Beim Blick auf das Titelbild dieses Artikels könnte man doch glatt von einem Horrorfilm ausgehen. Und in gewisser Form ist das „She Said“ auch. Denn tatsächlich sind die Dämonen, die uns in Maria Schraders Verfilmung des Weinstein-Skandals erwarten, nicht weniger erschreckend als dunkle Flüche, Monster aus der Hölle oder unaufhaltsame Killer, die maskiert auf Meucheljagd gehen. Und obendrein auch noch real.
Nicht nur für den Autor dieses Artikels zählt „She Said“ zu den großen Kino-Highlights des Vorjahres: In der FILMSTARTS-Kritik gab es starke 4 von 5 möglichen Sternen, und auch auf Kritikenplattformen wie MetaCritic (74 von 100 Punkten) und Rotten Tomatoes (88 Prozent positive Stimmen) verpasst der Film der deutschen Ausnahme-Filmemacherin nur haarscharf den hiesigen für neun Oscars nominierten Kritikerliebling „Im Westen nichts Neues“. Dass dennoch kaum jemand für „She Said“ ins Kino ging bzw. geht, ist umso bedauernswerter. Jetzt gibt's aber immerhin noch die Alternative für Zuhause: „She Said“ gibt's ab sofort als Stream unter anderem bei Amazon Prime Video:
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Trotz starker Kritiken und zwei BAFTA- sowie einer Golden-Globe-Nominierung wird Universal Pictures mit „She Said“ wohl keinen Gewinn mehr machen. Während der Film hierzulande nach wie vor im Programm zahlreicher Filmtheater zu finden ist (alleine in Berlin läuft er am morgigen 15. Februar etwa in neun Kinos), kann der Verleiher zwei Monate nach Kinostart ein Einspielergebnis von nur knapp 13,8 Millionen Dollar verbuchen. Das entspricht nicht einmal der Hälfte des reinen Produktionsbudgets (32 Millionen Dollar).
Bleibt zu hoffen, dass der Film im Streaming sowie im Heimkino – DVD und Blu-ray* sowie Leih-VOD erscheinen am 23. Februar – mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekommt. Denn „She Said“ ist ein packendes Stück Aufdeckungskino, das sich nicht nur für Fans von Filmen wie „Die Unbestechlichen“ oder „Spotlight“ lohnt.
"She Said": So kam es zu #metoo
Schauspielerin (u.a. in „Deutschland 83/86/89“) und Regisseurin (u.a. „Unorthodox“, „Ich bin dein Mensch“) Maria Schrader nahm für ihren Film eine der bedeutendsten Reportagen der vergangenen Jahre als Vorlage – und zwar den Bericht der New York Times, der die zahlreichen Missbrauchsfälle rund um Filmproduzent Harvey Weinstein enthüllte und damit eine der größten Bewegungen einer Generation ins Leben rief: #metoo.
Im Zentrum der Geschichte stehen die beiden Journalistinnen Jodi Kantor (Zoe Kazan) und Megan Twohey (Carey Mulligan), die all ihren Mut zusammennehmen, um nicht nur den betroffenen Frauen Gehör zu schenken, sondern sich für sie auch im Kampf David gegen Goliath einzusetzen. Denn so aussichtslos die Situation im Duell mit den mächtigsten Konzernen, Führungskräften und Anwälten Hollywoods auch sein mag – wer Unrecht tut, soll nicht ungeschoren davonkommen.
Wichtig, packend & unglaublich unterhaltsam
Im Netz wurde vielerorts Kritik laut, ein Film wie „She Said“ sei unnötig. Ohnehin wäre der Fall Harvey Weinstein in den Medien schon derart breitgetreten worden, sodass ein Kinobesuch kaum noch neue Erkenntnisse bringen könnte. Dem kann der Autor dieses Artikels aus mehreren Gründen nur widersprechen.
Ja, der Weinstein-Skandal bestimmte eine Zeit lang die Medien. Gerade die Masse an Berichten machte es allerdings oft zu einer Herausforderung, Inhalte herauszufiltern, die auch tatsächlich die Informationen beinhalten, die man sich von ihnen erhofft. Also liest man oftmals einfach nur die Headlines – um wenigstens grob auf dem neuesten Stand zu sein. „She Said“ vereint die wichtigsten Entwicklungen in der Causa aber nicht nur, sondern macht das auch noch auf unglaublich unterhaltsame Art und Weise.
Selbst wenn man bereits weiß, wie die Geschichte ausging, lässt Schrader keine Sekunde Langeweile aufkommen – ganz einfach, weil der Weg bis hin zum erlösenden Finale derart kurzweilig und spannend geraten ist. Dafür sorgt neben einem bärenstarken Drehbuch ein mindestens genauso famoser Cast, der bis in die Nebenrollen groß aufspielt. Neben „Brooklyn Nine-Nine“-Polizeichef Andre Braugher, Jennifer Ehle („Zero Dark Thirty“) und Patricia Clarkson („The Green Mile“) sind vor allem Zoe Kazan („The Big Sick“) und Carey Mulligan („Drive“) in den Hauptrollen eine absolute Wucht. Eine Extraportion emotionale Schlagkraft entwickelt außerdem der Auftritt von Ashley Judd („Olympus Has Fallen“), die sich selbst und damit eine der betroffenen Frauen spielt.
Abgesehen davon ist die Leinwand stets ein passender Ort, um auf gesellschaftliche Probleme hinzuweisen – und zwar immer und immer wieder. Könnt ihr euch etwa noch an „The Assistant“ von 2020 erinnern, der dieselbe Thematik aufgreift? Falls die Antwort „nein“ ist, gehört ihr zu den vielen Menschen, an denen das in Sachen Eindringlichkeit „She Said“ in nichts nachstehende und hierzulande sogar direkt fürs Heimkino erschienene Drama, das weltweit gar nur 1,4 Millionen Dollar einspielen konnte, bislang spurlos vorüberzog. Da kann ein Reminder wahrlich nicht schaden – vor allem dann nicht, wenn dieser wie „She Said“ derart sehenswert ausfällt.
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