Eine auf engem Raum gefangene Person und eine knackige Laufzeit: Fertig ist das hyperklaustrophobische Thriller-Subgenre. Die berühmtesten Vertreter dürften „Nicht auflegen!“ alias „Colin Farrell in der Telefonzelle“ und „Buried – Lebend begraben“ alias „Ryan Reynolds unter der Erde“ sein. Doch es gibt viele weitere - wie den argentinischen „4x4 – Welcome Aboard“, über einen Dieb, der in einem SUV festsitzt.
Das Ergebnis ist ein zwar gegen Ende dick auftragender, aber kurzweilig-spannender Geheimtipp. Also wie gemacht für einen Fernsehabend unter der Woche. Wie passend, dass „4x4“ am heutigen Dienstag, den 16. Januar 2024 ab 22.20 Uhr bei Tele 5 läuft. Oder ihr ruft den Film via Amazon Prime Video als VOD ab:
"4x4": Denkbar wirksame Anti-Autowerbung?
Buenos Aires: Ciro (Peter Lanzani) entdeckt am Straßenrand einen fetten SUV. Durch gezielte Handgriffe und mit Hilfe eines Tennisballs knackt er den silberfarbenen Straßenkreuzer und krallt sich das Auto-Radio. Er macht im Wagen Randale, uriniert auf den Rücksitz, und will sich aus dem Staub machen. Aber der SUV ist abgeriegelt – und selbst mit gewaltigsten Bemühungen gelingt es Ciro nicht, Fenster oder Türen aufzustemmen...
Regisseur und Autor Mariano Cohn und sein Schreibpartner Gastón Duprat haben mit dem „4x4“-Auftakt (ob beabsichtigt oder nicht) herausragende Anti-SUV-Werbung geschaffen: Das schwere Teil zeigt sich als von außen leicht aufzubrechen, was nicht im Interesse jener sein dürfte, die massig Geld für ein unförmig-überdimensioniertes Auto hinblättern. Von innen ist der SUV derweil nicht aufzubrechen – was im Notfall für die Insassen ein gigantisches Problem darstellen könnte.
SUV: Die reine Folter
Nun ist Ciro aber weder der rechtmäßige Besitzer, noch sitzt er nach einem unverschuldeten Unfall im Wagen fest: Der SUV steht unauffällig am Straßenrand (jedenfalls so unauffällig, wie ein silberner SUV im nicht gerade reichsten Stadtteil von Buenos Aires sein kann) und Ciro will mit seiner Beute rasch sowie unbemerkt raus.
Aus dieser schlichten Prämisse schröpfen Cohn und Duprat zunächst geradlinigen Kammerspiel-Thrill: Ciros Befreiungskampf ist bestückt mit „Ohja, das könnte klappen!“-Hoffnungen und nachvollziehbaren „Mist, natürlich klappt es nicht!“-Frustrationen. Der SUV ist zudem ein geeigneter Schauplatz für eine „Festsitz-Story“, da er groß genug ist, um dem Protagonisten durch zahlreiche „Angriffsflächen“ (ins Nichts führende) Lösungsansätze zu geben und stets neu zu verärgern.
Dessen ungeachtet ist der SUV so beklemmend, dass Ciros zunehmend heftigere Schwankungen zwischen forscher Panik und in sich gekehrter Angst verständlich sind. Dem Nervenkitzel-Vergnügen kommt weiter zugute, dass Lanzani den immer erschöpfter nach Freiheit ringenden Dieb ausdrucksstark, doch ohne Übertreibungen verkörpert.
Das Videospielproblem
Als Film mit einem Protagonisten in brenzliger Lage hat „4x4“ jedoch bei einem bestimmten Klientel große Hürden zu überkommen: Beim Publikumstypus „Ich betrachte jeden Film wie ein Videospiel!“ Wenn Ciro das „Wie komme ich aus diesem Gefängnis auf vier Rädern raus?!“-Rätsel anders angeht, als es Mitglieder dieses Publikumsschlags tun würden, geht das Gegröle, Gestöhne und Geschimpfe los.
Ausrufe wie „Was für ein Idiot!“, „Ich wäre längst wieder frei!“ und „So ein dummer Film, der Typ könnte doch einfach [das tun, was ich mir gerade vorstelle, ohne zu wissen, ob es funktioniert]!“ sind garantiert. Dieser Schlag Publikum vergisst konsequent, dass Filme kein interaktives Rätsel sind, und die hier nicht prompt erfolgende Befreiung Sinn der Sache ist.
Was ersichtlich wird, wenn man Ciro nicht anbrüllt, als wäre er im ersten Level eines Videospiels, das gerade eine wenig geübte Person steuert, der man hilflos zuschauen muss. Denn Cohn reibt uns inszenatorisch vor allem Fragen des Mitgefühls unter die Nase. Etwa: Lachen wir den Dieb schadenfroh aus, der sich wenige Augenblicke, nachdem er die SUV-Rückbank vollgepinkelt hat, panisch in seinem eigenen Urin wälzt? Oder bangen wir mit einem jungen Mann mit, der hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt wurde?
Durch ein haarsträubendes, jedoch erstaunlicherweise von wahren Ereignissen in Brasilien inspiriertes Selbstjustiz-Element verdeutlichen Cohn und Duprat dieses Element im weiteren Verlauf. Das hält den Film frisch - allerdings überdramatisieren sie das Geschehen im letzten Drittel verkrampft und rauben zugleich ihrer Aussage durch Holzhammer-Dialoge Wirkkraft.
Trotzdem bleibt „4x4“ bis zum Schluss gefällig-zügige Spannungsunterhaltung – und wenn sie spitze Fragen für das nächste Pausengespräch inspiriert, wird das ja hoffentlich auch nicht schaden.
Überraschung: Netflix zeigt gefeierten Serien-Hit, beginnt aber mit Folge 1.089 (!)*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.