Kleiner Ritter, große Aufgabe
Laut, bunt und dreidimensional: Manchmal macht mich das moderne Animationskino mit seinen oft überladenen, unnötig hektischen Bilderwelten auch ein wenig müde. Das ist dann der Moment, in dem ich mich – für meine Kinder ebenso wie für mich selbst - nach den klassischen Disney-Zeichentrickfilmen mit ihren flächigen, ruhigeren Bildern zurücksehne. Oder wahlweise nach einem Film wie Anthony Powers „Ritter Trenk“, der sich in diese Tradition stellt. Die Autorin Kirsten Boie versteht es in ihren Erzählungen vom kleinen Ritter Trenk ganz hervorragend, wie nebenher einiges über das Mittelalter zu erzählen – zwar kindgerecht reduziert, aber nie auf den kleinstmöglichen Nenner vereinfacht. Und auch der Kinofilm will nun bewusst kein Spektakel sein, sondern ein ruhiges, kindgerechtes Abenteuer, das auch schon für Kita-Kinder geeignet ist: ohne Schnickschnack, ohne unnötige Dramatisierungen.
Der kleine Trenk Tausendschlag ist ein einfacher Bauernjunge, der gerne ein edler Ritter wäre. Was bislang immer nur ein Wunschtraum war, wird für Trenk zu einem unbedingten Ziel, als der wenig freundliche Ritter Wertolt seinen Vater ohne Grund in den Kerker sperren lässt. Trenk gibt sich daraufhin als Sohn eines Ritters aus, um so als Page ins Schloss zu gelangen. Dort findet die schlaue Thekla zwar schon bald heraus, dass etwas mit ihm nicht stimmt – aber da sie sich selbst auch nicht mit der ihr zugewiesenen Frauenrolle zufriedengeben will, hilft sie Trenk auf seinem Weg zum Ritter…
Es folgt eine ganze Reihe von Herausforderungen (vom Ritterturnier bis zum Drachen-Duell), bis der Film mit einem eleganten, pädagogisch wertvollen Happy End schließt. Das (Mittelalter-)Weltbild gerät dabei zwar mitunter ein wenig schlicht, aber das geht nie so weit, dass Gut und Böse nur klischeehafte, klar voneinander abgetrennte Formen annehmen: Nicht jedes Monster ist hier auch wirklich monströs, was etwa an Filme wie „Tinkerbell und die Legende vom Nimmerbiest“ erinnert.
„Ritter Trenk“ ist dabei definitiv nicht so langweilig-lehrreich, wie man zunächst vielleicht befürchten könnte. Dank des klugen Drehbuchs ist der Film nämlich nicht nur spannend, sondern erzählt auch von glaubwürdigen Figuren – und witzig ist er obendrein. Da passt auch die reduzierte Zeichentrick-Ästhetik, mit der die Macher gar nicht erst versuchen, sich den Anschein großer amerikanischer Produktionen zu geben: Anthony Power weiß genau, was sein Film kann und was nicht; er wuchert mit seinen Pfunden so, wie auch der kleine Trenk andere Qualitäten findet als nur Größe und Stärke: Was man eben so tun muss als kleiner Ritter in einer großen Welt.
In diesen Kinos läuft „Ritter Trenk“ am kommenden Wochenende.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.