Ein einflussreicher Mann lädt eine große Gesellschaft in sein weitläufiges Anwesen ein. Es werden Lügenschlösser gebaut, Geheimnisse getuschelt sowie eklatante Charakterschwächen enttarnt – ein Chaos, das mit Biss und Spannung Bände über die Gesellschaft spricht, lange, bevor es in dieser giftigen Gruppe zum Mord kommt: So lassen sich zahlreiche Kriminalgeschichten zusammenfassen, seien sie von Genre-Meisterin Agatha Christie oder den vielen Kreativen, die von ihr beeinflusst wurden.
Auch der Netflix-Megaerfolg „Glass Onion“ operiert nach diesem Schema – wenngleich mit einer Extradosis an spritzigem Humor. Wer „Glass Onion“ liebt, aber auch Lust auf eine geerdetere Abwandlung dieser Grundidee hat, sollte heute Abend ins lineare Fernsehen schalten: Der BR zeigt heute Abend, am 2. August 2024, ab 22.50 Uhr das raffinierte, trocken-komische Krimi-Drama „Gosford Park“. Außerdem könnt ihr den mit einer absoluten Starbesetzung auftrumpfenden Film via Amazon Prime Video als VoD leihen oder kaufen:
Wenn ihr CNMA Arthouse als Prime Video Channel* abonniert habt, könnt ihr „Gosford Park“ sogar ohne Zusatzkosten streamen.
"Gosford Park": Eine giftige Jagdgesellschaft
England, 1932: Der steinreiche Sir William McCordle (Michael Gambon) und seine Frau Lady Sylvia (Kristin Scott Thomas) bitten ihre weit verzweigte Verwandtschaft und einige Freunde der Familie zu einer Jagdgesellschaft. Doch bevor auch nur irgendjemand ans Schießen denkt, werden die verbalen Waffen gezückt: Das egozentrische Ekelpaket McCordle hat längst seine Sympathien verspielt, aber aufgrund seines Reichtums und Einflusses wollen sich alle weiter mit ihm gutstellen. Also werden andere Ventile gesucht, um Druck abzulassen. Und nicht nur die vielen Diener und Zofen bekommen daher Verbalsalven ab...
Ein widerlicher Gastgeber, von dem sich alle abhängig machen. Die nicht nur aufgrund der Genrekonventionen von Beginn an im Raum stehende Erwartung, dass jeden Moment ein Mord geschehen muss. Und eine nicht enden wollende Parade an bissigen Kommentaren darauf, wie weltfremd und selbstgefällig die Oberklasse sein kann: Obwohl sie tonal überaus unterschiedlich sind, besteht zwischen „Glass Onion“ und „Gosford Park“ eine deutliche Verwandtschaft. Vom Ambiente her bestehen wiederum größere Parallelen zwischen „Gosford Park“ und Rian Johnsons anderer Krimi-Hommage mit Daniel Craig:
Das dunkle, vollgeräumte, verwinkelte Anwesen in „Gosford Park“ stand ästhetisch Pate für den zentralen Schauplatz in „Knives Out“. Wo „Knives Out“ allerdings mit skurrilen und makabren Requisiten punktet, setzen „Gosford Park“-Regisseur Robert Altman und sein Szenenbild-Duo, bestehend aus Anna Pinnock und Stephen Altman, auf eine historisch stimmige, im Zusammenspiel unheilvolle Ausstattung, die von dramatisch verblasstem Glanz erzählt.
Die uns mitten in dieses diesige Anwesen versetzende, um Ecken tapsende und sich hinter Deko versteckende, von Andrew Dunn geführte Kamera weckt wiederum das Gefühl, wir wären ein stilles, neugieriges Mitglied dieser Jagdgesellschaft, das ununterbrochen in neue Konflikte stolpert. Und diese Konflikte nehmen im Laufe der Zeit bittere, tragische Formen an.
Eine Spitzenbesetzung und ein hervorragendes Beinahe-Spin-Off
Veredelt wird dieser Krimi durch ein umfangreiches, brillantes Ensemble. Dazu gehören unter anderem „Game Of Thrones“-Mime Charles Dance, „Pirates Of The Caribbean: Am Ende der Welt“-Fiesling Tom Hollander, „No Country For Old Men“-Darstellerin Kelly Macdonald, „Children Of Men“-Hauptdarsteller Clive Owen, Helen Mirren und „Eiskalte Engel“-Schnösel Ryan Phillippe sowie Stephen Fry als völlig unfähiger Ermittler.
Außerdem sind mit Maggie Smith, Richard E. Grant und Jeremy Swift sogleich drei Namen mit von der Partie, die einige Jahre nach „Gosford Park“ die kultig verehrte, herausragend besprochene und vielfach ausgezeichnete Serie „Downton Abbey“ mitgetragen haben. Das ist aber nicht die einzige Verbindung zwischen den beiden Projekten:
„Gosford Park“-Autor Julian Fellowes plante ursprünglich, den siebenfach für den Oscar nominierten Film (er gewann sogar den Academy Award für das beste Original-Drehbuch) als TV-Serie weiterzuspinnen. Schlussendlich entschied er sich jedoch, eine eigenständige Serie zu entwickeln, die aber ein ähnliches Setting hat und sich ebenfalls um die Beziehung zwischen dem Adel und seiner Belegschaft dreht. So wurde aus einer potentiellen „Gosford Park“-Serie der moderne Serienklassiker „Downton Abbey“.
Weshalb ihr „Downton Abbey“ unbedingt nachholen solltet, sofern ihr die Serie noch nicht kennt, und welche Historienserien in eine ähnliche Kerbe schlagen, verraten wir euch im folgenden Artikel:
Während ihr auf "Bridgerton" Staffel 4 wartet: Diese Historien-Serien solltet ihr jetzt schauen!*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.