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    Streaming-Tipp: Die weibliche "John Wick" ist stylisch, brutal & liefert eine der besten Action-Szenen aller Zeiten!
    Benjamin Hecht
    Benjamin Hecht
    -Redakteur
    Weil Hayao Miyazaki ihn träumen lässt, Sergio Leone ihm den Schweiß auf die Stirn treibt und Stanley Kubrick seinen Grips fordert: Dafür liebt Benjamin das Kino!

    Nur wenige Jahre nach seinem Erfolg mit „John Wick“ hat Regisseur David Leitch „Fast & Furious“-Star Charlize Theron zur toughen Einzelkämpferin gemacht. „Atomic Blonde“ lohnt sich – vor allem wegen einer beeindruckenden Action-Sequenz.

    John Wick“ ist für Action-Puristen wie mich einer der prägendsten Filme des letzten Jahrzehnts gewesen. Nicht nur verhalf der Gun-Fu-Kracher Keanu Reeves zu einem zweiten Karriere-Frühling, er machte mit seinen ultrastylischen, knackig choreografierten, aber nichtsdestotrotz geerdeten Action-Einlagen ein ganzes Subgenre populär. Seitdem gibt es zahlreiche Nachahmer, teils auch mit weiblicher Besetzung wie etwa Mary Elizabeth Winstead im Netflix-Film „Kate“ oder gar im Doppelpack mit Karen Gillan und Lena Headey in „Gunpowder Milkshake“. Doch wer, wenn nicht „John Wick“-Co-Regisseur David Leitch wäre besser geeignet, eine weibliche „John Wick“ auf die Leinwand zu bringen? Und das tat er auch: In „Atomic Blonde“ spielt „Mad Max“- und „Fast & Furious“-Star Charlize Theron die knallharte Ein-Frau-Armee Lorraine Broughton.

    Leider ist „Atomic Blonde“ aktuell in keinem Streaming-Abo verfügbar. Doch bereits für kleines Geld lässt sich der Action-Titel bei VoD-Anbietern wie Amazon Prime Video leihen (oder natürlich auch kaufen):

    Darum geht's in "Atomic Blonde"

    Für deutsche Action-Fans ist „Atomic Blonde“ allein schon aufgrund des Schauplatzes interessant: Der Film spielt im Ost-Berlin kurz vor dem Fall der Mauer. Ein MI6-Offizier wird tot aufgefunden. Dieser hatte eine Liste mit allen Namen der auf beiden Seiten Berlins tätigen Spione in seinem Besitz, die nun allerdings verschwunden ist. Lorraine Brougthon (Charlize Theron), ebenfalls beim britischen Geheimdienst tätig, wird nun von ihren Vorgesetzten (Toby Jones und John Goodman) beauftragt, in die DDR-Hauptstadt einzudringen und die heiklen Informationen sicherzustellen.

    Ihr Auftrag führt sie zum Ex-Geheimdienstler David Percival (James McAvoy) sowie zur französischen Agentin Delphine (Sofia Boutella). Doch wem kann Lorraine in einer Stadt voller Spione überhaupt trauen, noch dazu in einer politisch so hochbrisanten Lage? Eines ist klar: Auch andere Parteien wollen die Liste und sind bereit, dafür über Leichen zu gehen.

    DDR-Tristesse trifft Neonästhetik

    Wer hätte gedacht, dass man den Kulthit „99 Luftballons“ mal in einem „John Wick“-artigen Actioner hören würde? Ich zumindest nicht und es ist einer der Gründe dafür, warum sich das Setting von „Atomic Blonde“ so frisch anfühlt. DDR-Historienfilme sind ja oft und gerne in einem tristen, entsättigten Look gehalten, doch in diesem Spionage-Thriller wird das kalte Grau Ost-Berlins immer wieder durch stylische Aufnahmen im intensiven Neonlicht aufgelockert. Gepaart mit dem fetzigen 80er-Soundtrack von Depeche Mode bis David Bowie ist somit audiovisuell einiges geboten. 

    Auch die gewohnt brillante Charlize Theron trägt mit ihrer platinblonden Mähne zum Stylefaktor des Films bei. Außerdem bekommt sie schauspielerisch einiges mehr zu tun als ihr stoischer Kollege Keanu Reeves in den „John Wick“-Filmen. Ebenfalls eine faszinierende Gestalt: James McAvoys undurchsichtiger Überlebenskünstler Percival, bei dem man nie weiß, was er eigentlich im Schilde führt.

    Focus Features / Jonathan Prime
    Charlize Theron (l.) und Sofia Boutella in "Atomic Blonde".

