Wenn man ein solch globales Phänomen wie „Game Of Thrones“ abliefert und schließlich beendet, schaut die Welt natürlich gespannt darauf, was die Verantwortlichen hinter dem Ausnahmewerk als nächstes angehen. Ursprünglich sollten David Benioff und D.B. Weiss gar ein neues „Star Wars“-Projekt realisieren, letztlich haben sie sich aber doch für einen lukrativen Exklusiv-Deal mit Netflix entschieden.
In dessen Rahmen haben sie sich bislang auf die Inszenierung eines Comedy-Specials und auf das Produzieren beschränkt. Für „3 Body Problem“ wurden sie nun aber erstmals wieder als Showrunner tätig, bekamen dabei Unterstützung vom unter anderem für seine Arbeit am Vampir-Kult „True Blood“ und der zweiten Staffel der gefeierten Horror-Serie „The Terror“ bekannten Alexander Woo.
Wir haben das Trio zum virtuellen Interview über ihre neue, auf einer chinesischen Bestseller-Reihe basierenden Serie getroffen, in der es um eine in Hunderten Jahren drohende Ankunft einer fortschrittlichen außerirdischen Zivilisation geht. Was für Vorteile der Wechsel von Mittelalter-Fantasy zu kontemporärer Science-Fiction mit sich bringt und wie weit sie ihre aktuelle Geschichte bereits im Voraus planen, erzählen sie uns im Gespräch.
FILMSTARTS: Wie zur Hölle geht man sein nächstes Projekt an, wenn man zuletzt eine der größten und besten Serien aller Zeiten abgeliefert hat? Konntet ihr aus dieser Erfahrung für euer neues Vorhaben schöpfen?
David Benioff: Man lernt auf jeden Fall, mit wem man gerne zusammenarbeitet. Wenn man Menschen findet, mit denen man das richtig genießt und die einen tollen Job gemacht haben, versucht man, sich so lange wie möglich an sie zu klammern. Viele Leute von „Game Of Thrones“ waren auch jetzt wieder dabei, z. B. unsere Produktionspartnerin Bernie Caulfield, unsere Produktionsdesignerin Deb Riley, das Effekte-Team und unser unglaublicher Komponist Ramin Djawadi. Es ist wundervoll, diese talentierten Leute an Bord zu haben, zu denen wir so einen guten Draht haben.
Andere Dinge hingegen muss man neu lernen. Wir haben für viele Jahre High-Fantasy gemacht. Und jetzt haben wir uns einer Sci-Fi-Serie gewidmet, die größtenteils in unserer jetzigen Welt spielt, das waren wir nicht gewohnt. Wir konnten jetzt plötzlich Figuren haben, die rauchen oder einen Pullover tragen, das war neu für uns.
Alexander Woo: Die Kleidungs-Label durften hinten zu sehen sein.
David Benioff: Oh ja, Westeros war ein labelfreies Land.
Bereits die zweite "3 Body Problem"-Adaption
FILMSTARTS: Nun habt ihr auch in eure neue Serie wieder viel Arbeit gesteckt. Doch in dem Fall tauchte währenddessen plötzlich schon eine andere Adaption derselben Vorlage in China auf. Wie habt ihr darauf reagiert? Habt ihr die chinesische Version gesehen?
D.B. Weiss: Wir haben nicht die gesamte Serie gesehen, aber einen Teil. Wir wussten von Anfang an, dass es eine chinesischsprachige Adaption geben wird, da wir nur die Rechte für eine englischsprachige Adaption hatten, was bereits darauf hindeutete, dass sich noch eine andere Version in der Mache befindet.
Es ist aber ein sehr interessanter und seltener Fall, fast zeitgleich zwei Adaptionen desselben Materials zu haben, eine, die sehr nah an den Büchern ist und eine, die diese tatsächlich eher adaptiert, für ein anderes Gefühl und ein anderes Publikum. Wenn man die Zeit hat, wäre es wohl sehr interessant, beide zu schauen, um zu sehen, was für unterschiedliche Entscheidungen getroffen wurden und wie sie sich nebeneinander anfühlen.
FILMSTARTS: Alexander, du hast dank der zweiten Staffel der Horror-Serie „The Terror“ bereits Erfahrung, wenn es darum geht, Genre-Unterhaltung für ein primär westliches Publikum mit asiatischen Geschichten und Perspektiven zu verbinden. War das jetzt auch für „3 Body Problem“ von Vorteil?
Alexander Woo: „The Terror: Infamy“ war primär eine japanisch-amerikanische Geschichte. Im Kern war es eine sehr amerikanische Erzählung über eine Gruppe von Leuten, die glaubten, Amerikaner zu sein und dann plötzlich gesagt bekamen, sie seien es nicht. Und „3 Body Problem“ ist für mich nun auch eine Art Einwanderergeschichte. Wir haben eine komplette Zivilisation, eine ganze Kultur, Geflüchtete einer Heimat, die nicht mehr bewohnbar ist. Der Unterschied hier ist, dass sie wahnsinnig überlegene Technologie zur Verfügung haben und uns alle auslöschen könnten.
