das jetzt ein Märchenfilm? Aber viel wichtiger ist ja, dass man mit dem Titel erst mal neugierig macht. Wenn mich einer fragt, wie denn mein Film heißt, antworte ich: „Verpiss dich, Schneewittchen!“ Und der dann so: „Wie bitte?“ Vor allem Frauen haben dann immer laut gelacht – und das ist das Wichtigste, denn wenn die Frauen lachen, dann müssen die Männer bestimmt auch mit, ob sie wollen oder nicht.
FILMSTARTS: Apropos Schneewittchens Haare. Wie oft hast du dir eigentlich schon überlegt, dir deine mal abzuschneiden, das muss ja auch ein ziemlicher Aufwand sein, die immer zu pflegen?
Bülent Ceylan: Noch nie. Es ist zwar manchmal anstrengend und dann verzichtet man auch mal aufs Schwimmbad, denn dann müsste ich mich ja hinterher wieder föhnen und das dauert so lang. Aber es geht bei mir immer noch zehn Minuten schneller als bei Frauen, denn die müssen sich ja auch noch schminken. Das bin ja eben auch ich, die Haare hatte ich so ja auch schon vor meiner Karriere und das hat auch mit meinem Musikgeschmack zu tun, ich bin eben Metaller.
FILMSTARTS: Wo wir gerade bei deinem Musikgeschmack sind. Wie haben sich eigentlich deine Auftritte in Wacken angefühlt?
Bülent Ceylan: Wacken, da schwebt man. Das erste Mal war ich sozusagen das Versuchskanackel. Der Veranstalter hat da selbst nicht so richtig dran geglaubt, hat dann aber gemerkt, wie geil das ist. 20 Minuten waren das beim ersten Mal, beim nächsten Mal waren es dann nicht nur 45 Minuten, ich habe sogar die True Metal Stage eröffnet – das war um 17 Uhr und es war voll. Hinterher haben sie mir gesagt: „Krass, das letzte Mal, dass 80.000 schon um 17 Uhr vor der Bühne standen, war bei einem Auftritt der Böhse Onkelz.“ Ich meine, der Vergleich ist jetzt schon ein bisschen komisch, aber ich habe mich dann entschieden, das trotzdem einfach als Kompliment zu sehen.
„Verpiss dich, Schneewittchen!“ läuft seit dem 29. März 2018 in den deutschen Kinos!