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    Comic-Figuren nicht zu verändern, ist falsch: Darum erfindet "Spider-Man: Across The Spider-Verse" den Marvel-Helden neu
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    Stefan ist ein echter Comic-Fan: Er liebt Graphic Novels und klassische Comics wie "Hellboy" und "Batman". Er hofft auch immer noch auf eine Film-Umsetzung von Eric Powells "The Goon"!

    "Spider-Man: Across The Spider-Verse" ist am 1. Juni 2023 in den Kinos gestartet. Wir konnten mit den Produzenten des Films Phil Lord & Chris Miller über zukünftige Projekte, die neue Verbindung zum MCU und das Leiden der Superhelden sprechen.

    Sony Pictures

    Am 1. Juni 2023 ist das Animationsfilm-Sequel „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ in den Kinos gestartet. Zu diesem Anlass hat sich FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler mit den beiden Masterminds hinter dem Spider-Verse getroffen: Die Produzenten und Drehbuchautoren Phil Lord und Chris Miller, als Regisseure auch verantwortlich für Filme wie „The Lego Movie“ oder „21 Jump Street“, gab uns via Zoom umfassend Auskunft - über ihren neuen Film, die Zukunft des Spinnen-Universums und warum es Unsinn ist, Figuren immer wieder so zu erzählen, wie sie vor 60 Jahren erdacht wurden.

    Doch zuerst wollten wir natürlich wissen, wie schwer es war, auf den großartigen Vorgänger „Spider-Man: A New Universe“ nun gleich mit zwei Sequels zu folgen...

    Mehr als der Mittelteil einer Trilogie!

    FILMSTARTS: Es ist eine gewagte Idee, die Sequels zu „Spider-Man: A New Universe“ als Zweiteiler anzulegen. Hat es viel Überzeugungsarbeit gebraucht, um diese Idee durchzusetzen? „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ fühlt sich durchaus ein wenig so an wie „Herr der Ringe: Die zwei Türme“.

    Chris Miller: Es hat uns viel Zeit gekostet zu erkennen, welche Geschichte wir erzählen wollen, während wir diesen Film gemacht haben. Wir haben eine Zeit lang versucht, zwei Filme in eine Geschichte zu packen, bis wir erkannt haben, dass diese Geschichte, die wir hier erzählen, das mittlere Kapitel der Trilogie ist. Zum Glück haben alle unsere Partner*innen und Kolleg*innen an diese Idee geglaubt und sind mitgezogen, auch wenn das bedeutete, dass es etwas länger dauern könnte, den Film zu beenden.

    Aber am Ende erzählt auch dieser Teil eine befriedigende Geschichte mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende für Miles und alle Figuren und dennoch gibt es immer noch offene Handlungsstränge, die im letzten Kapitel der Trilogie [Anm.: „Spider-Man: Beyond The Spider-Verse“ erscheint 2024] geschlossen werden müssen.

    Phil Lord (links) & Chris Miller (rechts) im Interview Sony Pictures
    Phil Lord (links) & Chris Miller (rechts) im Interview

    FILMSTARTS: „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ ist enger mit dem Sony Spider-Verse und damit auch mit dem MCU verbunden. Inwieweit hat das Euren Arbeitsprozess beeinflusst?

    Phil Lord: Ich denke, wir gehen immer auf dieselbe Weise an diese Filme heran. Und zwar mit der Frage: „Wie viel können wir uns erlauben? [lacht] und wie können wir das Publikum überraschen und ihnen Dinge zeigen, von denen sie nicht einmal gedacht hätten, diese jemals auf der Leinwand zu sehen.“ Ich kann also nicht sagen, dass es unsere Arbeitsweise wirklich verändert hat, außer dass uns diese Verknüpfung mehr Möglichkeiten gegeben hat.

    Chris Miller: Ja, ich denke, dass im Multiversum alles möglich ist!

    Der Film durchbricht alle Multiversen Sony Pictures
    Der Film durchbricht alle Multiversen

    Phil Lord: Aber im Allgemeinen haben wir versucht, uns von der Idee zu verabschieden, dass es so etwas wie klare Trennlinien zwischen den verschiedenen filmischen Universen gibt. Ich denke, im Kopf des Publikums nehmen diese Universen alle denselben Platz ein – auch wenn sie aus unterschiedlichen Universen stammen.

    Die Tatsache, dass Dinge, die scheinbar nicht zusammengehören, dennoch denselben Platz auf der Leinwand bekommen und nebeneinander existieren, ist dabei eine der Kernaussagen des Films: Die Einzigartigkeit jeder Person, der Ort, von dem sie kommt, das sind die Quelle ihrer Stärke. Und auch wenn zwei Personen aus verschiedenen Dimensionen nebeneinander sehen, die nicht gleich aussehen oder sich gleich verhalten, dann können diese Figuren dennoch zusammengehören.

    Chris Miller: Wie bei einer Jazz-Combo-Band, in der jeder sein Solo hat, aber alle letztlich doch zusammen spielen. Man will doch nicht, dass jedes Instrument ein Saxophon ist...

