SMS von einem Geist
aus „Personal Shopper“
Lieblingsszene von Andreas Staben
Maureen (Kristen Stewart) ist auf dem Weg zum Bahnhof, als sie eine SMS von einem Unbekannten bekommt: „Ich kenne dich.“ Sie hat es eilig, steigt in den Zug von Paris nach London, wo sie für ihre Auftraggeberin ein paar Kleider abholen muss. Unterdessen erhält sie weitere ziemlich zudringliche Textnachrichten. Es kommt zu einem minutenlangen SMS-Hin-und-Her, das Regisseur Olivier Assayas ganz prosaisch von Maureens iPhone-Display abfilmt und das sich nicht zuletzt dank Stewarts sensibler Darstellung trotzdem zu einem hochemotionalen Mini-Drama entwickelt.
Mancher mag glauben, dass es kaum etwas Unfilmischeres gibt als die kargen unschön verknappten Buchstabenfolgen von SMS auf einem Smartphone. Aber indem sie hier in dutzendfacher Vergrößerung auf die Kinoleinwand geworfen werden, bekommen sie etwas Geheimnisvolles, zumal die Kommunikation, die sich hier Bahn bricht, voller Rätsel steckt. Wird Maureen von einem Stalker belästigt? Oder kontaktiert sie womöglich ihr kürzlich verstorbener Bruder aus dem Jenseits? So oder so hat die Situation etwas Geisterhaftes, was durch den fahrenden Zug noch unterstrichen wird, in dem man immer schon weg ist, aber noch nicht dort. Und so tippt die verwirrte Maureen schließlich „R u real?“ in ihr Telefon.
Die Frage nach dem Echten und dem Nicht-Echten, die Beziehung zwischen der Welt der Dinge und dem Immateriellen, die ganz eigene Realität neuer Medien – all das hat Olivier Assayas in seinen Filmen schon oft beschäftigt und mit der immer noch gern unterschätzten Kristen Stewart hat er eine kongeniale Partnerin vor der Kamera gefunden. Nach ihrer ersten Zusammenarbeit „Die Wolken von Sils Maria“ haben sie mit „Personal Shopper“ einen modernen Geisterfilm gedreht, der nirgends so sehr zwischen allen Welten schwebt wie während jener Bahnfahrt durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal.