Heute Abend streamen: In dieser Serie erfahrt ihr alles über die wahre Entstehungsgeschichte von "Wer wird Millionär?" – TV-Skandal inklusive!
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

Wer den RTL-Dauerrenner „Wer wird Millionär?“ liebt, muss unbedingt die ARD-Mediathek aufsuchen! Denn nur noch für kurze Zeit ist dort „Quiz“ abrufbar, die kurzweilige, dramatische und informative Miniserie über die britischen Ursprünge der Hit-Show.

Es ist ein Fernsehphänomen, das auch nach über 25 Jahren keine Ermüdungserscheinungen zeigt: Der Quiz-Klassiker „Wer wird Millionär?“ mit Günther Jauch ist zu einem Stück TV-Kulturgut geworden, das verlässlich ein Millionenpublikum zu RTL lockt. Doch so sehr sich Jauch und RTL das Quiz-Format zu eigen gemacht haben: „Wer wird Millionär?“ ist keine deutsche Eigenkreation, sondern ein sensationeller Importerfolg.

Erschaffen wurde die Hit-Show unter anderem von „Peaky Blinders“-Strippenzieher Steven Knight, der Großbritannien Ende der 1990er somit (nach leichten Startschwierigkeiten) einen Quotenrenner bescherte. Die Miniserie „Quiz“ zeigt auf, wie das Format zustandekam, sich gegen das Vorurteil durchsetzte, Quizsendungen seien altbacken, und worauf sich sein Originaltitel „Who Wants To Be A Millionaire?“ bezieht.

Vor allem aber behandelt die Dramaserie das geheime Netzwerk an Ex-Kandidat*innen und einen (möglichen) Betrugsfall, der die britische Presse über lange Zeit in Atem hielt. „Quiz“ ist noch bis zum 9. Februar 2025 in der ARD-Mediathek abrufbar – also kostenlos und werbefrei!

"Quiz": Vom Erfolgsdruck im TV und in der Familie

Alles nahm mit Neid seinen Anfang: Der neue ITV-Senderchef David Liddiment (Risteard Cooper) macht im Oktober 1997 intern Druck. Er will unbedingt die BBC im Quotenwettkampf niederringen! Da der öffentlich-rechtliche Sender jedoch in seiner Aufbereitung nationaler Großereignisse unschlagbar ist, hat Liddiment die Vision, eine als verstaubt geltende Grundidee dank einer absurd hohen Preissumme zum neuen TV-Pflichttermin hochzujazzen – das Fernsehquiz!

So beginnt das Kopfzerbrechen darüber, wie man ein modernes, leicht verständliches und packendes Quiz auf die Beine stellen kann. Währenddessen fühlt sich der schüchterne Major Charles Ingram (Matthew Macfadyen) innerhalb seiner Familie wie ein Außenseiter: Seine Frau Diana (Sian Clifford) und ihr Bruder Adrian (Trystan Gravelle) sind wie besessen von Ratespielen – und diese Sucht nimmt ungeahnte Ausmaße an, als ITV das neue Quiz „Who Wants To Be A Millionaire?“ ins Programm aufnimmt.

Adrian schaut nicht bloß mit manischer Begeisterung zu, sondern will auch unbedingt bei der Sendung mitmachen, um seine gewaltigen Schulden zu begleichen. Adrian muss jedoch die Bewerbungshotline ordentlich zum Glühen bringen, bevor sich endlich wer bei ihm zurückmeldet. Daraufhin erfährt er von einer Unbekannten, dass es ein Untergrundnetzwerk aus „Who Wants To Be A Millionaire?“-Fans gibt, die sich gegenseitig helfen...

Geduldete, unerlaubte und (womöglich) herbeifantasierte Hilfestellung

Es mag wie eine spitze Dramatisierung realer Begebenheiten wirken oder gar wie reine Fiktion. Doch das im Laufe der „Quiz“-Ereignisse an Bedeutung zunehmende Quiz-Besessenen-Netzwerk „Das Syndikat“ existiert wirklich (wenngleich unter dem Namen „The Consortium“), genauso wie Familie Ingram und der TV-Skandal um sie herum.

