Top 10 von Woon-Mo Sung
(Redakteur)
Rührend, anregend, kontrovers oder schockierend – auch das Kinojahr 2017 bot wieder allerlei Emotionen und bleibende Eindrücke. Und deshalb habe ich mich auch dazu entschieden, nicht einfach die Filme aufzulisten, mit denen ich den meisten Spaß hatte – diese Ehre würde einem Film wie „Baby Driver“ gebühren. Nein, mir geht es um eine nachhaltige Wirkung. Filme, die ich mitunter nur ein einziges Mal am Anfang des Jahres gesehen habe und die mir trotzdem im Gedächtnis blieben oder jene, denen ich auch beim wiederholten Gucken noch etwas Neues abgewinnen konnte.
Ganz oben steht dabei für mich „The Eyes Of My Mother“, eine betörend schön gefilmte, einfühlsame und doch zutiefst verstörende Beobachtung über die horrenden Folgen von Einsamkeit. „A Ghost Story“ war für mich zum Jahresende eines der ganz großen Highlights, das mir in wundervollen, kontemplativen Bildern den Unsinn meiner Existenz vor Augen führte.
„Mein Leben als Zucchini“ und „Die rote Schildkröte“ stellten eindrucksvoll unter Beweis, wie ansehnlich und anspruchsvoll das europäische Animationskino fernab des US-Mainstreams wirklich sein kann. In „Sieben Minuten nach Mitternacht“ und „Jackie“ geht es um den Verlust eines geliebten Menschen – den Verlust, der kurz bevorsteht und den, der bereits eingetroffen ist: Während Natalie Portman als JFK-Witwe Jackie im Angesicht der Trauer in aller Öffentlichkeit um ihre Fassung ringt, habe ich mir bei J.A. Bayonas Monsterdrama auf die Finger beißen müssen, um nicht den ganzen Saal vollzuheulen.
„mother!“ und „Una und Ray“ haben es mir und meinen Bekannten nicht einfach gemacht. Doch die angeregt geführten Diskussionen über die Bedeutung von Darren Aronofskys Schaffenskrisendrama und über die Fragen nach Recht, Unrecht und moralische Grauzonen der Missbrauchs- und Liebesgeschichte mit Rooney Mara machten für mich das Kinoerlebnis so komplett und reichhaltig, wie sonst kaum im Jahr 2017. Ebenfalls in die Top 10 gehört der Film „Innen Leben“, der auf schockierende Weise die Situation der Zivilbevölkerung im Syrienkonflikt schildert und damit einer der dringlichsten, weil aktuellsten Filme des Jahres ist. Und dann ist da noch „The Big Sick“, der bei aller Komik und Romantik präzise Beobachtungen zum Leben eines Migranten zwischen asiatischer wie religiöser Tradition und gesellschaftlicher Moderne auf die Leinwand zauberte – mit kaum jemandem identifizierte ich mich in diesem Kinojahr mehr als mit Kumail Nanjiani.
Für mich persönlich geht somit ein insgesamt gelungenes Filmjahr 2017 zu Ende und ich bin gespannt, was das neue Jahr mit sich bringen wird. In diesem Sinne bleibt mir nur noch eines zu sagen: Tequila!
2. „A Ghost Story“
4. „Sieben Minuten nach Mitternacht“
5. „Innen Leben“
6. „The Big Sick“
7. „Jackie“
8. „mother!“
9. „Die rote Schildkröte“
10. „Una und Ray“
Besondere Erwähnungen:
„Mudbound“ (Dee Rees, USA 2017)
„Requiem For Mrs. J“ (Bojan Vuletic, Serbien 2017)
„Raw“ (Julia Ducournau, Frankreich 2016)