    Auch wenn die Geschichte des Spionage-Thrillers nicht viel mehr als generische Standardware ist, so sind es doch die eben genannten Qualitäten, die „Atomic Blonde“ aus der Masse herausstechen lassen. Richtig sehenswert wird der Film aber vor allem wegen der Action, und dabei gibt es eine Szene, die mich ganz besonders beeindruckt hat.

    Ein zehnminütiger Action-One-Shot

    Das unbestrittene Highlight von „Atomic Blonde“ ist die zehnminütige One-Shot-Sequenz gegen Ende des Films: In einem knüppelharten und kräftezehrenden Überlebenskampf prügelt und schießt sich Lorraine Broughton zunächst durch ein Treppenhaus voller Feinde, widmet sich völlig erschöpft einem nie zu enden scheinenden Kampf mit einem ebenfalls schon völlig aufgeriebenen Widersacher, steigt dann in ein Auto und liefert sich eine Verfolgungsjagd im Kugelhagel – und all das, während der Mann, dem sie bei der Flucht helfen soll, kaum mehr laufen kann und langsam verblutet!

    Was diese Action-Szene für mich zu einer der besten aller Zeiten macht, sind drei Faktoren: Erstens ist es einfach immer beeindruckend, wenn solche langen Action-Sequenzen ohne einen einzigen sichtbaren Schnitt gedreht werden. Es ist ein Stilmittel, das in der Theorie zwar ein wenig abgegriffen erscheint – ganz nach dem Motto: Wenn du dein Publikum beeindrucken willst, mache einen One-Shot – das aber auch fast immer eine große Bewunderung in mir auslöst, weil in der Praxis eben ein enormer Aufwand dahinter steckt, selbst wenn dann doch der eine oder andere versteckte Schnitt genutzt wird.

    Atomic Blonde
    Atomic Blonde
    Starttermin 24. August 2017 | 1 Std. 55 Min.
    Von David Leitch
    Mit Charlize Theron, James McAvoy, Eddie Marsan
    Pressekritiken
    2,9
    User-Wertung
    3,4
    Filmstarts
    3,0

    Zweitens finde ich es saustark und fast schon ein bisschen wahnsinnig, dass Charlize Theron darauf bestanden hat, fast alle Stunts im Film selbst durchzuführen. So sagte Stunt-Koordinator Sam Hargrave gegenüber The Hollywood Reporter: „Charlize machte 98 Prozent ihrer Stunts selbst, all das Kämpfen, Rennen und so weiter. Nur wenn es darum ging, dass sie eine Treppe runterfällt oder sich von einer großen Höhe hinunterschwingt, konnten sie das aus versicherungstechnischen Gründen nicht machen.“ Je weniger bei einer Action-Szene getrickst werden muss, desto unmittelbarer und glaubhafter ist das Geschehen. Auch „Atomic Blonde“ profitiert deshalb von seiner Hauptdarstellerin, die sich waghalsig in die Action schmeißt.

    Drittens – und das gefällt mir an der Action-Szene wirklich am allerbesten – merkt man Lorraine und ihren Feinden auch wirklich die körperliche Erschöpfung an, die solche Prügelarien realistischerweise verursachen. Das Action-Kino zeigt uns viel zu oft Helden, die sich mit übermenschlicher Ausdauer gesegnet durch Gegnerhorden metzeln, ohne auch nur ein einziges Mal Zeichen von Ermüdung zu zeigen. Nicht so bei „Atomic Blonde“: Hier müssen im Laufe einer minutenlangen Sequenz immer effizientere Wege gefunden werden, um die vielen Feinde auszuschalten. Schließlich ist irgendwann keine Energie mehr da, die Lorraine in ihre Faustschläge und Tritte stecken kann.

    Deswegen wirft sie sich teilweise mit ganzem Körper auf ihre Gegner, nutzt herumliegende Gegenstände oder attackiert gezielt die Gelenke und andere Schwachstellen ihrer Verfolger. Als Zuschauer konnte ich einfach nicht glauben, wie lange diese eine Sequenz andauerte. Wie Lorraine fühlte ich mich irgendwann richtig ausgelaugt, doch das Adrenalin hielt mich dennoch voll bei der Stange. Allein schon wegen dieser einen Szene, lohnt es sich „Atomic Blonde“ eine Chance zu geben.

    "Ich kann nicht gehen, ich kann mich nicht auf die Toilette setzen": Charlize Theron hat die Konsequenzen ihrer Actionfilme nicht vorausgesehen

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    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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