„Zeiten des Aufruhrs“ handelt vom jungen Ehepaar Wheeler, Frank und April, gespielt von Leonardo DiCaprio und Kate Winslet. Sie leben gemeinsam mit ihren zwei Kindern in der amerikanischen Vorstadt-„Idylle“ in Connecticut, werden von ihrem Umfeld als Traumpaar verehrt und scheinen das Leben zu leben, das die Fans von „Titanic“ für Jack und Rose eigentlich schon immer sehen wollten – und aktuell in „Zeiten des Aufruhrs“ auf Netflix streamen können (allerdings nur noch bis einschließlich 31. August 2024; alternativ gibt es den Film aber bei Paramount+*).
Jedoch erweist sich diese Utopie als trügerisch, da sich nach und nach die sozialen Brüche in dieser perfekten Oberfläche eines gelungenen Lebens offenbaren. Man möchte meinen, es wäre ein abgedroschenes Motiv, das man schon nach „American Beauty“ nicht mehr sehen konnte: die Wohlstandsdepressionen der reichen Vorstädter. Es ist jedoch mehr als das.
Die kongeniale Besetzung
Es ist geradezu absurd, wie sehr Sam Mendes‘ Film im Vergleich zu seinem thematisch ähnlich angelegten Oscar-Debüt „American Beauty“ untergegangen ist, betrachtet man die Crew des Films. Kein Geringerer als Roger Deakins zeigt sich hier für eine wieder mal glänzende Kameraarbeit verantwortlich, der Film beruht auf der literarischen Vorlage vom bekannten Autor Richard Yates, Thomas Newman komponierte die Musik und die besagten Leonardo DiCaprio und Kate Winslet geben ein weiteres Mal das perfekte Pärchen auf der Leinwand.
Die Vermutung liegt nahe, dass der wesentlich kratzbürstigere Charakter dieses Films schuld daran ist, dass er dem gefälligeren „American Beauty“ nur unterliegen konnte.
Die Entlarvung des hohlen Horrors der kleinbürgerlichen Vorstadt in „American Beauty“ wurde mit gefühlsbetonter Sentimentalität leicht zugänglich und relativ schmerzfrei vermittelt. Man konnte sich von den karikaturesken Figuren problemlos distanzieren, fühlte sich wohlig aufgeklärt, wurde aber an keiner Stelle – so scheint es zumindest – wirklich mit seiner eigenen (bequemen) Haltung zum Gezeigten konfrontiert, auch wenn diese vermeintliche „Happy End“-Struktur des Films eine subversiv-unterlaufende Qualität an sich hat.
„Zeiten des Aufruhrs“ hingegen bezieht seine offensichtlichere Unbequemlichkeit aus der Projektionsfläche, die die beiden Schauspieler darstellen. Mendes spielt bewusst mit dem Idol-Image und dem „Titanic“-Legenden-Status der beiden Weltstars und jagt dem Publikum mit der Bösartigkeit, die sich schleichend in der vermeintlich perfekten Ehe im eigentlich florierenden Nachkriegs-Amerika ausbreitet, einen gehörigen Schrecken ein. Denn all die romantisierten Idealvorstellungen von Liebe, die „Titanic“ noch schürte, werden hier gnadenlos zum Einsturz gebracht.
Großes Schauspielerkino
Das Herzstück dieses Films sind aber allen voran die Wortgefechte der beiden Liebenden, deren Darsteller sich nicht um Sympathie für die Charaktere scheren. Beide Figuren erscheinen als üble Kotzbrocken, deren Leidensdruck – innerhalb der festgefahrenen sozialen Strukturen und Vorstellungen der Spießer-Ideologie amerikanischer Suburbs – trotzdem mit Empathie begegnet wird, auch wenn deutlich wird, dass sie nicht nur Opfer ihrer Umstände sind.
Wer Filme wie „Marriage Story“ mochte, die sich mit der Verletzlichkeit und Hässlichkeit romantischer Bindung auseinandersetzen, wird sich – so ironisch das klingen mag – hier relativ schnell zu Hause fühlen.
Und wenn ihr wissen wollt, warum ausgerechnet ein besonders romantischer Moment in „Titanic“ für Kate Winslet beim Dreh ein Albtraum war, lest einfach folgenden Artikel:
Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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