Liebhaber*innen von – im besten Sinne – abseitiger Sci-Fi-Kost erinnern sich bestimmt noch gerne an den Juli des Jahres 2021 zurück. Hier nämlich waren zwei Filme auf der großen Leinwand zu sehen, die das Genre nicht als Spektakel zwischen gigantischen CGI-Effekten oder atemberaubenden Sternenreisen begriffen, sondern ihren Fokus auf das Kleinteilige legten. Neben der herzerwärmenden Romanze „Ich bin dein Mensch“, in dem die Liebe zwischen einer beziehungsscheuen Berlinerin und einer hochentwickelten K.I. im Zentrum stand, erschien hier auch das von der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gelobte dystopische Gedankenexperiment „The Trouble With Being Born“ - und verpasste seinen (wenigen) Zuschauer*innen einen derben Schlag in die Magengrube.
Im Kino ging „The Trouble With Being Born“ leider komplett unter. Wer kein Programmkino in seiner Nähe hatte, wird wohl kaum mitbekommen haben, dass der Film eine Kinoauswertung erhalten hat – oder überhaupt existiert. Aber das kann sich ja nun ändern, denn bei VoD-Anbietern wie Amazon Prime Video steht das außergewöhnliche Sci-Fi-Drama in der Leih- und Kaufversion für einen überschaubaren Aufpreis zur Verfügung. Fans der Netflix-Hits „Black Mirror“ sollten hier auf jeden Fall zugreifen. Aber seid euch sicher: Hier geht’s auf jeden Fall deutlich verstörender zur Sache!
Darum geht's in "Trouble With Being Born"
Elli (Lena Watson) bezeichnet Georg (Dominik Warta) als ihren Vater, doch in Wahrheit ist sie nur ein fortschrittlicher Sexroboter mit den Erinnerungen seiner Tochter. Sie durchleben gemeinsam warme Sommertage, schwimmen im Pool und lassen sich in der Sonne bräunen. Ob Georg das auch schon mit seiner Tochter getan hat, die von jetzt auf gleich aus seinem Leben verschwand, ist nicht klar.
Elli, der Android, scheint nach und nach auch von Stimmen aus der Ferne und unsichtbaren Kräfte angezogen zu werden, die sie zusehends von Georg distanzieren. In der Dunkelheit des Waldes wird sie nicht nur auf andere Menschen treffen, sondern auch eine Art Selbstkonfrontation erfahren, die sie darüber aufklärt, wer sie ist – und wer sie sein könnte...
Eine schmerzhafte Erfahrung
Wenn Michael Haneke („Das Weiße Band“) „A.I. Künstliche Intelligenz“ inszeniert hätte, wäre dabei wohl „The Trouble With Being Born“ entstanden. Regisseurin Sandra Wollner hat sich aber nicht nur die formalistische Strenge eines Haneke angeeignet, sondern stellt auch einige ungemein spannende Fragen zum Thema Menschsein. In diesem Fall natürlich noch im Zusammenspiel mit der Existenz als Maschine. Dabei werden Antworten an die Oberfläche gefördert, die nicht nur weh tun, sondern auch noch eine ganze Weile nachwirken. In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es dafür 3,5 von 5 Punkten:
„Das düstere Drama, angereichert mit Versatzstücken aus Horror und Sci-Fi, wirkt wie eine warnende Botschaft aus einer falsch programmierten Simulationswelt, wie eine weitergedachte und deshalb abgründigere Version von Steven Spielbergs ‚A.I. – Künstliche Intelligenz‘. Flackernd, elektrisch, verstörend. Ein Streusignal, nicht ganz einfach zu entschlüsseln.“
„The Trouble With Being Born“ schindet vor allem deshalb Eindruck, weil sich Sandra Wollner nicht dagegen sträubt, ins Abgründige vorzudringen. Die Regisseurin geht mit ihrem erst zweiten Spielfilm dorthin, wo es weh tut. Angelehnt an die Werke des Philip K. Dick (dem Vorlagengeber z.B. von Ridley Scotts Jahrhundertwerk „Blade Runner“), verfolgt Wollner die Frage, ob der Mensch allein nach Mustern funktioniert, die ihm bereits vor der Geburt anheften oder ob die Seele selbst nur ein Anhängsel ist.
Aber nicht nur birgt „The Trouble With Being Born“ jede Menge diskursives Potenzial in sich, sondern erinnert auch an den bereits erwähnten Netflix-Hit „Black Mirror“, wie es in der Kritik heißt: „Man denkt an ‚Black Mirror‘ mit österreichischem Akzent. Nur mit einem größeren Willen zu verwirren und zu verstören. Eine Irritation, die vor allem der verschrobenen Form entspringt. Diese Struktur, die den Zuschauer immer wieder vom einfachen Aufnehmen des Plots wegstößt, verbunden mit dezenten Schocks und Ekel.“
Wer sich also mal wieder einer echten Tour de Force stellen möchte, die zwar eine Herausforderung ist, aber auch ein Stück weit intellektuelle Erhellung bietet, der sollte sich den Sci-Fi-Geheimtipp „The Trouble With Being Born“ unbedingt geben. Die Mischung aus Anti-Pinocchio, Body-Horror und „A.I.“ mit „Lolita“-Anleihen hat es in sich. Aber es lohnt sich!
Eines der besten Superhelden-Abenteuer der letzten 20 Jahre - nahezu in Vergessenheit geraten, aber VIEL besser als MarvelDies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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