Da die Serie den Fokus auf die Reaktion der Menschen auf die sich ankündigenden Besucher legt, tun sich einige Metaphern auf. Wir zeigen da überhaupt nicht doll mit dem Finger drauf, aber man kann es definitiv so sehen. Wir verweisen ein wenig darauf, indem wir die Einwanderergeschichten von einigen unserer Figuren anreißen. Manche stammen von außerhalb Großbritanniens und das trifft auch auf die San-Ti zu.
FILMSTARTS: „Game Of Thrones“ und „The Terror“ sind beide wöchentlich erschienen. Die Folgen der ersten „3 Body Problem“-Staffel erscheinen nun alle auf einen Schlag. Welches Release-Modell sagt euch mehr zu und gibt es jeweils andere Herangehensweisen, wenn es um das Konzipieren der Episoden geht?
David Benioff: Es ändert in kreativer Hinsicht auf jeden Fall einiges. Es ist aber schwierig zu sagen, was wir davon bevorzugen. Bei „Thrones“ haben wir die wöchentliche Veröffentlichung geliebt. Es ist gut, wenn das Publikum auf einem Stand ist, gerade wenn es zu großen Enthüllungen kommt. Wenn alle Die Rote Hochzeit in derselben Woche schauen, finden wir das auf jeden Fall besser.
Bei „3 Body Problem“ wussten wir, dass alles auf einmal erscheint und sind mit diesem Wissen in den Schreibprozess gestartet. Für uns funktioniert die Staffel auch besonders gut als komplette Staffel. Wir hätten sogar die Gelegenheit gehabt, sie eventuell zu teilen, haben uns aber dagegen entschieden, da es in unseren Augen besser für das Publikum ist, gleich die ganze achtstündige Geschichte zu bekommen.
Das beeinflusst aber in der Tat die Art und Weise, wie wir schreiben. Wir mussten uns hier nicht so sehr auf den „Was bisher geschah“-Clip am Anfang einer Folge verlassen, das war schön. Für verschiedene Serien eignen sich verschiedene Modelle am besten. Hier sind wir froh, dass die Leute alles auf einmal bekommen und in ihrem eigenen Tempo schauen können.
Pläne für Staffel 2 & noch mehr
FILMSTARTS: Habt ihr denn schon eine Art Masterplan, wenn es darum geht, wo ihr mit eurer Story hinwollt und wie viele Staffeln es braucht, um dorthin zu gelangen?
D.B. Weiss: Ich weiß nicht, ob unser Plan schon den Rang eines Meisters hat, es ist vielleicht eher ein Lehrlingsplan. Aber ja, es gibt einen Plan. An den Büchern hat uns die Gesamtheit der Geschichte fasziniert, vor allem auch das Ende. Seit wir mit der Arbeit begonnen haben, denken wir also in diese Richtung. Wir haben bereits sehr detaillierte Vorstellungen darüber, wie die nächste Staffel aussehen würde. Doch je weiter die Geschehnisse in der Handlung von unserem jetzigen Story-Stand in der Adaption entfernt liegen, desto vager werden unsere Vorstellungen.
Es gibt natürlich die großen Schlüsselmomente, die recht klar umrissen sind. Aber wie die Figuren unserer Version der Geschichte genau zu diesen Punkten gelangen, auf die wir uns so freuen, ist Teil des weiteren Schreibprozesses. Wir müssen herausfinden, wie man sie an die Orte führt, an die sie gelangen müssen, oder stellen währenddessen vielleicht auch fest, dass sie am Ende an einem ganz anderen Ort landen, von dem man vorher noch nicht wusste, dass sie dorthin müssen. Vielleicht werden sie Dinge machen, an die jetzt noch keiner von uns denkt, die sich aber beim Ergründen der nächsten paar Staffeln herauskristallisieren.
FILMSTARTS: Zu guter Letzt muss ich einfach noch die große Schiff-Zerschneide-Szene ansprechen, da das wohl eine Sequenz sein wird, über die die Leute viel reden werden. Also: Was zur Hölle? Wie seid ihr an die Szene herangegangen und wie habt ihr sie umgesetzt?
Alexander Woo: Es ist wahrscheinlich die denkwürdigste Stelle für alle, die das Buch gelesen haben. Es musste also auch in der Serie sein. Die Herausforderung ist natürlich gerade, dass sich alle Buchleser daran so gut erinnern und Vorstellungen davon haben, wie das Ganze aussieht. Und wir müssen nun etwas präsentieren, das dem gerecht wird oder es vielleicht sogar übertrifft.
Das erforderte die gemeinsame Anstrengung von jeder einzelnen Abteilung hinter den Kulissen, vom Regisseur über die Produktionsdesignerin bis hin zum Effekt-Team. Alle haben wahrscheinlich mehr Stunden in jeden Frame dieser Sequenz investiert als in alles andere in der Serie. Es war aber nicht nur im Hinblick auf die visuelle Wucht eine Herausforderung, sondern auch in emotionaler und moralischer Hinsicht. Wir haben hier Figuren, von denen wir glauben, dass sie die Guten sind, die für irgendein übergeordnetes Ziel jedoch viele Leute töten, von denen einige ziemlich unschuldig sind. Zu zeigen, wie diese Charaktere damit hadern, war genauso wichtig, wie das Gemetzel auf dem Schiff zu sehen.
Alle acht Folgen von „3 Body Problem“ sind seit dem 21. März 2024 auf Netflix verfügbar.
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