Ein antriebsloser Kerl ohne soziale Kontakte und Liebesleben hat die Schnauze voll und beschließt, fortan kräftig auszuteilen. Doch auf seine neue Begeisterung fürs Kämpfen im sportlichen Rahmen folgen alsbald eine neue Lebensphilosophie und das Abrutschen in eine eingeschworene Subkultur.
Diese grobe Zusammenfassung könnte zwar auch auf „Fight Club“ zutreffen, gemeint ist jedoch die trocken-komische, bissig-entlarvende Komödie „The Art Of Self-Defense“. Darin begegnet Jesse Eisenberg thematischen Versatzstücken aus David Finchers Kult-Thriller ebenso wie einer skurrilen „Cobra Kai“-Abwandlung. „The Art Of Self-Defense“ ist auf diversen Portalen als VOD erhältlich, etwa Amazon Prime Video.
"The Art Of Self-Defense": Vom Duckmäuser zum Karate Brudi
Der schüchterne Buchhalter Casey (Jesse Eisenberg) wird eines Nachts angegriffen. Nach dieser schmerzvollen Attacke beschließt er, sein Leben umzukrempeln und besucht das lokale Karate-Studio. Dort hat ein ebenso charismatischer wie mysteriöser Sensei (Alessandro Nivola) das Sagen. Doch egal, wie eigenwillig Caseys Karate-Lehrer sein mag:
Die Lektionen geben ihm zuvor ungeahntes Selbstbewusstsein. Daher beschließt er, auch die geheimnisvollen Nachtkurse des Dojos zu besuchen, bei denen nicht einmal die fähige Karateka Anna (Imogen Poots) zugegen ist. Das hat blutige Folgen...
Hätte sich Edward Nortons „Fight Club“-Figur in einem Anflug von „Karate Kid“-Nostalgie einfach in einem Dojo angemeldet, wäre ihr vielleicht viel Ärger erspart geblieben: „The Art Of Self-Defense“ ist nicht nur eine kleinere Produktion als Finchers Kultfilm, die Handlung zieht auch kleinere Kreise. Trotzdem hat die Satire deutliche Parallelen zu „Fight Club“, ohne dreist beim großen Vorbild abzugucken:
Wie schon das oft zitierte Brad-Pitt-Vehikel, nimmt sich auch „The Art Of Self-Defense“ einem toxischen Männlichkeitsbild an. Während Fincher allerdings tief in ein Weltbild abtaucht, das von einem schädlichen Verständnis männlicher Identität durchzogen ist, und dies von innen heraus zerstört, ist hier die Tonalität distanzierter:
Regisseur und Autor Riley Stearns nutzt seinen schüchternen, neurotischen Protagonisten, um mit einer ironischen Verwirrung von Chauvis mit engem Weltbild zu erzählen. Zwar lässt sich Casey ein Stückchen von seinem Sensei mitreißen, trotzdem obsiegen die bewusst spröde präsentierten, dezent überspitzten Alltagsbeobachtungen. Wie Caseys großmäulige Bürokollegen, die dauernd Bro-Floskeln vom Stapel lassen.
Oder die Abneigung des Senseis gegenüber der vermeintlich weibischen französischen Sprache, geschweige denn seine Begeisterung für das harte, männliche Deutsch und große Hunde, die gut zubeißen: Ein einzelner Verweis auf solche Kerle mag ein naheliegendes Ziel des Spotts sein, doch Stearns' punktgenaues Dauerfeuer macht „The Art Of Self-Defense“ zu einem urkomischen Zerrspiegel tumber Typen, die wahrscheinlich wir alle irgendwoher kennen.
Dass Stearns diese zunehmend schrägere Karikatur konsequent trocken und unterkühlt abliefert und mit sehr amüsanten, skurrilen Dialogen bestückt, sorgt auch dafür, dass die Gesellschaftskritik die gesamte Laufzeit über nicht alt wird. Daran hat auch das Ensemble großen Anteil:
Obwohl der Sensei eine reine Witzfigur ist, schafft Nivola es, ihn glaubwürdig als Anführer einer verblendeten Gruppe anzulegen – als stumpfen, großkotzigen Anführer, den man liebend gern hasst. Eisenberg trifft als Softie, der sich in eine derbe Kante verwandeln will, exakt die satirische Wellenlänge des Films. Und er hat eine authentische Chemie mit Imogen Poots, die als einzige Frau unter verschwitzten Typen stark aufspielt:
Ihr Hadern damit, ob sie die Kerle imitieren will, rebellieren sollte oder ob sie zum Wohle ihrer eigenen Sicherheit einen auf unbarmherzig machen müsste, während sie ihre kritischen Kommentare runter schluckt, ist sympathisch, aus dem Leben gegriffen und zugespitzt zugleich. Das knallt fast so sehr wie die einfach brillante Schlusspointe des Films. Keine Sorge, es ist keine stumpfe Kopie des „Fight Club“-Twists.
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