Seit seiner hochgelobten Premiere beim diesjährigen Sundance Film Festival ist „Fair Play” einer der meisterwarteten Thriller des Jahres – nicht zuletzt, weil Netflix danach eine unglaubliche Summe von 20 Millionen Dollar auf den Tisch gelegt hat, um die Verleihrechte zu erwerben und dabei eine ganze Reihe von Mitbietenden hinter sich ließ. Seit dem 5. Oktober ist der Streifen mit „Bridgerton”-Star Phoebe Dynevor und Alden Ehrenreich („Solo: A Star Wars Story”) endlich bei dem Streamingdienst für Abonennt*innen kostenlos verfügbar - und sorgt nun auch hierzulande für reichlich Gesprächstroff.
Kein Wunder, denn Regisseurin und Drehbuchautorin Chloe Domont stellt in „Fair Play” ein junges und erfolgreiches Paar ins Zentrum, das zunächst die Finger nicht voneinander lassen kann - und irgendwann die Hand gegeneinander erhebt. Welche Wendung die Romanze nehmen soll, wird dabei kontinuierlich durch kleine Hinweise und Foreshadowings etabliert, bis sich der Kreis am Ende vollends schließt und eine Katastrophe hinterlässt.
So lernen wir Emily und Luke zunächst als leidenschaftliche Liebende kennen, die auf einer Hochzeitsfeier im Badezimmer übereinander herfallen. Ihre Aufregung erhält jedoch einen kleinen Dämpfer, als sie bemerken, dass Emily ihre Tage hat - und wird wiederum durch wilde Freude ersetzt, als Luke seiner Freundin einen Heiratsantrag macht. Hier versucht uns Domont auf die Seite der beiden zu ziehen, denn ein Antrag inmitten von Blut zeichnet das Paar so chaotisch wie charmant und liebenswert. Doch was in Blut beginnt, soll in Blut enden.
In "Fair Play" wird Liebe zu einem Kampf um Macht
Denn Emily und Luke arbeiten im selben Finanzunternehmen, einem sehr männlich dominierten Umfeld mit einem unausstehlichen Chef an der Spitze. Da sie keine Lust auf Gerede haben, halten sie ihre noch frische Beziehung geheim, was ihnen später zum Verhängnis werden soll. Als sich eine Beförderung auftut, sehen sich die beiden plötzlich für die gleiche Position konkurrieren und Luke ist sich sicher, dass er im Rennen dabei vorne liegt. Überraschend erhält jedoch Emily den Posten und in Luke werden Selbstzweifel laut, wie auch das Gerede seiner Kollegen darüber, wie viel Emilys Beförderung wirklich mit ihrem Können zu tun hätte - oder viel mehr mit der Tatsache, dass sie eine Frau ist. Doch erfährt Emily stattdessen, dass Luke einer der schwächsten Mitarbeiter der Firma ist, womit er wiederum nicht zurechtkommt.
Auf spitze Bemerkungen folgen körperliche Ausfälle, bis Luke in ein wichtiges Meeting von Emily reinplatzt und ihr vor versammelter Mannschaft sexuelle Belästigung als seine Vorgesetzte vorwirft. Auf ihrer Verlobungsfeier am selben Abend folgt ein eskalativer Streit, der mit Worten beginnt und mit einer Vergewaltigung im Badezimmer endet. Nun wendet sich Emily selbst mit einer Lüge an ihre Arbeitsstelle und erzählt ihrem Boss, Luke habe sie seit Monaten gestalkt. Was den jedoch mehr interessiert als jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, ist der Ruf der Firma, und so begegnet er Emily gleichgültig.
Von toxischer Männlichkeit und weiblicher Selbstermächtigung
Emily realisiert jedoch, dass sie Luke zur Rechenschaft ziehen muss – vor allem, als der im großen Finale vor ihr steht und jede ihrer Anschuldigungen weiterhin dreist abstreitet. Sie greift zum Messer und schneidet ihrem Verlobten in den Arm, bis er auf die Knie geht und sie um Vergebung anbettelt. Das Blut tropft auf den Boden, der Kreis schließt sich und für Regisseurin Chloe Domont ist hier der Punkt erreicht, an dem der Film seine wahre Intention zeigt, wie sie im Gespräch mit Netflix erklärt:
„Während es hier zwar Elemente weiblicher Wut gibt, geht es in dieser letzten Szene nicht um weibliche Wut, sondern darum, einen Mann für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen und sich seiner eigenen Minderwertigkeit zu stellen. Lukes Unfähigkeit dazu zu stehen, bereitet den beiden so viel Schmerz und Zerstörung. Für mich läuft der gesamte Film auf diesen Moment hinaus, als Emily Luke dazu bringt sein eigenes Versagen und seine eigene Schwäche anzuerkennen, indem er die Worte ‚Ich bin nichts‘ murmelt - denn noch mehr als um weibliche Selbstermächtigung, geht es in dem Film um männliche Fragilität.”
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