Denn schlussendlich sollte sich auch der Major beim Hit-Format bewerben (nach eigener Aussage eher widerwillig) und (definitiv widerwillig) auf dem heißen Quiz-Stuhl Schlagzeilen schreiben: Während Charles Ingrams Auftritt wurde im Studiopublikum viel gehustet – auffällig viel gehustet. Auffällig viel und an sehr verdächtigen Stellen: Die Showverantwortlichen schwören, dass Ingram die Antworten vorgekeucht bekam – eine Vermutung, die vor Gericht ausgehandelt und in den britischen Medien mit Eifer ausgeschlachtet wurde.

Eins vorweg: „Quiz“-Autor James Graham, der mit dieser Miniserie sein gleichnamiges Theaterstück adaptierte, welches wiederum auf einem Sachbuch von Bob Woffinden & James Plaskett basiert, stemmt sich bewusst gegen Rateshow-Konventionen! Er ist nicht an eindeutigen Antworten interessiert – vielleicht aus künstlerischem Anspruch, vielleicht um rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen.

Sind sie bloß kamerascheu, oder lächeln die Ingrams so schmerzhaft, weil sie ein betrügerisches Geheimnis haben? ITV / AMC
Sind sie bloß kamerascheu, oder lächeln die Ingrams so schmerzhaft, weil sie ein betrügerisches Geheimnis haben?

Doch es hat definitiv sehenswerten Effekt: Innerhalb von drei Episoden argumentiert Graham im Wechselschritt mit Nachdruck für die ITV-Sichtweise, legt mit Passion die Verteidigung Ingrams dar und skizziert ein Plädoyer dafür, dass die Antwort dazwischen liegt. Das macht „Quiz“ zu einer Empathie-Achterbahnfahrt und harten Mitknobel-Nuss rund um die große „Who Wants To Be A Millionaire?“-Frage, deren Lösung nicht feststeht.

Dank solcher Skurrilitäten wie dem Syndikat sowie dank der ansteckende Spielfreude, die „Good Omens“-Star Michael Sheen in der Rolle des britischen Günther-Jauch-Pendants Chris Tarrant an den Tag legt, gerät „Quiz“ sehr kurzweilig und gewitzt. Zugleich versteht es Regisseur Stephen Frears, der sich schon mit „Die Queen“ als Spezialist für jüngere UK-Zeitgeschichte erwies, mit Feingefühl das zwischenmenschliche Drama dieser Story hervor zu kitzeln, ohne eine pathetische Mitleidstour zu fahren:

Frears gibt Macfadyen den Raum, die widersprüchlichen Seiten Ingrams voll auszuleben und kohärent zu vereinen: Belesen, aber nervös, vorausschauend handelnd und doch ein kleiner, sich verzettelnder Chaot, schüchtern und doch darauf bedacht, sich behaupten zu können. Das macht ihn als faulen Betrüger ebenso glaubwürdig wie als unschuldigen Sympathieträger, ähnlich wie es „Fleabag“-Nebendarstellerin Clifford gelingt, Diana Ingram ambivalent zwischen herrisch-drakonisch und wohlwollend-begeisterungsfähig anzulegen.

Ob ihr nach „Quiz“ auf der Seite von ITV oder den Ingrams landen werdet, können wir nicht vorhersagen. Wohl aber, dass ihr nach der Miniserie „Wer wird Millionär?“ mit völlig neuen Augen sehen werdet. Und wenn ihr nach all der TV-Anspannung etwas durchweg Heiteres benötigt, folgt doch diesem Streaming-Tipp:

Streaming-Tipp: Ein durchgedrehtes Meisterwerk, bei dem ihr euch kringelig lachen werdet – Filmfans müssen diesen Klassiker gesehen haben!
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