Ernsthafter und lustiger als bisher: Rico und Oskar zum Dritten
Es ist ein rares und deshalb umso wertvolleres Glück, dabei zusehen zu dürfen, wie aus einem guten Kinderbuch innerhalb weniger Jahre ein echter Klassiker wird. Andreas Steinhöfels „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ ist das gelungen, womöglich auch aufgrund der wunderbaren Verfilmung von Neele Leana Vollmar: eine kleine, spannende Abenteuergeschichte mit großartigen Hauptfiguren und beglückender Bodenständigkeit. In „Rico, Oskar und der Diebstahlstein“, dem dritten und letzten Film der Reihe, sind jetzt zwei Jahre vergangen, seit sich die titelgebenden Jungs kennengelernt haben: Rico (Anton Petzold), der Tiefbegabte, und Oskar (Juri Winkler), der Hochbegabte, wohnen mittlerweile im selben Haus in der Kreuzberger Dieffenbachstraße – immer noch beste Freunde, auch wenn es gelegentlich knirscht. Ihr Nachbar Herr Fitzke (Milan Peschel) ist überraschend gestorben und hinterlässt Rico seine Steinsammlung – insbesondere den wertvollen Kalbstein, seine einzige erfolgreiche Züchtung. Doch dann bricht jemand in Fitzkes Wohnung ein und stiehlt genau diese Kostbarkeit!
Die Suche nach dem Diebstahlstein führt Rico und Oskar weit aus ihrem gewohnten Berliner Terrain hinaus an die Ostsee. Ricos Mutter ist mit ihrem Bräutigam in spe im Urlaub, die Sommerferien sind lang... und mehr noch als zuvor sind die beiden Freunde auf sich gestellt und voneinander abhängig. Das Drehbuch bleibt wieder eng an Steinhöfels Erzählung, nimmt sich aber filmische und dramaturgische Freiheiten, wo es sinnvoll ist – Vollmar, die beim zweiten Film pausiert hatte, verpasst dem Ganzen wieder etwas mehr Erdung, etwas weniger Slapstick.
Trotzdem ist zwischendrin Raum für geradezu grotesken Humor – und zugleich ist die eigentliche Geschichte ernsthafter, auch ein wenig erwachsener als die bisherigen Filme, ganz genauso wie ihre Protagonisten und deren Konflikte untereinander. Rico und Oskar haben sich ebenso entwickelt wie ihre Freundschaft, und in ihr liegt auch das emotionale Zentrum des Films. Da kann es schon einmal zum Streit oder sogar zum Bruch zwischen den beiden kommen – aber es gibt eben auch Verständnis und Verzeihen. Das Thema, das hinter der Kriminalgeschichte außerdem aufscheint, ist das Verhältnis von Oskar zu seinem psychisch labilen Vater (Detlev Buck). Diese Hintergrundgeschichten machen die ganze Trilogie zu so einem Schmuckstück: Weil sie hinter ihren Abenteuern die für Kinder wirklich wichtigen Fragen behandelt: Treue, Mut, Freundschaft, Eltern.
„Rico, Oskar und der Diebstahlstein“ gelingt es zudem, die Balance zu halten: Weder die Gegenspieler, denen die beiden Freunde gegenüberstehen, noch ihre Aufgaben und Fähigkeiten scheinen je unrealistisch oder übermenschlich. Kein Film also, in dem Kinder Angst haben müssen. Stattdessen ein Film, in dem sie realistische kleine Helden sehen, kleine Menschen fast so wie du und ich, die füreinander einstehen und sauer sind und sich verzeihen. Klingt ein wenig pathetisch, ist aber einfach wunderbares, klares Familienkino.
In diesen Kinos läuft „Zoomania“ am kommenden Wochenende.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.