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    Neu auf Amazon Prime Video: Selten war der Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs so verstörend wie in diesem Kriegsfilm
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    Stefan liebt Film. Er vermisst die wöchentlichen Besuche in der Videothek, denn das ziellose Umherirren in den Gängen hat ihm Seherfahrungen wie "Donnie Darko" oder "Fear and Loathing in Las Vegas" beschert.

    Robert Schwentke hat mit „Der Hauptmann“ einen der spannendsten Beiträge zur Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs geliefert. Seine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld wird zu einem rauschhaften Albtraum, der einem lange im Gedächtnis nachhallt.

    Gerade aus Deutschland stammen viele Filme, die die Gräuel, den Wahnsinn und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs thematisieren. Zumeist sind diese Auseinandersetzungen mit der Thematik Historien-Dramen, bei der ein trockener Realismus im Vordergrund steht. Anders hingegen „Der Hauptmann“ von „Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben“-Regisseur Robert Schwentke.

    Mit Willi Herold, dem sogenannten „Henker vom Emsland“, steht zwar eine historische Figur im Fokus. Statt einer reinen Nacherzählung von dessen unfassbaren Grausamkeiten lässt der Regisseur hier eine albtraumhafte Bilderflut über sein Publikum hereinbrechen. Das Ergebnis ist ein Film, der mit den Mechanismen sogenannter Authentifizierungsstrategien spielt, dabei aber die historische Faktizität hinten anstellt und seine Zuschauer*innen auf eine wahnhafte Odyssee durch die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs mitnimmt.

    Seit dem 16. Juli 2023 könnt ihr Robert Schwentkes ungewöhnliches Geschichts-Drama ohne Zusatzkosten bei Amazon Prime Video streamen:

    Doch worum geht es überhaupt? Wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs kommt der desertierte Gefreite Herold (Max Hubacher) in den Besitz einer Uniform eines mit Orden dekorierten Hauptmanns der Luftwaffe. Da er sowieso nichts mehr zu verlieren hat, beschließt er, die Kleidung überzustreifen und sich als strenger Befehlsgeber auszugeben.

    Schon bald hat er einige versprengte Soldaten unter seinem Kommando vereint und formt eine eigene Einheit. Herold verfällt schon bald der Macht seiner neuen Kleidung und wird zu einem wahren Monster, der selbst den eigentlichen Offizieren in Sachen Brutalität, Verschwendungssucht und unmoralischem Verhalten den Rang abläuft und in einem Internierungslager, in dem u.a. Desateure inhaftiert sind, ein Schreckensregiment errichtet.

    "Der Hauptmann": Eher "Apocalypse Now" als "Schindlers Liste"

    Zuschauer*innen lassen sich gerne täuschen: Werden Filme über historische Figuren und Ereignisse heutzutage in Schwarz-Weiß gedreht, verbinden wir mit diesen paradoxerweise eine besondere Faktizität. Kein Wunder, schließlich sind unsere Erinnerungen an die Vor-Farbfilm-Zeit meist geprägt durch entsprechende mediale Zeugnisse wie gezeigte Aufnahmen in Dokumentationen oder Fotos in Geschichtsbüchern – und diese sind nun einmal oft schwarz-weiß.

    Einer der berühmtesten Filme, der auf diese Authentifizierungsstrategie zurückgreift, ist Steven Spielbergs berührendes Meisterwerk „Schindlers Liste“, das für viele Zuschauer*innen so noch einmal zu einem immersiveren Filmerlebnis geworden ist. Auch Robert Schwentke bedient sich dieser Technik,. Statt dem von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch, historische Ereignisse „korrekt“ wiederzugeben, spielt das absurde Drama mit diesen Mechanismen.

    Die Köpenickiade in „Der Hauptmann“ wird so zu einem düsteren Kriegsdrama, das das Publikum immer tiefer in das Herz der menschlichen Abgründe hinabsteigen und letztlich den von Herold imitierten Hauptmann zu einer Allegorie des Kriegswahnsinns werden lässt. Der angetäuschte Realismus weicht überzeichneten Bildern und streut einen zynischen und pechschwarzen Humor ein. Das morbide Spiel von Gewalt und Macht wird zu einem emotionalen Zerrbild der Wirklichkeit.

    Wie sonst kann der unfassbare Gräuel jener Zeit vom Publikum erfasst und verarbeitet werden? Letztlich ist der Film damit näher an einem „Apocalypse Now“ als an „Schindlers Liste“ und definitiv einer der spannendsten und nachhaltigsten Beiträge zu diesem Themenfeld in den letzten Jahren.

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