Beatrices Erinnerungen
aus „Bojack Horseman“ (Staffel 4, Episode 11)
Lieblingsszene von Christian Fußy
Was mir am meisten Angst macht auf der ganzen Welt, ist seit jeher die Vorstellung, irgendwann dement zu werden. Der episodenlange Ausflug in Beatrice Horsemans (Wendie Malick) von Alzheimer geschädigten Geist in der Folge „Time’s Arrow“ ist für mich daher schlimmer als jeder noch so blutrünstige Horrorfilm:
Die verbitterte Sadistin Beatrice wird gerade von ihrem Sohn Bojack (Will Arnett) ins Altersheim gebracht, als ihre verdrängten Erinnerungen plötzlich geballt auf die alte Pferdedame hereinprasseln. Deren Inhalt allein ist schon äußerst schwer verdaulich, aber die visuelle Repräsentation ihrer Krankheit macht die Sequenz regelrecht verstörend: Es wird ruckartig zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her gesprungen, dabei erinnert sie sich schlaglichtartig an ganze Dekaden des psychischen Missbrauchs durch ihren Vater Joseph (abgründig: Matthew Broderick) und an ihre verkorkste Ehe mit dem erfolglosen Autor Butterscotch (auch Arnett), was in beklemmende Bilder gefasst wird. Die Personen, deren Aussehen Beatrice vergessen hat, haben in den Flashbacks kein Gesicht mehr, im Hintergrund verschwimmen die Kulissen, sämtlichen Figuren fehlen Details und alles versinkt Stück für Stück in weißer Leere.
Dann entscheidet sich Bojack überraschend, die ängstliche, heillos verwirrte Beatrice auf angenehmere Gedanken zu bringen. Er erzählt der Frau, die ihm seit seiner Geburt nur mit Ablehnung und Grausamkeit begegnet ist und die jetzt kurz vor dem Ende ihres Lebens steht, sie sei zu Hause, zufrieden und umgeben von ihrer liebenden Familie. Diese liebevolle Lüge ist ein unerwarteter Schritt für den depressiven und sonst so nachtragenden Titelhelden, der eigentlich vorhatte, sich von seiner dahinsiechenden Mutter mit einem kurzen, aber prägnanten „Fuck You“ zu verabschieden.
Durch die hier besonders prägnant umgesetzte Mischung aus entsetzlicher Tragik und zutiefst rührender Menschlichkeit ist dieser Moment zwischen den beiden gebrochenen Figuren die für mich beste Szene des gesamten Jahres.