    Phil Lord: Du willst das nicht, aber ich bin sicher, dass das Berliner Saxophon Ensemble da eine andere Meinung besitzt [lacht].

    Nicolas Cage in einer neuen "Spider-Man"-Serie?

    FILMSTARTS: Gibt es eine Spider-Man-Variante aus „Spider-Man: Across The Spider-Verse“, die ihr eigenes Spin-Off verdient hat?

    Chris Miller: Eine Spider-Man-Variante aus dem Spiderversum, die ihr eigenes Spin-Off verdient? Ich denke, sie könnten alle ihr eigenes Spin-Off haben. Sie kommen alle aus interessanten Welten, die einzigartig sind und einen einzigartigen Kunst- und Animationsstil haben. Wir arbeiten beispielsweise gerade an einigen Live-Action-Serien mit Figuren aus dem Spider-Verse. Wir machen eine Silk-Serie, die auf der Figur Cindy Moon basiert und eine Spider-Man-Noir-Serie.

    FILMSTARTS: Mit Nicholas Cage?

    Chris Miller: [lacht] Alles ist möglich im Multiversum...

    Nicolas Cage war bereits in Sony Pictures
    Nicolas Cage war bereits in "A New Universe" als Noir zu hören

    FILMSTARTS: Eines der Hauptthemen in „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ ist der Schmerz und der Verlust, der einen zu einem Helden macht. Zugleich lasst Ihr die Hauptfigur dagegen ankämpfen. Inwieweit und in welchem Umfang sind Schmerz und Verlust mit der Idee eines Superhelden verbunden?

    Phil Lord: Das ist eine gute Frage. Die Idee von Spider-Man ist, dass eine Spinnen-Person im Grunde doch genau so ist wie wir alle. Sie haben Angst, fühlen sich unvorbereitet und können ungeschickt sein. Ihr Heldentum ist kein Geburtsrecht und stammt nicht aus dem Weltall. Sie müssen lernen, ein Held zu sein und im Fall der meisten Spinnen-Menschen werden sie durch Tragödie und Verlust getrieben. Diese Erfahrung ist, was ihnen hilft, ihre Werte und Ziele zu definieren.

    In den Comics braucht Spider-Man alle paar Jahre eine neue Tragödie, um ihn daran zu erinnern, warum er tut, was er tut. Es ist wirklich ein interessanter roter Faden, dass alle Spider-Menschen in einem Konflikt stehen zwischen dem, was sie als Individuen glücklich macht der Verantwortung, die sie sich als Spider-Man selbst auferlegt haben. Spider-Man und Miles Morales beispielsweise können niemals gleichzeitig glücklich sein – und das ist gleichzeitig auch etwas, das Miles in Frage stellen will.

    Scarlet-Spider ist eine der neuen Spider-Man-Varianten Sony Pictures
    Scarlet-Spider ist eine der neuen Spider-Man-Varianten

    Es gibt auch den Mythos, das ein Künstler gefoltert werden muss, um gute Kunst zu kreieren. Das man für Kunst leiden und einen schwarzen Rollkragenpulli tragen muss, damit die Kunst gut wird – aber wir hoffe, dass das nicht wahr ist. Wir versuchen zu behaupten, dass es möglich ist, große Kunst zu machen und gleichzeitig ein glücklicher und gesunder Mensch zu sein.

    Comic-Figuren müssen neu erfunden werden: "Veränderung zu verbieten, ist falsch!"

    FILMSTARTS: In gewisser Weise macht Ihr euch ja auch über die Tatsache lustig, dass das Publikum eine Spider-Man-Version nur dann als Spider-Man akzeptiert, wenn er bestimmte Schritte durchläuft, wie z. B. Onkel Ben zu verlieren. Glaubt Ihr, dass das Publikum für eine neue Version von Spider-Man bereit ist oder wird es sich immer für das Original entscheiden?

    Chris Miller: Das hoffe ich doch sehr. Ich glaube, dass dieser Film einen Haufen verschiedener Möglichkeiten zeigt, wie eine Person ein Spider-Man oder eine Spider-Frau oder sogar ein Spider-Pferd sein kann.

    Phil Lord: Das Schöne daran ist, wie diese Figuren die Zeit überdauert haben. Steve Ditko und Stan Lee haben sich diese Figuren vor über 60 Jahren ausgedacht, und viele verschiedene Künstler und Autoren haben dieses Universum weitergesponnen, neue Geschichten kreiert und ihnen ihre eigene Persönlichkeit und Sichtweise gegeben. Das ist es, was sie überdauern lässt.

    Sie in einer nostalgischen Vorstellung gefangen zu halten und Veränderung zu verbieten, ist falsch, das ist nicht gut für die Kunst oder die Künstler oder das Publikum. Damit diese Dinge überdauern, müssen sie sich weiterentwickeln, und das Gleiche gilt für die Figuren: Damit sie überleben, müssen sie erwachsen werden und sich weiterentwickeln, oder sie werden scheitern.

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