Es muss irgendwann Mitte der 2000er gewesen sein. Wir waren gerade aus dem schönen Berlin in den erweiterten Speckgürtel der Stadt gezogen – ländliche Gegend, jugendliche Langeweile. In der an einen Schreibwarenladen angrenzenden Mini-Videothek im Nachbardorf fiel mein Blick auf das Cover von „Donnie Darko - Fürchte die Dunkelheit“ und es war Liebe auf den ersten Blick. Diese skurrile Hasenmaske, die hier aus den überbelichteten Gesichtern der Protagonisten zusammengesetzt war, strahlte eine bedrohliche Faszination aus. Ich musste diesen Film einfach gucken. Und glücklicherweise nahmen es die Angestellten dort mit der Alterskontrolle auch nicht ganz so genau...
Zuhause wurde die Scheibe sofort in den „DVD-Player“ (PC mit DVD-fähigem Laufwerk) geschmissen und los ging die wilde Fahrt. Und was soll ich sagen, Richard Kellys psychedelischer Sci-Fi-Coming-Of-Age-Film hat mich damals zutiefst beeindruckt. Sogar so sehr, dass ich den Streifen gleich noch einmal geschaut habe, um mich in den Ideen von Zeitreisen, Parallelwelten und Was-wäre-wenn-Gedankenspielen weiter zu vertiefen.
Einen Film zwei Mal direkt nacheinander und mit voller Begeisterung schauen? Das hatte ich zuvor noch nie gemacht – und es ist auch bis heute eine einmalige Ausnahme geblieben. Inzwischen ist der düstere Sci-Fi-Streifen in meinem Wohnzimmer sicherlich gut ein Dutzend mal über die Mattscheibe geflimmert und ich verstehe auch heute noch die Faszination meines jugendlichen Ichs für dieses Werk. Eine Sache habe ich jedoch bis heute nicht getan: Mir den Director's Cut von „Donnie Darko“ anzuschauen.
Erst die Leerstellen machen den Film interessant
„Donnie Darko“ fühlt sich auf angenehme Weise unvollständig an. Es gibt erzählerische Leerstellen, lose Handlungsfäden, einen kryptischen Sci-Fi-Unterbau und mit Donald „Donnie“ J. Darko (großartig gespielt von Jake Gyllenhaal, der die Rolle trägt, als wär er ein alter Hollywood-Hase) eine Hauptfigur, die sehr wenig der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt klar an die Zuschauer*innen weitergibt. Kurzum, der Film will ausgelegt und nach eigenen Ideen und Interpretationsansätzen gelöst werden, genau das macht den Reiz dieses eigenwilligen Werks aus.
Ich habe die (berechtigte) Befürchtung, dass Richard Kelly im Director's Cut eben diese Leerstellen weiter ausfüllt und mir damit das nimmt, was ich an dem Film eigentlich gerade spannend finde. Zudem kenne ich leider auch seine Folgewerke „Southland Tales“ und „The Box - Du bist das Experiment“, die beide nicht annähernd die Klasse von „Donnie Darko“ erreichen – viel schlimmer noch, ich finde beide Arbeiten gelinde gesagt ziemlich schrecklich.
Wahrscheinlich ist meine Liebe zu „Donnie Darko“ nur ein reiner Zufallstreffer. Die Vielzahl der Möglichkeiten, den wirren Genre-Mix ganz persönlich auszulegen und Richard Kellys ungeschliffener, schräger Regie-Stil, die das amerikanische Vorstadtleben zu einem echten Albtraum werden lassen, haben den Film für mich zu etwas ganz besonderem gemacht. Doch je mehr ich von dem Filmemacher gesehen habe, desto weniger möchte ich, dass er mir diesen Film weiter ausdeutet. Nein, für mich sind im Falle von „Donnie Darko“ gerade die Leerstellen spannend und dementsprechend werde ich auch in Zukunft einen weiten Bogen um den Director's Cut von einem meiner absoluten Lieblingsfilme machen!
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